"Kann das Gewissen des Westens damit leben?"
Der Autor Fawwaz Haddad gibt den USA und den Europäern eine Mitschuld am Bürgerkrieg in Syrien: Es scheine fast, als wolle der Westen den Kriegszustand aufrechterhalten. Das Töten müsse aufhören, die internationale Gemeinschaft könne einen Waffenstillstand durchsetzen.
Liane von Billerbeck: Er ist einer der berühmtesten Schriftsteller der arabischen Welt: der Syrer Fawwaz Haddad. 1947 in Damaskus geboren, hat er erst Rechtswissenschaft studiert, als Apotheker und Kaufmann gearbeitet, bevor er sich entschloss, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Zwei seiner bisher neun Romane wurden für den arabischen Booker-Prize nominiert. Jetzt ist sein Buch "Gottes blutiger Himmel" auf Deutsch erschienen, in der Übertragung von Günther Orth, der auch unser heutiges Gespräch mit Fawwaz Haddad übersetzt. Herzlich willkommen.
Fawwaz Haddad: Herzlichen Dank für diese Vorstellung.
von Billerbeck: Man kann mit einem Schriftsteller aus Syrien kaum "nur" über Literatur sprechen. Man muss sich der Lage in Syrien annehmen. Sie haben ihr Land verlassen müssen. Wie erleben Sie den Krieg in Ihrem Heimatland aus der Ferne?
Haddad: Mir kommt es gar nicht so vor, als hätte ich Syrien verlassen. Die schmerzvollen täglichen Ereignisse erlebe ich hier Tag für Tag, man kann sagen, in jedem Moment. Wenn man aufwacht, wenn man einschläft, hört man und liest man Nachrichten, und es scheint einem so, dass man sein Land gar nicht verlassen hätte. Ich würde, sobald sich die Möglichkeit ergibt, auch wieder nach Syrien zurückkehren.
von Billerbeck: Ihnen ist das Land ganz nahe. Im Westen hat man manchmal das Gefühl, dass von Meldungen, die immer wieder kommen, wenn es um besondere Ereignisse geht, wenn besonders viele Syrer ins Ausland fliehen oder, wenn wie in Aleppo, Weltkulturerbe zerstört wird oder wenn ein deutscher Fernsehreporter verletzt wird, dann scheint es so, als sei dieser Krieg der Gewöhnung und dem Vergessen anheimgefallen. Warum ist das so?
Haddad: Es ist bedauerlich, dass der Westen das nicht sieht und dass der Westen das eigentlich Wichtige an diesem Krieg nicht sieht, dass der Westen nicht sieht, wie viele zivile Opfer in Syrien zu beklagen sind. Dass dies in den Nachrichten präsent wird, dass täglich mehr als 200 Menschen getötet werden, und das ist nicht übertrieben. Das alles scheint im Westen nicht sichtbar zu sein oder nur als Zahlen. Es werden in Syrien ganze Familien ausgelöscht, es werden ganze Gebäude, ja, ganze Städte zerstört, und im Westen sieht man das nicht, weil man es nicht sehen will. Und das ist das eigentlich Beängstigende.
von Billerbeck: Immer wieder wird im Westen, besonders ja in den USA, davon gesprochen, dass man zwar zur Unterstützung der Opposition Güter liefere, aber eben keine Waffen. Wie empfinden Sie das?
Haddad: Tatsächlich sagt auch die Opposition nicht, dass eine militärische Intervention gewünscht sei. Es gab einzelne Stimmen am Anfang, die das verlangt haben. Tatsächlich möchte die Opposition eine humanitäre Intervention. Das Töten muss aufhören. Die internationale Gemeinschaft könnte einen solchen Waffenstillstand durchsetzen. Wozu möchte man Nahrungsmittel liefern, wenn das Töten weitergeht? Kann das Gewissen des Westens damit leben?
