Kapellmeister mit Bodenhaftung
Eine Erfolgsgeschichte: 2002 engagierte das angeschlagene Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin den gestrengen Kapellmeister Marek Janowski als Chefdirigenten und meldete sich auf der umkämpften Hauptstadtbühne fulminant zurück. Wer sich hinter dem musikalisch effizienten, persönlich jedoch unnahbaren Orchester-Erzieher Janowski verbirgt, dieser Frage geht Wolfgang Seifert in einem umfangreichen biografischen Porträt nach.
Im Mittelpunkt steht nicht nur Janowskis Fähigkeit zur Veredelung unterbewerteter Klangkörper, sondern auch die dramatische Geschichte einer polnisch-deutschen Familie, die durch den Zweiten Weltkrieg für immer auseinandergerissen wurde.
Tatsächlich blieb Marek Janowski, 1939 in Warschau als Sohn einer Deutschen und eines Polen geboren, bis 1968 staatenlos. Seinen Vater hat er nie gesehen. Aber heimatlos war er nicht, denn er wuchs in der Heimat seiner Mutter – Wuppertal – auf, wurde als musikalisches Kind früh gefördert und legte eine steile Karriere als Kapellmeister an deutschen Stadttheatern hin. Die Versuchungen des Maestro-Ruhms, so führt Seifert in seinem Buch aus, haben Janowski nie von seiner Bodenständigkeit abgebracht – langfristige Engagements, die Aufbauarbeit mit Orchestern zieht er glamourösen Gastverpflichtungen eindeutig vor.
Janowski, das Arbeitstier: Das Buch präsentiert einen Dirigenten, der in den Proben mit Hingabe und markigen Sprüchen an der Umsetzung des Notentextes feilt und dem das Rampenlicht des Konzertbetriebs nur dann wichtig ist, wenn es die Facetten einer Komposition ausleuchtet.
Biografien über lebende Dirigenten gibt es zuhauf; interessant sind sie selten. Diese widmet sich immerhin einer sperrigen Persönlichkeit mit ehrlichen Ansichten ("Ich finde es schön, wenn ich anderen sagen kann, was sie tun sollen, und nicht andere mir") und grimmigen Statements ("Ich meine, dass die heute moderne Visualisierung der Oper schlicht in die Irre führt").
Gegenüber dem Helden seines Buches verhält sich Wolfgang Seifert affirmativ; er ist der richtige Mann für das fragwürdige Genre "Autorisierte Biografie". Kritik an Marek Janowski übt hier nur einer: Marek Janowski. Schonungslos rechnet er mit eigenen Fehlern ab, hält sich seine Ungeduld vor (die ihn des öfteren schon das Handtuch werfen ließ), mokiert sich aber auch über die Intriganz und den mangelnden Leistungswillen von manch ehemaligem Kollegen.
Nein, everybody's darling war Janowski noch nie – doch beschert ihm seine sachorientierte Beharrlichkeit zur Zeit eine großartige Alterskarriere mit Berlin als einem der zentralen Schauplätze. Und so geht Seifert von der kurzweiligen Erzählung früher Aufstiegsjahre über in die längliche Aufzählung jüngerer Erfolge samt kommentierter Presseschau. Sicherlich hätten es hier auch 150 Seiten weniger getan, zumal Seifert die Neigung hat, komplexe kultur- und rundfunkpolitische Konstellationen pauschal abzuhandeln. Trotzdem: Für Freunde des Kapellmeisterhandwerks und Fans des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin und ihres Chefs ist dieser Band Pflichtlektüre.
Besprochen von Olaf Wilhelmer
Wolfgang Seifert: Atmen mit dem Orchester. Der Dirigent Marek Janowski. Autorisierte Biografie. Schott-Verlag, Mainz 2010. 455 S., 34 Abb., 27,95 Euro.
Tatsächlich blieb Marek Janowski, 1939 in Warschau als Sohn einer Deutschen und eines Polen geboren, bis 1968 staatenlos. Seinen Vater hat er nie gesehen. Aber heimatlos war er nicht, denn er wuchs in der Heimat seiner Mutter – Wuppertal – auf, wurde als musikalisches Kind früh gefördert und legte eine steile Karriere als Kapellmeister an deutschen Stadttheatern hin. Die Versuchungen des Maestro-Ruhms, so führt Seifert in seinem Buch aus, haben Janowski nie von seiner Bodenständigkeit abgebracht – langfristige Engagements, die Aufbauarbeit mit Orchestern zieht er glamourösen Gastverpflichtungen eindeutig vor.
Janowski, das Arbeitstier: Das Buch präsentiert einen Dirigenten, der in den Proben mit Hingabe und markigen Sprüchen an der Umsetzung des Notentextes feilt und dem das Rampenlicht des Konzertbetriebs nur dann wichtig ist, wenn es die Facetten einer Komposition ausleuchtet.
Biografien über lebende Dirigenten gibt es zuhauf; interessant sind sie selten. Diese widmet sich immerhin einer sperrigen Persönlichkeit mit ehrlichen Ansichten ("Ich finde es schön, wenn ich anderen sagen kann, was sie tun sollen, und nicht andere mir") und grimmigen Statements ("Ich meine, dass die heute moderne Visualisierung der Oper schlicht in die Irre führt").
Gegenüber dem Helden seines Buches verhält sich Wolfgang Seifert affirmativ; er ist der richtige Mann für das fragwürdige Genre "Autorisierte Biografie". Kritik an Marek Janowski übt hier nur einer: Marek Janowski. Schonungslos rechnet er mit eigenen Fehlern ab, hält sich seine Ungeduld vor (die ihn des öfteren schon das Handtuch werfen ließ), mokiert sich aber auch über die Intriganz und den mangelnden Leistungswillen von manch ehemaligem Kollegen.
Nein, everybody's darling war Janowski noch nie – doch beschert ihm seine sachorientierte Beharrlichkeit zur Zeit eine großartige Alterskarriere mit Berlin als einem der zentralen Schauplätze. Und so geht Seifert von der kurzweiligen Erzählung früher Aufstiegsjahre über in die längliche Aufzählung jüngerer Erfolge samt kommentierter Presseschau. Sicherlich hätten es hier auch 150 Seiten weniger getan, zumal Seifert die Neigung hat, komplexe kultur- und rundfunkpolitische Konstellationen pauschal abzuhandeln. Trotzdem: Für Freunde des Kapellmeisterhandwerks und Fans des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin und ihres Chefs ist dieser Band Pflichtlektüre.
Besprochen von Olaf Wilhelmer
Wolfgang Seifert: Atmen mit dem Orchester. Der Dirigent Marek Janowski. Autorisierte Biografie. Schott-Verlag, Mainz 2010. 455 S., 34 Abb., 27,95 Euro.