Kampf ums Volkstheater und die Kunsthalle
Auf die neue Kultursenatorin, die von Hamburg-Altona nach Rostock wechselte, warten enorme Probleme. Die Kunsthalle, die im nächsten Jahr ihren 40. Geburtstag feiert, ist nach der Wende ins Abseits geraten. Außerdem sieht ein Landespapier vor, dass es in Zukunft nur noch ein A-Orchester für Schwerin und Rostock geben soll.
Das mit mehr als 230 Millionen hoch verschuldete Rostock lebt seit Jahren unterm Damoklesschwert der Zwangsverwaltung. Der städtische Haushalt wurde vom Innenministerium nur unter der Sparauflage von 20 Millionen genehmigt. Bei der Zahl ihrer Senatoren spart Rostock schon länger, weshalb Liane Melzer, die im Oktober von Hamburg-Altona nach Rostock wechselte, nun als neue Kultursenatorin einem "Senat für Jugend und Soziales, Gesundheit, Schule und Sport und Kultur" vorsteht.
Auf die neue Senatorin warten allein im Kulturbereich enorme Probleme. Es existiert weder ein Kulturkonzept für die Stadt und ihre 202.000 Einwohner noch hat sich Rostock bisher sonderlich um Landesunterstützung bemüht. Die kleine freie Szene wird leidlich unterstützt, doch die großen Kulturinstitutionen machen allesamt Probleme. Das Volkstheater, das mehr als die Hälfte des Kulturetats verschlingt, aber nur 7 Prozent seines Etats selbst einspielt (Schwerin schafft immerhin 27 Prozent), wird seit Jahren klein gespart und von einer Hauptarbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung der Bürgerschaft mit immer neuen Strukturänderungsmodellen traktiert, die kaum verhüllte Mordanschläge aufs Theater darstellen. Von neun Intendanten hat man sich seit 1991 im Unfrieden getrennt. Der Amerikaner Peter Leonhard war drei Jahre lang Generalmusikdirektor des Theaters, bis er zu Beginn dieser Spielzeit nach dem Rausschmiss seines Vorgängers die Intendanz übernahm:
"Meine Sekretärin, die übrigens phantastisch ist, sie hat große Erfahrung und stützt mich total: ich bin ihr neunter Intendant. Ich hab manchmal den Eindruck, wenn ich zu einem Thema komme, dass sie weiß schon das Textbuch, wo es hinwird."
Die Rostocker Bürgerschaft sieht kulturelle Förderung nur als freiwillige Leistung. So werden immer wieder neue und andere Beschlüsse gefasst oder alte einfach ignoriert, wie die Entscheidung aus dem Jahr 1992 zu einem Theaterneubau. Immerhin: der Beschluss, 100 von derzeit noch 347 (von zu DDR-Zeiten rund 750) Stellen des Theaters wegfallen zu lassen und den städtischen Zuschuss von 8.2 auf 4 Millionen zu kürzen, scheint zunächst vom Tisch, meinen Intendant Peter Leonhard und Senatorin Liane Melzer:
Leonhard: "Wir haben jetzt ein klares Zeichen von der Stadtverwaltung bekommen, dass man hat vor für das jetzige Jahr, für 2008 sowie für 2009, dass die Finanzierung gleich bleiben wird als in den frühen Jahren. Das heißt, dass die angekündigten massiven Kürzungen werden beseitigt."
Melzer: "Dieser Beschluss ist bisher, ich finde, das ist eigentlich auch ganz gut, noch nicht umgesetzt worden, und das Theater hat jetzt noch mal zwei Jahre Zeit bekommen, um sich strukturelle Veränderungen vorzunehmen."
Die Umsetzung des Beschlusses, das städtische Amt "Theater" in eine GmbH zu überführen, weil mit den Stellen von 324 Theatermitarbeitern 13 Prozent aller Stellen in der Stadtverwaltung wegfielen, macht derzeit noch Probleme:
"Es gibt einen Beschluss der Bürgerschaft, dass eine Theater GmbH gebildet wird, die zu hundert Prozent der Hansestadt Rostock gehört. Das ist im Moment auf Grund der Kommunalverfassung nicht möglich."
