Kampf gegen Terror

Gemeinsam gegen Radikalisierung

Eine Menschenmenge steht auf der Straße, zu ihren Füßen viele Blumensträuße, außerdem im Bild: die französische Flagge
Schweigeminute in Paris für die Opfer der Terroranschläge. © picture-alliance / dpa / Etienne Laurent
Von Annette Riedel |
Wie kann man innerhalb der EU besser gegen Radikalisierung und Radikalisierte vorgehen? Einen entsprechenden Initiativbericht hat das EU-Parlament erarbeitet. Darin wird ein Flickenteppich nationaler Zuständigkeiten kritisiert, der einem grenzenlosen Terror nicht beikomme.
Seit der Terrorattacke gegen Charlie Hebdo hat das Parlament seine Vorstellungen zusammengetragen, wie Radikalisierung etwas entgegen gesetzt werden kann. Durch die jüngsten Pariser Attacken bekam die gestrige Debatte traurige Aktualität. Im Innenausschuss, dem der Grüne Jan-Philipp Albrecht angehört, wurde der Initiativ-Bericht erarbeitet.
"Wir sehen, dass es darum geht, tatsächlich die Ursachen von Radikalisierung anzugehen – sowohl gesellschaftlich als auch zum Beispiel in Strafverfahren, in Gefängnissen zum Beispiel."
Dem EU-Parlament geht es vor allem um zweierlei: Einerseits die Mitgliedsstaaten zum besseren Austausch über Erfolgversprechendes bei der Terrorismusprävention zu bewegen. Und andererseits wenden sich die Abgeordneten gegen den Flickenteppich von nationalen Zuständigkeiten innerhalb der EU beim Aufspüren von potenziellen Gefährdern.
Informationen über Terrorverdächtige bleiben hängen, beklagt der Vorsitzende der Liberalen im Europäischen Parlament, Guy Verhoftstadt. So könne Terrorismus nicht beigekommen werden.
"Wir kämpfen gegen ein Phänomen, das keine Grenzen kennt, mit Systemen, die auf Grenzen beruhen."
Auch die Online-Radikalisierung im Visier
Grenzenlos bekanntlich auch das Internet. Dort radikalisiert sich manch einer. Und deshalb ist dem Umgang mit Online-Radikalisierung erheblicher Raum im Initiativbericht der Abgeordneten gewidmet. Bei EU-Innenkommissar Avramopoulos rennen sie damit offene Türen ein.
"Ich werde am 3. Dezember förmlich das EU-Internetforum mit den Chefs der größten Anbieter auf den Weg bringen. Wichtiges Ziel des Forums ist, unsere Zusammenarbeit zu verbessern, wenn es um die Löschung von Inhalten geht, die unsere Jugendlichen radikalisieren können."
Die EU-Parlamentarier begrüßen ausdrücklich die neue Internet-Abteilung bei der europäischen Polizeibehörde Europol. Gleichzeitig fordern sie, das die EU-Länder mehr Mittel und qualifiziertes Personal zur Verfügung stellen müssen.
Auch für das Radikalisierungserkennungsnetzwerk der EU, das schon seit einiger Zeit an Strategien zur Vorbeugung von Radikalisierung und für De-Radikalisierung arbeitet. Gut, aber eben noch nicht gut genug, meint Jan Philipp Albrecht.
"Da ist es zum Beispiel verunsichernd, dass schon seit vielen Monaten, auch schon vor den Anschlägen von Paris jetzt, dass dort kein Direktor benannt wurde."
"Softe Maßnahmen" sind auch Teil der Prävention
In weiten Teilen widmen sich die Abgeordneten in ihrer Handlungsaufforderung an die EU-Kommission und die EU-Länder der Integration junger Muslime, als Teil der Prävention, der sogenannten soften Maßnahmen. Die sind der SPD-Innenpolitikerin im EU-Parlament, Birgit Sippel, besonders wichtig. Nicht zuletzt in diesem Bereich gibt es erheblichen Nachholbedarf in vielen EU-Ländern, und hier sieht sie eine Rolle für die EU-Kommission.
"Die EU-Kommission muss die Mitgliedsstaaten darauf drängen, diese Aufgabe der Prävention, der Inklusion in Gesellschaften von Menschen, die bei uns aufgewachsen sind, mindestens genauso ernst zu nehmen wie die Frage, Kontrolle von Außengrenzen und andere Maßnahmen."
Aber neben den soften Maßnahmen benennt der Bericht durchaus auch robuste - Entzug von Reisepässen für Dschihad-Touristen oder Ausweisung von sogenannten Hasspredigern, soweit sie keine EU-Bürger sind. Die CSU-Abgeordnete im EU-Parlament, Monika Hohlmeier:
"Wir müssen junge Menschen davor schützen, dass sie in den Bann von solchen Extremisten und Gefährdern gezogen werden."
Fluggastdatenspeicherung: sinnvoll?
Einige der genannten Aspekte werden heute im EU-Parlament erneut eine Rolle spielen, wenn EU-Kommissionspräsident Juncker zur General-Debatte über Terrorismus nach Straßburg kommt. Ganz sicher wird in der Diskussion die Sinnhaftigkeit eines europäischen Systems für Fluggastdatenspeicherung angesprochen. Für den konservativen EU-Parlamentarier Timothy Kirkhope, muss das System so schnell wie möglich kommen.
"17 EU-Länder bauen schon ihr eigenes System der Fluggastdatenspeicherung auf. Wir brauchen dringend ein europäisches."
Der grüne Politiker Albrecht hält die Fluggastdaten-Speicherung für an der falschen Stelle ausgegebenes Geld.
"Jeden Euro kann man nur einmal ausgeben. Wenn wir jetzt hundert Millionen Euro in dieses System der anlasslosen Datenspeicherung stecken, dann wird dieses Geld definitiv fehlen, bei der konkreten Zusammenarbeit von Polizeibehörden in Europa."
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