Kampfschrift gegen die Weltpolitik Amerikas
Noam Chomsky ist einer der großen amerikanischen Intellektuellen, bekannt vor allem durch seine sprachwissenschaftlichen Arbeiten. Doch er ist auch ein ungnädiger Kritiker der USA. In seinem neustem Buch "Der gescheiterte Staat" zeichnet Chomsky mit verstörender Präzision die Entwicklung einer Politik nach, die lange vor Bush begann.
Wenn von "gescheiterten Staaten" die Rede ist, denken wir in der Regel an Länder wie Somalia oder Haiti: An Staaten, die nicht in der Lage sind, für die Sicherheit ihrer Bürger zu sorgen - korrupte undemokratische Regime, die sich nicht an internationale Abkommen und das Völkerrecht halten.
Aber Chomsky meint nicht Somalia, sondern die USA. Auf 400 Seiten begründet er das dann, vor allem mit der Verwerflichkeit amerikanischer Weltpolitik, was er auch schon in anderen Büchern vorher gemacht hat. Das Buch ist gewissermaßen das neuste Update früherer Werke, in denen er die USA auch schon mal zum "Schurkenstaat" erklärt hat.
In seinem neuen Buch wirft Chomsky der amerikanischen Regierung vor, dass sie genau das Gegenteil von dem erreiche, was sie nach Außen hin verkünde:
"Die weltweit dominierende Macht verfolgt gezielt eine Politik, die für gesetzlose Staaten typisch ist: Sie setzt die eigenen Bevölkerung schwer wiegenden Gefahren aus und unterhöhlt die Demokratie."
Um das Scheitern der USA zu verdeutlichen, geht Chomsky bis Anfang des 19. Jahrhunderts zurück als die USA Florida annektierten. Schwerpunkt seiner Analyse ist aber die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bekannt ist: Die USA haben im Kalten Krieg immer wieder auch Diktatoren unterstützt - solange sie nur auf der richtigen Seite standen.
Chomsky prangert genau diese Art von Doppelmoral an: Dass die USA sich auf die Fahne schreiben, sich für Demokratie in der Welt einzusetzen, dies aber nur vordergründig tun. Dass die USA sogar helfen, demokratische Regierungen zu stürzen, wenn es ins strategische oder wirtschaftliche Kalkül passt - so geschehen etwa in Chile, in den 50er Jahren im Iran oder in Guatemala.
Er kritisiert ganz aktuell die Militarisierung des Weltraums, eine Gefahr für uns alle, und dass die USA im Irak Menschenrechte verletzte. Die Liste an Vorwürfen ist lang. Sie soll zeigen, dass die USA alles andere als ein Garant für Freiheit, Demokratie und globale Stabilität sind.
Chomsky hat bereits vor vier Jahren einen Band mit Aufsätzen über die Hintergründe und Folgen des 11. Septembers veröffentlicht. In 'Terror und Staat" ist der Kampf gegen den Terror jedoch nur ein Beispiel amerikanischer Außenpolitik. In diesem Kampf sei es den USA in Wirklichkeit um die Kontrolle der Ressourcen in der Golfregion - um Macht und Profit - gegangen, so Chomsky.
Der Titel seines neues Buchs "Der gescheiterte Staat" verspricht eine innenpolitische Analyse der Zustände in den USA - denn zu Chomskys Definition gehört auch, dass der Staat innenpolitisch nicht mehr für die Sicherheit seiner Bürger sorgen kann. In der Tat nimmt diese Analyse aber nur rund 60 Seiten ein.
Ein Beispiel, welche die These Chomskys stützt und auch in Kommentaren in Zeitungen hierzulande oft auftaucht, ist das mangelhafte Krisenmanagement nach dem Hurrikan Katharina. Dadurch hätten, laut Chomsky, viele Amerikaner Vertrauen in die Regierung verloren. Das schlechte Krisenmanagement hätte vor allem die Armen getroffen.
