Das "Neue Deutschland" hat eine 79-Jährige auf dem Titelblatt, Ukraine, wird an der Waffe ausgebildet. Was sagt mir dieses Bild? Das letzte Aufgebot? Auch eine 79-Jährige zieht in den Krieg? Der Widerstandswille? Wie viele 79-Jährige gibt es bitte in der Ukraine, die jetzt auf dem Boden liegen und an der Waffe ausgebildet werden?
Bundeskanzler Scholz in der Ukraine
Hände machen Politik: Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj demonstrieren beim Empfang in Kiew Tatkraft und Verbundenheit. © picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
Forderung nach einem krisensensitiven Journalismus
08:21 Minuten
Krisendiplomatie in Kiew und Moskau: Bundeskanzler Scholz sucht das Gespräch im Ukraine-Konflikt. Ein Krieg droht: Was bedeutet das für die Arbeit der Medien? Die Journalistin Friederike Sittler plädiert für Selbstreflexion und Zurückhaltung.
Bundeskanzler Olaf Scholz ist zu einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Kiew gereist. Anschließend will er ein Gespräch mit Russlands Präsident Putin in Moskau führen. In der derzeit höchst angespannten Lage sei es wichtig, dass Medien sich mit vorschnellen Urteilen zurückhielten, sagt Friederike Sittler, Leiterin der Abteilung Hintergrund Kultur und Politik bei Deutschlandfunk Kultur. Jetzt komme es auf "krisensensitiven Journalismus" an.
Verzicht auf Spekulationen
Medienschaffende würden ihrer Rolle gegenwärtig nicht gerecht, wenn sie besonders meinungsstark aufträten und sich wie "Hilfspolitikerinnen" aufführten, sagt Sittler. "Wir sollten gerade jetzt vor allem beobachten, Quellen klären und darstellen." Es gehe darum, Informationen von allen Seiten zu beleuchten und auf Spekulationen zu verzichten.
Entscheidend sind für die Journalistin auch die Bilder, die von den Medien genutzt werden, um den Ukraine-Konflikt darzustellen. Deren Wirkung müsse immer wieder hinterfragt werden, betont Sittler, die auch Vorsitzende des Journalistinnenbundes ist.
Journalistische Selbstkritik
Ein Beispiel aus einer Boulevard-Zeitung: Dort würden Männer wie Putin und Biden mit Fäusten und erhobenem Zeigefinger dargestellt. Demgegenüber sehe man dann Aufnahmen von ukrainischen Frauen, die an der Waffe ausgebildet würden und dabei auf dem Boden lägen.
Sittler plädiert dafür, Bildstrategien im Journalismus gerade jetzt besonders selbstkritisch in den Blick zu nehmen: "Was machen diese Bilder mit uns? Wie stellen wir Männer und Frauen in diesem Konflikt dar? Das alles müssen wir sehr genau beobachten und auch immer wieder Rechenschaft darüber ablegen."