von Billerbeck: In Ihrem Buch, das jetzt auf Deutsch erschienen ist, "Gottes blutiger Himmel", da schildern Sie ja, wie sich ein Vater aus Syrien in den Irak aufmacht, als er erfahren hat, dass sich sein Sohn dem Dschihad angeschlossen hat. Es ist ein Buch, das eine Reise durch die Hölle des Krieges beschreibt, und man könnte fast meinen, dass das, was darin im Irak spielt, sich derzeit so oder so ähnlich auch in Syrien abspielen könnte. Und Sie haben in einem Artikel geschrieben: "Was soll die Syrer noch abhalten, sich den Dschihadisten anzuschließen? Diejenigen aber, die die Angst vorm Terror genährt haben, tragen jetzt durch ihre Tatenlosigkeit dazu bei, dass er genährt wird." Heißt das, was die Mordmaschine des Assad-Regimes nicht geschafft hat, das schaffen wir im Westen jetzt, weil wir die syrische Opposition nicht unterstützen oder nicht ausreichend unterstützen?
Haddad: Das war meine Meinung, als die Dschihadisten zuerst ins Land kamen. Die Verantwortung dafür trägt das Regime mit seiner Unterdrückung des Aufstandes und der Westen gleichzeitig, indem er dem Regime Zeit gegeben hat, diese Repressionsmaschinerie weiterlaufen zu lassen. Am Anfang hatten wir keine Dschihadisten. Ein Jahr nach Beginn des Aufstandes waren es vielleicht zwischen 500 und 2.000 – heute sprechen wir über 6.000 bis 7.000 Personen, die der Al-Qaida in Syrien zugerechnet werden. Und das wird so weitergehen, denn es scheint, dass die Al-Qaida selbst auch ihre Verhaltensweise geändert hat. Heute helfen sie den Menschen in den Gebieten, in denen sie operieren. Sie bringen ihnen Nahrungsmittel, Wasser und Brennstoff, so dass die Menschen sich bei Al-Qaida scheinbar besser aufgehoben fühlen als beim Regime einerseits, beim Westen andererseits und bei der Freien Syrischen Armee.
von Billerbeck: Das heißt, wie könnte eine solche humanitäre Situation im heutigen Syrien mit dieser Situation, die Sie gerade geschildert haben, überhaupt aussehen?
Haddad: Wenn die humanitäre Intervention so aussieht wie jetzt, dann verlängert sie den Krieg nur. Was bringt denn eine humanitäre Hilfe, wenn das Töten weitergeht? Sie hält die Leute nur am Leben, damit sie weiter kämpfen können.
von Billerbeck: Es gibt ja immer das Argument, wir greifen deshalb nicht ein, weil wir dann die Dschihadisten füttern, weil die USA ja erlebt haben, dass sie angegriffen worden sind von Dschihadisten. Was halten Sie von diesem Argument?
Haddad: Es scheint, dass die Vereinigten Staaten und der Westen insgesamt den Kriegszustand in Syrien aufrechterhalten will. Dass die Zivilisten in Syrien den Preis dafür zahlen. Es fehlt eine klare Haltung des Westens und der USA. Die Syrer haben genug von Versprechen und von Drohungen von französischer, von amerikanischer Seite. Obama sagte vor langer Zeit einmal, die Tage Assads seien gezählt. Aber es scheint, dass sie auf ewig weitergehen.
von Billerbeck: Deutschlandradio Kultur, Fawwaz Haddad ist mein Gast, der inzwischen im Ausland lebende berühmte syrische Schriftsteller, dessen Buch "Gottes blutiger Himmel" jetzt auf Deutsch erschienen ist. Kriege haben eigentlich nie etwas Gutes, aber Sie haben in einem Artikel geschrieben, das Wertvollste, was die Revolution den syrischen Schriftstellern und Intellektuellen gegeben hat, ist das Gefühl, dass sie zum ersten Mal ein Teil jener Menschen wurden, über die sie immer geschrieben haben. Nichts unterscheidet sie heute mehr von ihnen. Warum ist das so, und warum war das vorher anders?
Haddad: Vor der Revolution haben die Menschen in Syrien immer nur schüchtern von Veränderungen und von Reformen gesprochen. Die Repression war einfach zu stark, um mehr zu verlangen. Seit die Revolution begonnen hat, haben sich die Schriftsteller entweder für oder gegen die Revolution positioniert. Und die auf Seiten des Aufstandes standen, haben darüber geschrieben und haben für die Revolution geschrieben und wurden entsprechend vom Regime bedroht. Mehrere Schriftsteller wurden in Deresour oder auch in Damaskus auf der Straße vom Regime hingerichtet, zum Teil vor den Augen ihrer Familie. Und das ist das Schicksal, das vielen Schriftstellern, die sich auf die Seite der Revolution gestellt haben, droht.
von Billerbeck: Sie haben geschrieben: "Der blutige Wahnsinn des Tötens verfolgt mich bis in den Schlaf." Fawwaz Haddad, wohin wird dieser Krieg in Syrien führen, dessen Abbild Sie scheinbar in einem Nachbarland, im Irak, in diesem Buch ja schon weitsichtig Jahre vorher geschildert haben?
