Kampf um alte Rechte
Seit Jahrzehnten genießen Frauen in Tunesien vergleichsweise viele Rechte. Während der Revolution kämpften sie gegen die Willkür von Staat und Polizei. Jetzt sieht es so aus, als könnten sie zu Verliererinnen des Umbruchs werden.
Drei junge Aktivistinnen stehen vor dem Gerichtsgebäude in Tunis, nur mit einer knappen Hose bekleidet, oben ohne. Sie rufen "Free Amina", "Befreit Amina", in die Kameras, fordern die Freilassung einer inhaftierten Mitstreiterin der Organisation Femen. Eine der Demonstrantinnen ist Josephine, 19 Jahre, aus Hamburg. Sicherheitskräfte packen sie, schleifen sie über den Boden, nehmen sie fest. Genau wie ihre beiden Mitstreiterinnen aus Frankreich.
Gut drei Wochen ist die Aktion jetzt her, sie sollte die Aufmerksamkeit auf Amina lenken. Eine junge Tunesierin, die sich im Internet ebenfalls barbusig gezeigt hatte. Derzeit sitzt sie in Haft, weil sie in der Stadt Kairouan das Wort "Femen" auf eine Mauer gesprayt hatte, nahe des islamischen Friedhofs. Damit hatte sie gegen eine Versammlung von Salafisten protestieren wollen. Deren Frauenbild halten längst nicht nur Aktivistinnen wie Amina für mittelalterlich.
Die medienwirksame Aufregung um Femen platzt in eine Zeit, in der Tunesien um seine Grundwerte ringt, wie nie zuvor. Eine Zeit, in der die Schere zwischen religiösen und progressiven Visionen vom neuen Tunesien immer weiter auseinandergeht. Deutlich wird das auch durch immer neue Zusammenstöße zwischen Salafisten und Sicherheitskräften.
Gut drei Wochen ist die Aktion jetzt her, sie sollte die Aufmerksamkeit auf Amina lenken. Eine junge Tunesierin, die sich im Internet ebenfalls barbusig gezeigt hatte. Derzeit sitzt sie in Haft, weil sie in der Stadt Kairouan das Wort "Femen" auf eine Mauer gesprayt hatte, nahe des islamischen Friedhofs. Damit hatte sie gegen eine Versammlung von Salafisten protestieren wollen. Deren Frauenbild halten längst nicht nur Aktivistinnen wie Amina für mittelalterlich.
Die medienwirksame Aufregung um Femen platzt in eine Zeit, in der Tunesien um seine Grundwerte ringt, wie nie zuvor. Eine Zeit, in der die Schere zwischen religiösen und progressiven Visionen vom neuen Tunesien immer weiter auseinandergeht. Deutlich wird das auch durch immer neue Zusammenstöße zwischen Salafisten und Sicherheitskräften.
Verfassung garantiert Gleichberechtigung
Seit mehr als eineinhalb Jahren schreiben die Abgeordneten an der neuen Verfassung. Bei der Formulierung der einzelnen Artikel sind Islamisten und Weltliche immer wieder aneinandergeraten, auch beim Thema Frauenrechte. Nichtsdestotrotz: Der aktuelle Verfassungsentwurf garantiert den Frauen Gleichberechtigung. Ausdrücklich betont er die Frauenrechte in Tunesien, die nirgends in der Arabischen Welt so weitreichend sind.
Um Artikel 45 der neuen Verfassung wurde in den letzten Monaten besonders hart gerungen, letztes Jahr hieß es dort noch altertümlich, die Frau sei dem Mann "zur Seite gestellt" – dieser Passus ist mittlerweile Geschichte, auch dank des unermüdlichen Drucks der Zivilgesellschaft.
Dennoch fürchten nicht wenige Frauen, dass das gesellschaftliche Klima sich gerade verändert. Auch die linke Abgeordnete und Frauenrechtlerin Nadia Chaabane kämpft dagegen, dass Tunesiens Frauen in ihren Rechten geschwächt werden könnten. Dennoch: Die Oben-Ohne-Aktion von Femen lehnt Nadia Chaabane ab:
"Welche Botschaft hat so eine Aktion denn? Ich sehe da keine, ganz ehrlich. Ich bin da skeptisch, wenn ich sehe, wie die Rechte der Frauen da instrumentalisiert werden. Ich mache mir zwar Sorgen, habe aber gleichzeitig auch Vertrauen in die Frauen Tunesiens. Der Kampf um unsere Rechte wird nicht leicht, er wird einige Jahren dauern und sicher auch nicht schmerzlos."
Tunesiens Frauen haben zum Sturz des Ben-Ali-Regimes gehörig beigetragen – und das ist es, was Nadia Chaabane besonders Mut macht. Frauen haben gegen die Machtclique von Ben Ali demonstriert, an der tunesischen Staatszensur vorbei gebloggt, Videoclips über illegale Demonstrationen auf Youtube hochgeladen, genauso wie die Männer. Tunesiens Frauen gelten heute als besser ausgebildet als die Männer, sie haben mehr Uni-Abschlüsse, viele von ihnen haben technische Berufe und gute Arbeitschancen, viele Frauen sitzen in der Verfassungsgebenden Versammlung.
Um Artikel 45 der neuen Verfassung wurde in den letzten Monaten besonders hart gerungen, letztes Jahr hieß es dort noch altertümlich, die Frau sei dem Mann "zur Seite gestellt" – dieser Passus ist mittlerweile Geschichte, auch dank des unermüdlichen Drucks der Zivilgesellschaft.