Ganz interessant ist in diesem Abschnitt auch sein Hinweis, dass es eine Kluft zwischen Regierung und Regierten gibt: Dass die amerikanische Öffentlichkeit immer weniger mit der Politik der Regierung zufrieden ist. Da zitiert er Umfragen und Studien, die - so schreibt er - von der Presse weitgehend unerwähnt blieben.
Umfragen zeigen zum Beispiel, dass sich die Amerikaner eine defensivere Außenpolitik wünschen würden, die mit internationalen Regeln konform geht, wie etwa die Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls.
Konservative in den USA oder Bush-Anhänger werden an Chomskys Buch wenig Gefallen finden. Dennoch ist seine Kritik an der amerikanischen Weltpolitik nicht aus der Luft gegriffen: Es stimmt, dass die USA international für sich eine Sonderrolle definieren. Und dass sie an Umstürzen von demokratisch gewählten Regierungen, wie etwa in Chile und im Iran beteiligt waren, stimmt auch.
Das Buch ist mit viel Verve geschrieben. Es wiederholt sich aber auch an einigen Stellen. Zudem verfällt Chomsky an einigen in Schwarz-Weiß-Malerei: wenn er etwa Israel und den USA die Alleinschuld am Scheitern des Friedensprozesses gibt.
Aber Chomsky geht es auch nicht um Ausgewogenheit. Im Gegenteil: Er will den medialen Mainstream aufbrechen. Er will provozieren. Er will Öffentlichkeit schaffen für Dinge, die in den Medien sonst nur am Rand oder - so seine Klage - unvollständig dargestellt werden.
Mit seiner Kritik an der amerikanischen Außenpolitik wird Chomsky sicher bei Vielen - insbesondere in Europa - offene Türen einrennen. Chomsky gilt nicht umsonst für so etwas wie eine Ikone der Globalisierungskritiker. Und letztlich zeichnet er zwar ein bedrohliches Szenario, gibt aber die Welt nicht verloren. Sein Buch endet mit dem Appell: Setzt euch für euer Land ein. Engagiert euch für Demokratie.
Noam Chomsky: Der gescheiterte Staat
Übersetzt von Gabriele Gockel, Bernhard Jendricke, und Thomas Wollermann
Kunstmann Verlag, August 2006
gebundene Ausgabe, 399 Seiten, 24.90 Euro
Aber Chomsky meint nicht Somalia, sondern die USA. Auf 400 Seiten begründet er das dann, vor allem mit der Verwerflichkeit amerikanischer Weltpolitik, was er auch schon in anderen Büchern vorher gemacht hat. Das Buch ist gewissermaßen das neuste Update früherer Werke, in denen er die USA auch schon mal zum "Schurkenstaat" erklärt hat.
In seinem neuen Buch wirft Chomsky der amerikanischen Regierung vor, dass sie genau das Gegenteil von dem erreiche, was sie nach Außen hin verkünde:
"Die weltweit dominierende Macht verfolgt gezielt eine Politik, die für gesetzlose Staaten typisch ist: Sie setzt die eigenen Bevölkerung schwer wiegenden Gefahren aus und unterhöhlt die Demokratie."
Um das Scheitern der USA zu verdeutlichen, geht Chomsky bis Anfang des 19. Jahrhunderts zurück als die USA Florida annektierten. Schwerpunkt seiner Analyse ist aber die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bekannt ist: Die USA haben im Kalten Krieg immer wieder auch Diktatoren unterstützt - solange sie nur auf der richtigen Seite standen.
Chomsky prangert genau diese Art von Doppelmoral an: Dass die USA sich auf die Fahne schreiben, sich für Demokratie in der Welt einzusetzen, dies aber nur vordergründig tun. Dass die USA sogar helfen, demokratische Regierungen zu stürzen, wenn es ins strategische oder wirtschaftliche Kalkül passt - so geschehen etwa in Chile, in den 50er Jahren im Iran oder in Guatemala.