Haddad: Was ich mit dem Töten, was mich bis in den Schlaf verfolgt, meinte, das war, dass mich das Töten als ein Albtraum verfolgt, dass ich isoliert in meiner Wohnung sitze und es mitverfolge. Dieses Töten in Syrien kann noch schlimmer werden, als es im Irak war, denn in Syrien gibt es noch mehr konfessionelle Gruppen, unterschiedliche konfessionelle Gruppen. Das Regime seinerseits versucht, den Minderheiten in Syrien Angst zu machen. Tatsächlich ist keine dieser religiösen oder ethnischen Gruppen in Syrien in Gefahr. Alle diese verschiedenen Konfessionsgruppen lebten in Syrien über 100 Jahre lang, seit dem Ende der osmanischen Zeit, in Frieden miteinander, und sie bildeten eine homogene Gesellschaft, ein homogenes Gebilde. Das Regime hat aber seinerseits einige dieser Konfessionsgruppen in Dienst genommen und dadurch zu einer konfessionellen Spaltung geführt.
von Billerbeck: Sie kommen aus Damaskus, Fawwaz Haddad, das ist Ihre Heimatstadt. Was befürchten Sie, wenn Sie zurückkommen? Wer wird die Oberhand haben?
Haddad: Es ist schwer, das vorauszusagen. Ich denke, es gibt hier insgesamt zwei Möglichkeiten. Entweder das Regime verschwindet und die Menschen bauen ihre Stadt wieder auf, oder das Regime behält Damaskus als Geisel in der Hand und es wird zu Kämpfen kommen, die von Straße zu Straße, Haus zu Haus, von Wohnung zu Wohnung gehen. Und das wird die Zerstörung der Stadt Damaskus bedeuten.
von Billerbeck: Das sagt Fawwaz Haddad, der syrische Schriftsteller, dessen Buch "Gottes blutiger Himmel" jetzt auf Deutsch erschienen ist. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, das Günther Orth übersetzt hat, von dem auch die Übertragung des Romans stammt.
Haddad: Ich bedanke mich herzlich für Ihr Interesse.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Fawwaz Haddad: Herzlichen Dank für diese Vorstellung.
von Billerbeck: Man kann mit einem Schriftsteller aus Syrien kaum "nur" über Literatur sprechen. Man muss sich der Lage in Syrien annehmen. Sie haben ihr Land verlassen müssen. Wie erleben Sie den Krieg in Ihrem Heimatland aus der Ferne?
Haddad: Mir kommt es gar nicht so vor, als hätte ich Syrien verlassen. Die schmerzvollen täglichen Ereignisse erlebe ich hier Tag für Tag, man kann sagen, in jedem Moment. Wenn man aufwacht, wenn man einschläft, hört man und liest man Nachrichten, und es scheint einem so, dass man sein Land gar nicht verlassen hätte. Ich würde, sobald sich die Möglichkeit ergibt, auch wieder nach Syrien zurückkehren.
von Billerbeck: Ihnen ist das Land ganz nahe. Im Westen hat man manchmal das Gefühl, dass von Meldungen, die immer wieder kommen, wenn es um besondere Ereignisse geht, wenn besonders viele Syrer ins Ausland fliehen oder, wenn wie in Aleppo, Weltkulturerbe zerstört wird oder wenn ein deutscher Fernsehreporter verletzt wird, dann scheint es so, als sei dieser Krieg der Gewöhnung und dem Vergessen anheimgefallen. Warum ist das so?
