Kann man über Hitler lachen?

Von Armin Thurnher |
Kann man über Hitler lachen? Nimmt man die in den letzten Jahren anschwellende Zahl von Comics, satirischen Shows, Bühnenstücken und Filmen, müsste man, wäre man ein Marsbewohner, Hitler für eine der komischsten Figuren der Welt halten, von Mohammed vielleicht einmal abgesehen. Hitler muss lustig sein: Es wird über ihn gelacht, also muss man über ihn lachen können.
Hitler ist aber nicht nur eine bühnenhaft stilisierte Figur österreichischer Provenienz, die ohnehin unfreiwillig komische Züge trägt. Er ist vor allem ein historisches Monster, das monströse Untaten begangen hat. Verbieten nicht diese Untaten jede komische Darstellung? Nein. Jedes geschichtliche Monster lässt sich komisch darstellen.

Womit natürlich die nächste Frage auftaucht: Nehmen wir ihm damit das Monströse, akzeptieren wir es am Ende, indem wir versuchen, uns durch unser Lachen davon zu befreien, indem wir befreit lachen? Lachen wir uns das Monster sozusagen niedlich?

Das kann sein. Jedenfalls ermöglicht der geschichtliche Abstand zwischen uns und dem Monster erst unser Lachen. Wäre nicht die historische Distanz, würden wir in Schreckensstarre verharren. Vielleicht ist das anschwellende Gelächter über Hitler ein Versuch, das Monströse der Figur auf diese Weise in einem Augenblick präsent zu halten, da es uns in der geschichtlichen Distanz zu verschwinden beginnt. Bei Nero etwa läuft kaum noch jemandem ein Schauder über den Rücken, über die erschreckendsten mythologischen Szenen gehen wir mit einem Lächeln hinweg, antike Katastrophen sind längst vor den Plagen unserer Gegenwart verblasst.

Im Lachen über Hitler steckt wohl auch der Versuch, ihn im Nachhinein zu bannen. In der politischen Auseinandersetzung ist ja nichts tödlicher, als einen Gegner der Lächerlichkeit preiszugeben. Vorausgesetzt, das Publikum teilt die Vorstellung dessen, was lächerlich ist. Das italienische Publikum zum Beispiel scheint es derzeit keineswegs lächerlich zu finden, wenn ein über 70-Jähriger mit einer 18-Jährigen eine ungeklärte Beziehung unterhält; Silvio Berlusconi mag ruhig offen lassen, ob es sich um seine illegitime Tochter oder um seine Geliebte handelt. Seine Andeutungen machen ihn im Land der Commedia dell’ arte nur in den Augen einer Minderheit zum Pantalone, zum lächerlichen Alten. In den Augen seiner Anhänger verleihen sie ihm einen zusätzlichen erotischen Nimbus.

Ein Schauspieler hingegen, der mit Verve den Akzent Hitlers nachmacht, und sei es noch so schlecht, kann im deutschsprachigen Raum damit jederzeit Gelächter hervorrufen. Das könnte auch bedeuten: Über die Monstrosität Hitlers bestehen bei unserem Publikum keine Zweifel.

Gibt es Dinge, über die man nicht lachen darf oder kann? Ja, die gibt es. Es sind die sogenannten Ernstfälle, die "erhabenen Fälle des absoluten Ernstes", wie der Germanist Jochen Hörisch sie nennt. Das Erhabene sei das nicht Repräsentierbare, das Überwältigende im Augenblick der Katastrophe. In dem Moment, wo es repräsentierbar, also darstellbar wird, kann es auch komisch werden. Das Komische, sagt in diesem Sinn der Pianist Alfred Brendel, ein Fachmann des absurden Humors, sei nichts anderes als das umgekehrt Erhabene.

Der Versuch, über Hitler zu lachen, wäre also nichts anderes als der Versuch, das Schreckliche umzuwenden. Ich weiß nicht, ob man das kann, aber ich denke, der Versuch sollte erlaubt sein.

Armin Thurnher, Journalist und Publizist, geboren 1949, Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung "Falter". Bücher unter anderen: "Das Trauma, ein Leben. Österreichische Einzelheiten" und "Heimniederlage. Nachrichten aus dem neuen Österreich" sowie: "Die Wege entstehen im Gehen. Alfred Gusenbauer im Gespräch mit Katharina Krawagna und Armin Thurnher". Im Herbst erscheint sein Roman "Der Übergänger" bei Zsolnay.
Armin Thurnher
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