Dem Eckpunktepapier des Landes, nach dem ab 2010 Fördermittel des Landes nur noch an Mehrspartenstandorte gezahlt werden sollen, womit die Theater zu Zusammenschluss und Zusammenarbeit gezwungen werden, steht die neue Senatorin durchaus positiv gegenüber. Ein großes Problem ist allerdings, dass das Landespapier nur noch ein A-Orchester für Schwerin und Rostock vorsieht:
"Ich denke, es ist sehr schwer, zu entscheiden, ob die Norddeutsche Philharmonie oder die 450 Jahre alte Staatskapelle in Schwerin aufgelöst werden soll. Also ich hoffe und gehe eigentlich auch stark davon aus, dass beide Orchester bestehen bleiben. Sicherlich wird man darüber verhandeln müssen, in welcher Stärke, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Hansestadt Rostock auf ihre Norddeutsche Philharmonie verzichten wird."
Ein weiteres Problem will sich die Stadt mit einer Halbprivatisierung vom Halse schaffen. Die Kunsthalle, der im nächsten Jahr seinen 40. Geburtstag feiernde einzige Museumsneubau der DDR, einst vor allem ein Fenster zum Westen, nach Skandinavien, ist nach der Wende ins Abseits geraten. Seit drei Jahren ist sie ohne Leitung, und die Besucher blieben trotz interessanter Ausstellungen fort. Immer neue Vorschläge zur Zukunft des Hauses gipfelten schließlich in einem Dienstleistungskonzessionsvertrag für einen engagierten, Kunst-interessierten Zahnarzt, der, unterstützt von einem städtischen Beirat ohne Weisungsrecht, das Haus zu einem "überregional bedeutsamen Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst" entwickeln soll.
Eine Posse: denn die Betriebskosten bleiben bei der Stadt als Eigentümerin, und weiterhin soll weder Eintritt erhoben noch der seit 1990 fehlende Ankaufsetat eingerichtet werden:
"Das bleibt im Moment so, das ist auch jetzt im nächsten Haushalt nicht vorgesehen, und das hängt eben mit der finanziell sehr, sehr schwierigen Situation der Hansestadt zusammen. Und da muss man sagen, dass der Kulturbereich von der Kommunalaufsicht, also vom Innenministerium, aus meiner Sicht, ja, sehr kritisch betrachtet wird. Aus Sicht der Kommunalaufsicht sind das alles freiwillige Leistungen, zu denen die Stadt nicht verpflichtet ist und die sie dann nach Ansicht der Kommunalaufsicht eigentlich auch streichen könnte. Und das ist für mich natürlich die allerschlechteste Variante."
So wird einmal mehr das bisherige Problem von Rostocks Kulturpolitik deutlich: statt inhaltlicher gibt es kaum durchdachte organisatorische Konzepte, die sich allein aus dem Sparwillen der Stadt begründen.
Auf die neue Senatorin warten allein im Kulturbereich enorme Probleme. Es existiert weder ein Kulturkonzept für die Stadt und ihre 202.000 Einwohner noch hat sich Rostock bisher sonderlich um Landesunterstützung bemüht. Die kleine freie Szene wird leidlich unterstützt, doch die großen Kulturinstitutionen machen allesamt Probleme. Das Volkstheater, das mehr als die Hälfte des Kulturetats verschlingt, aber nur 7 Prozent seines Etats selbst einspielt (Schwerin schafft immerhin 27 Prozent), wird seit Jahren klein gespart und von einer Hauptarbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung der Bürgerschaft mit immer neuen Strukturänderungsmodellen traktiert, die kaum verhüllte Mordanschläge aufs Theater darstellen. Von neun Intendanten hat man sich seit 1991 im Unfrieden getrennt. Der Amerikaner Peter Leonhard war drei Jahre lang Generalmusikdirektor des Theaters, bis er zu Beginn dieser Spielzeit nach dem Rausschmiss seines Vorgängers die Intendanz übernahm:
"Meine Sekretärin, die übrigens phantastisch ist, sie hat große Erfahrung und stützt mich total: ich bin ihr neunter Intendant. Ich hab manchmal den Eindruck, wenn ich zu einem Thema komme, dass sie weiß schon das Textbuch, wo es hinwird."