Haddad: Es ist bedauerlich, dass der Westen das nicht sieht und dass der Westen das eigentlich Wichtige an diesem Krieg nicht sieht, dass der Westen nicht sieht, wie viele zivile Opfer in Syrien zu beklagen sind. Dass dies in den Nachrichten präsent wird, dass täglich mehr als 200 Menschen getötet werden, und das ist nicht übertrieben. Das alles scheint im Westen nicht sichtbar zu sein oder nur als Zahlen. Es werden in Syrien ganze Familien ausgelöscht, es werden ganze Gebäude, ja, ganze Städte zerstört, und im Westen sieht man das nicht, weil man es nicht sehen will. Und das ist das eigentlich Beängstigende.
von Billerbeck: Immer wieder wird im Westen, besonders ja in den USA, davon gesprochen, dass man zwar zur Unterstützung der Opposition Güter liefere, aber eben keine Waffen. Wie empfinden Sie das?
Haddad: Tatsächlich sagt auch die Opposition nicht, dass eine militärische Intervention gewünscht sei. Es gab einzelne Stimmen am Anfang, die das verlangt haben. Tatsächlich möchte die Opposition eine humanitäre Intervention. Das Töten muss aufhören. Die internationale Gemeinschaft könnte einen solchen Waffenstillstand durchsetzen. Wozu möchte man Nahrungsmittel liefern, wenn das Töten weitergeht? Kann das Gewissen des Westens damit leben?
von Billerbeck: In Ihrem Buch, das jetzt auf Deutsch erschienen ist, "Gottes blutiger Himmel", da schildern Sie ja, wie sich ein Vater aus Syrien in den Irak aufmacht, als er erfahren hat, dass sich sein Sohn dem Dschihad angeschlossen hat. Es ist ein Buch, das eine Reise durch die Hölle des Krieges beschreibt, und man könnte fast meinen, dass das, was darin im Irak spielt, sich derzeit so oder so ähnlich auch in Syrien abspielen könnte. Und Sie haben in einem Artikel geschrieben: "Was soll die Syrer noch abhalten, sich den Dschihadisten anzuschließen? Diejenigen aber, die die Angst vorm Terror genährt haben, tragen jetzt durch ihre Tatenlosigkeit dazu bei, dass er genährt wird." Heißt das, was die Mordmaschine des Assad-Regimes nicht geschafft hat, das schaffen wir im Westen jetzt, weil wir die syrische Opposition nicht unterstützen oder nicht ausreichend unterstützen?
Haddad: Das war meine Meinung, als die Dschihadisten zuerst ins Land kamen. Die Verantwortung dafür trägt das Regime mit seiner Unterdrückung des Aufstandes und der Westen gleichzeitig, indem er dem Regime Zeit gegeben hat, diese Repressionsmaschinerie weiterlaufen zu lassen. Am Anfang hatten wir keine Dschihadisten. Ein Jahr nach Beginn des Aufstandes waren es vielleicht zwischen 500 und 2.000 – heute sprechen wir über 6.000 bis 7.000 Personen, die der Al-Qaida in Syrien zugerechnet werden. Und das wird so weitergehen, denn es scheint, dass die Al-Qaida selbst auch ihre Verhaltensweise geändert hat. Heute helfen sie den Menschen in den Gebieten, in denen sie operieren. Sie bringen ihnen Nahrungsmittel, Wasser und Brennstoff, so dass die Menschen sich bei Al-Qaida scheinbar besser aufgehoben fühlen als beim Regime einerseits, beim Westen andererseits und bei der Freien Syrischen Armee.
von Billerbeck: Das heißt, wie könnte eine solche humanitäre Situation im heutigen Syrien mit dieser Situation, die Sie gerade geschildert haben, überhaupt aussehen?
Haddad: Wenn die humanitäre Intervention so aussieht wie jetzt, dann verlängert sie den Krieg nur. Was bringt denn eine humanitäre Hilfe, wenn das Töten weitergeht? Sie hält die Leute nur am Leben, damit sie weiter kämpfen können.
von Billerbeck: Es gibt ja immer das Argument, wir greifen deshalb nicht ein, weil wir dann die Dschihadisten füttern, weil die USA ja erlebt haben, dass sie angegriffen worden sind von Dschihadisten. Was halten Sie von diesem Argument?