Er kritisiert ganz aktuell die Militarisierung des Weltraums, eine Gefahr für uns alle, und dass die USA im Irak Menschenrechte verletzte. Die Liste an Vorwürfen ist lang. Sie soll zeigen, dass die USA alles andere als ein Garant für Freiheit, Demokratie und globale Stabilität sind.
Chomsky hat bereits vor vier Jahren einen Band mit Aufsätzen über die Hintergründe und Folgen des 11. Septembers veröffentlicht. In 'Terror und Staat" ist der Kampf gegen den Terror jedoch nur ein Beispiel amerikanischer Außenpolitik. In diesem Kampf sei es den USA in Wirklichkeit um die Kontrolle der Ressourcen in der Golfregion - um Macht und Profit - gegangen, so Chomsky.
Der Titel seines neues Buchs "Der gescheiterte Staat" verspricht eine innenpolitische Analyse der Zustände in den USA - denn zu Chomskys Definition gehört auch, dass der Staat innenpolitisch nicht mehr für die Sicherheit seiner Bürger sorgen kann. In der Tat nimmt diese Analyse aber nur rund 60 Seiten ein.
Ein Beispiel, welche die These Chomskys stützt und auch in Kommentaren in Zeitungen hierzulande oft auftaucht, ist das mangelhafte Krisenmanagement nach dem Hurrikan Katharina. Dadurch hätten, laut Chomsky, viele Amerikaner Vertrauen in die Regierung verloren. Das schlechte Krisenmanagement hätte vor allem die Armen getroffen.
Ganz interessant ist in diesem Abschnitt auch sein Hinweis, dass es eine Kluft zwischen Regierung und Regierten gibt: Dass die amerikanische Öffentlichkeit immer weniger mit der Politik der Regierung zufrieden ist. Da zitiert er Umfragen und Studien, die - so schreibt er - von der Presse weitgehend unerwähnt blieben.
Umfragen zeigen zum Beispiel, dass sich die Amerikaner eine defensivere Außenpolitik wünschen würden, die mit internationalen Regeln konform geht, wie etwa die Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls.
Konservative in den USA oder Bush-Anhänger werden an Chomskys Buch wenig Gefallen finden. Dennoch ist seine Kritik an der amerikanischen Weltpolitik nicht aus der Luft gegriffen: Es stimmt, dass die USA international für sich eine Sonderrolle definieren. Und dass sie an Umstürzen von demokratisch gewählten Regierungen, wie etwa in Chile und im Iran beteiligt waren, stimmt auch.
Das Buch ist mit viel Verve geschrieben. Es wiederholt sich aber auch an einigen Stellen. Zudem verfällt Chomsky an einigen in Schwarz-Weiß-Malerei: wenn er etwa Israel und den USA die Alleinschuld am Scheitern des Friedensprozesses gibt.
Aber Chomsky geht es auch nicht um Ausgewogenheit. Im Gegenteil: Er will den medialen Mainstream aufbrechen. Er will provozieren. Er will Öffentlichkeit schaffen für Dinge, die in den Medien sonst nur am Rand oder - so seine Klage - unvollständig dargestellt werden.
Mit seiner Kritik an der amerikanischen Außenpolitik wird Chomsky sicher bei Vielen - insbesondere in Europa - offene Türen einrennen. Chomsky gilt nicht umsonst für so etwas wie eine Ikone der Globalisierungskritiker. Und letztlich zeichnet er zwar ein bedrohliches Szenario, gibt aber die Welt nicht verloren. Sein Buch endet mit dem Appell: Setzt euch für euer Land ein. Engagiert euch für Demokratie.
Noam Chomsky: Der gescheiterte Staat
Übersetzt von Gabriele Gockel, Bernhard Jendricke, und Thomas Wollermann
Kunstmann Verlag, August 2006
gebundene Ausgabe, 399 Seiten, 24.90 Euro