Die Rostocker Bürgerschaft sieht kulturelle Förderung nur als freiwillige Leistung. So werden immer wieder neue und andere Beschlüsse gefasst oder alte einfach ignoriert, wie die Entscheidung aus dem Jahr 1992 zu einem Theaterneubau. Immerhin: der Beschluss, 100 von derzeit noch 347 (von zu DDR-Zeiten rund 750) Stellen des Theaters wegfallen zu lassen und den städtischen Zuschuss von 8.2 auf 4 Millionen zu kürzen, scheint zunächst vom Tisch, meinen Intendant Peter Leonhard und Senatorin Liane Melzer:
Leonhard: "Wir haben jetzt ein klares Zeichen von der Stadtverwaltung bekommen, dass man hat vor für das jetzige Jahr, für 2008 sowie für 2009, dass die Finanzierung gleich bleiben wird als in den frühen Jahren. Das heißt, dass die angekündigten massiven Kürzungen werden beseitigt."
Melzer: "Dieser Beschluss ist bisher, ich finde, das ist eigentlich auch ganz gut, noch nicht umgesetzt worden, und das Theater hat jetzt noch mal zwei Jahre Zeit bekommen, um sich strukturelle Veränderungen vorzunehmen."
Die Umsetzung des Beschlusses, das städtische Amt "Theater" in eine GmbH zu überführen, weil mit den Stellen von 324 Theatermitarbeitern 13 Prozent aller Stellen in der Stadtverwaltung wegfielen, macht derzeit noch Probleme:
"Es gibt einen Beschluss der Bürgerschaft, dass eine Theater GmbH gebildet wird, die zu hundert Prozent der Hansestadt Rostock gehört. Das ist im Moment auf Grund der Kommunalverfassung nicht möglich."
Dem Eckpunktepapier des Landes, nach dem ab 2010 Fördermittel des Landes nur noch an Mehrspartenstandorte gezahlt werden sollen, womit die Theater zu Zusammenschluss und Zusammenarbeit gezwungen werden, steht die neue Senatorin durchaus positiv gegenüber. Ein großes Problem ist allerdings, dass das Landespapier nur noch ein A-Orchester für Schwerin und Rostock vorsieht:
"Ich denke, es ist sehr schwer, zu entscheiden, ob die Norddeutsche Philharmonie oder die 450 Jahre alte Staatskapelle in Schwerin aufgelöst werden soll. Also ich hoffe und gehe eigentlich auch stark davon aus, dass beide Orchester bestehen bleiben. Sicherlich wird man darüber verhandeln müssen, in welcher Stärke, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Hansestadt Rostock auf ihre Norddeutsche Philharmonie verzichten wird."
Ein weiteres Problem will sich die Stadt mit einer Halbprivatisierung vom Halse schaffen. Die Kunsthalle, der im nächsten Jahr seinen 40. Geburtstag feiernde einzige Museumsneubau der DDR, einst vor allem ein Fenster zum Westen, nach Skandinavien, ist nach der Wende ins Abseits geraten. Seit drei Jahren ist sie ohne Leitung, und die Besucher blieben trotz interessanter Ausstellungen fort. Immer neue Vorschläge zur Zukunft des Hauses gipfelten schließlich in einem Dienstleistungskonzessionsvertrag für einen engagierten, Kunst-interessierten Zahnarzt, der, unterstützt von einem städtischen Beirat ohne Weisungsrecht, das Haus zu einem "überregional bedeutsamen Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst" entwickeln soll.
Eine Posse: denn die Betriebskosten bleiben bei der Stadt als Eigentümerin, und weiterhin soll weder Eintritt erhoben noch der seit 1990 fehlende Ankaufsetat eingerichtet werden:
"Das bleibt im Moment so, das ist auch jetzt im nächsten Haushalt nicht vorgesehen, und das hängt eben mit der finanziell sehr, sehr schwierigen Situation der Hansestadt zusammen. Und da muss man sagen, dass der Kulturbereich von der Kommunalaufsicht, also vom Innenministerium, aus meiner Sicht, ja, sehr kritisch betrachtet wird. Aus Sicht der Kommunalaufsicht sind das alles freiwillige Leistungen, zu denen die Stadt nicht verpflichtet ist und die sie dann nach Ansicht der Kommunalaufsicht eigentlich auch streichen könnte. Und das ist für mich natürlich die allerschlechteste Variante."
So wird einmal mehr das bisherige Problem von Rostocks Kulturpolitik deutlich: statt inhaltlicher gibt es kaum durchdachte organisatorische Konzepte, die sich allein aus dem Sparwillen der Stadt begründen.