Haddad: Es scheint, dass die Vereinigten Staaten und der Westen insgesamt den Kriegszustand in Syrien aufrechterhalten will. Dass die Zivilisten in Syrien den Preis dafür zahlen. Es fehlt eine klare Haltung des Westens und der USA. Die Syrer haben genug von Versprechen und von Drohungen von französischer, von amerikanischer Seite. Obama sagte vor langer Zeit einmal, die Tage Assads seien gezählt. Aber es scheint, dass sie auf ewig weitergehen.
von Billerbeck: Deutschlandradio Kultur, Fawwaz Haddad ist mein Gast, der inzwischen im Ausland lebende berühmte syrische Schriftsteller, dessen Buch "Gottes blutiger Himmel" jetzt auf Deutsch erschienen ist. Kriege haben eigentlich nie etwas Gutes, aber Sie haben in einem Artikel geschrieben, das Wertvollste, was die Revolution den syrischen Schriftstellern und Intellektuellen gegeben hat, ist das Gefühl, dass sie zum ersten Mal ein Teil jener Menschen wurden, über die sie immer geschrieben haben. Nichts unterscheidet sie heute mehr von ihnen. Warum ist das so, und warum war das vorher anders?
Haddad: Vor der Revolution haben die Menschen in Syrien immer nur schüchtern von Veränderungen und von Reformen gesprochen. Die Repression war einfach zu stark, um mehr zu verlangen. Seit die Revolution begonnen hat, haben sich die Schriftsteller entweder für oder gegen die Revolution positioniert. Und die auf Seiten des Aufstandes standen, haben darüber geschrieben und haben für die Revolution geschrieben und wurden entsprechend vom Regime bedroht. Mehrere Schriftsteller wurden in Deresour oder auch in Damaskus auf der Straße vom Regime hingerichtet, zum Teil vor den Augen ihrer Familie. Und das ist das Schicksal, das vielen Schriftstellern, die sich auf die Seite der Revolution gestellt haben, droht.
von Billerbeck: Sie haben geschrieben: "Der blutige Wahnsinn des Tötens verfolgt mich bis in den Schlaf." Fawwaz Haddad, wohin wird dieser Krieg in Syrien führen, dessen Abbild Sie scheinbar in einem Nachbarland, im Irak, in diesem Buch ja schon weitsichtig Jahre vorher geschildert haben?
Haddad: Was ich mit dem Töten, was mich bis in den Schlaf verfolgt, meinte, das war, dass mich das Töten als ein Albtraum verfolgt, dass ich isoliert in meiner Wohnung sitze und es mitverfolge. Dieses Töten in Syrien kann noch schlimmer werden, als es im Irak war, denn in Syrien gibt es noch mehr konfessionelle Gruppen, unterschiedliche konfessionelle Gruppen. Das Regime seinerseits versucht, den Minderheiten in Syrien Angst zu machen. Tatsächlich ist keine dieser religiösen oder ethnischen Gruppen in Syrien in Gefahr. Alle diese verschiedenen Konfessionsgruppen lebten in Syrien über 100 Jahre lang, seit dem Ende der osmanischen Zeit, in Frieden miteinander, und sie bildeten eine homogene Gesellschaft, ein homogenes Gebilde. Das Regime hat aber seinerseits einige dieser Konfessionsgruppen in Dienst genommen und dadurch zu einer konfessionellen Spaltung geführt.
von Billerbeck: Sie kommen aus Damaskus, Fawwaz Haddad, das ist Ihre Heimatstadt. Was befürchten Sie, wenn Sie zurückkommen? Wer wird die Oberhand haben?
Haddad: Es ist schwer, das vorauszusagen. Ich denke, es gibt hier insgesamt zwei Möglichkeiten. Entweder das Regime verschwindet und die Menschen bauen ihre Stadt wieder auf, oder das Regime behält Damaskus als Geisel in der Hand und es wird zu Kämpfen kommen, die von Straße zu Straße, Haus zu Haus, von Wohnung zu Wohnung gehen. Und das wird die Zerstörung der Stadt Damaskus bedeuten.
von Billerbeck: Das sagt Fawwaz Haddad, der syrische Schriftsteller, dessen Buch "Gottes blutiger Himmel" jetzt auf Deutsch erschienen ist. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, das Günther Orth übersetzt hat, von dem auch die Übertragung des Romans stammt.
Haddad: Ich bedanke mich herzlich für Ihr Interesse.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.