Dennoch fürchten nicht wenige Frauen, dass das gesellschaftliche Klima sich gerade verändert. Auch die linke Abgeordnete und Frauenrechtlerin Nadia Chaabane kämpft dagegen, dass Tunesiens Frauen in ihren Rechten geschwächt werden könnten. Dennoch: Die Oben-Ohne-Aktion von Femen lehnt Nadia Chaabane ab:
"Welche Botschaft hat so eine Aktion denn? Ich sehe da keine, ganz ehrlich. Ich bin da skeptisch, wenn ich sehe, wie die Rechte der Frauen da instrumentalisiert werden. Ich mache mir zwar Sorgen, habe aber gleichzeitig auch Vertrauen in die Frauen Tunesiens. Der Kampf um unsere Rechte wird nicht leicht, er wird einige Jahren dauern und sicher auch nicht schmerzlos."
Tunesiens Frauen haben zum Sturz des Ben-Ali-Regimes gehörig beigetragen – und das ist es, was Nadia Chaabane besonders Mut macht. Frauen haben gegen die Machtclique von Ben Ali demonstriert, an der tunesischen Staatszensur vorbei gebloggt, Videoclips über illegale Demonstrationen auf Youtube hochgeladen, genauso wie die Männer. Tunesiens Frauen gelten heute als besser ausgebildet als die Männer, sie haben mehr Uni-Abschlüsse, viele von ihnen haben technische Berufe und gute Arbeitschancen, viele Frauen sitzen in der Verfassungsgebenden Versammlung.
Ohne starke Frauen ist das neue Tunesien nicht denkbar
Besonders im konservativen Hinterland werden Frauen noch immer stark benachteiligt, gibt es sexuellen Missbrauch. Auch in vielen Unternehmen sind die Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen noch immer begrenzt. Doch die Rechtsanwältin und Aktivistin Radhia Nasraoui ist stolz: Ohne starke, mutige Frauen sei diese Revolution undenkbar – und das neue Tunesien erst recht.
"Ich sehe viele Frauen in Tunesien, die das verteidigen, was wir erreicht haben– es ist ein Teil der Kultur geworden, der Identität. Dass die Frauen einfach sichtbar sind in der Gesellschaft, dass sie sich zu Wort melden, sich politisch engagieren. Das ist etwas Normales geworden, und das ist wunderbar. Es gibt auch Frauen, die in der Wirtschaft Erfolg haben. Ich kann nicht verstehen, wie einige Leute das wieder in Frage stellen können.""
Infrage stellen das weiter diejenigen, die Tunesien auf dem Weg in die Demokratie aufhalten wollen – allen voran die Salafisten, sie wollen das Patriarchat bewahren. Diese Rechnung haben sie ohne die Frauen gemacht …
Der Kampf um Gleichberechtigung von Mann und Frau ist längst zu einer wichtigen Säule des neuen Tunesien geworden. Immer wieder gehen die Tunesier dafür in Scharen auf die Straße - und viele Frauen leben längst ihren Alltag, so wie die 30-jährige Bloggerin Yamina. Sie hat den Glauben an ein Miteinander von Islam und Demokratie in Tunesien noch nicht verloren. Dabei dürfte sie den Radikalen ein rotes Tuch sein, denn Yamina ist selbstbewusst und offen bisexuell. Für sie ist und bleibt der Islam aber die Religion des Respekts. Und diesen Respekt fordert sie ein – von allen.
"Das ist mein Way of Life... Den werde ich nicht ändern. Nein, ich lebe weiter wie bisher. Das ist meine Art, Widerstand zu leisten gegen alle Versuche, mich einzuschränken. Nur dann kann man verstehen, was Rechte sind: indem man sie lebt – und dann auch verteidigt."
"Ich sehe viele Frauen in Tunesien, die das verteidigen, was wir erreicht haben– es ist ein Teil der Kultur geworden, der Identität. Dass die Frauen einfach sichtbar sind in der Gesellschaft, dass sie sich zu Wort melden, sich politisch engagieren. Das ist etwas Normales geworden, und das ist wunderbar. Es gibt auch Frauen, die in der Wirtschaft Erfolg haben. Ich kann nicht verstehen, wie einige Leute das wieder in Frage stellen können.""
Infrage stellen das weiter diejenigen, die Tunesien auf dem Weg in die Demokratie aufhalten wollen – allen voran die Salafisten, sie wollen das Patriarchat bewahren. Diese Rechnung haben sie ohne die Frauen gemacht …
Der Kampf um Gleichberechtigung von Mann und Frau ist längst zu einer wichtigen Säule des neuen Tunesien geworden. Immer wieder gehen die Tunesier dafür in Scharen auf die Straße - und viele Frauen leben längst ihren Alltag, so wie die 30-jährige Bloggerin Yamina. Sie hat den Glauben an ein Miteinander von Islam und Demokratie in Tunesien noch nicht verloren. Dabei dürfte sie den Radikalen ein rotes Tuch sein, denn Yamina ist selbstbewusst und offen bisexuell. Für sie ist und bleibt der Islam aber die Religion des Respekts. Und diesen Respekt fordert sie ein – von allen.
"Das ist mein Way of Life... Den werde ich nicht ändern. Nein, ich lebe weiter wie bisher. Das ist meine Art, Widerstand zu leisten gegen alle Versuche, mich einzuschränken. Nur dann kann man verstehen, was Rechte sind: indem man sie lebt – und dann auch verteidigt."