Kappe und Kippe

Von Elske Brault |
Das einzig wirklich Überraschende an diesen Bildern ist, wie oft und wie hartnäckig Helmut Schmidt seine Prinz-Heinrich-Mütze getragen hat. Sogar beim Staatsbesuch in China, beim Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Gerald Ford oder beim Staatsbesuch von Valery Giscard d'Estaing. Da macht die dunkle Schirmmütze sogar Sinn, denn der barhäuptige Giscard d'Estaing ist ungeschützt dem Regen ausgesetzt.
Für Robert Fleck, Direktor der Deichtorhallen, sind diese Bilder Zeugnisse eines vergangenen Medienzeitalters. Denn nur fünf Fotografen waren akkreditiert beim Bundeskanzleramt, kamen überhaupt in die Nähe von Helmut Schmidt, und der scherte sich wenig darum, wie er wirkte.

"Aufzutreten mit der Prinz-Heinrich-Mütze in jeder Situation hat ja etwas von einer großen Selbstverständlichkeit. Auch das Rauchen, mit Zigarette aufzutreten in jeglicher Situation, und keinem Druck nachzugeben, dass das vielleicht nicht so öffentlichkeitsfähig sei."

Natürlich zündet sich auch der 86-jährige Helmut Schmidt erst einmal eine an, kaum dass er die Deichtorhallen betreten hat. Und bleibt vor einem Bild stehen, auf dem Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein eine Axt über dem Kopf des Kanzlers schwingt.

"Das ist das Bild, wo der Rudi Augstein versucht, mir den Schädel zu spalten. – Wie das wohl die Geschichte verändert hätte! " (Lachen)

In Wahrheit animierte Schmidt die SPIEGEL-Journalisten nach einem Interview in seinem Ferienhaus am Brahmsee, ihm beim Abholzen der Böschung zu helfen. Schmidt selbst trägt die Säge. So sind diese Bilder einerseits recht privat und andererseits doch offiziell: Kein weinender Kanzler, keine Gesichtsentgleisungen. Schon mit 16 blickt Helmut Schmidt ernsthaft-entschlossen drein: Von einem so geradlinigen Menschen sind keine Skandale zu erhoffen.

Die Fotos von Helmut Schmidt als Baby oder als Siebenjähriger am Strand sind übrigens in der Ausstellung zu sehen, weil sie in die Pressearchive gelangten, als er Kanzler geworden war. Da wurde das Familienalbum zum Gegenstand öffentlichen Interesses.

Doch kein Foto fügt unserem Bild von Helmut Schmidt eine neue Facette hinzu. Spannend ist eher, was man nicht sieht. So zum Beispiel, was für Bücher über Leonid Breschnews Kopf stehen bei dessen Besuch in Schmidts Langenhorner Privathaus.

"Der hat sich da selber hingesetzt. Wir anderen standen noch da und redeten, er setzte sich hin, ist ein alter Mann und musste sitzen. Und er hat sich genau unter die gesammelten Werke von Karl Marx gesetzt und Engels. "

Wer solche Schnurren liebt, ist mit dem Ausstellungskatalog besser bedient als mit der Ausstellung selbst, denn recht klein sind dort die meisten Fotos an die Wand gepinnt. Dafür aber auch die SPIEGEL-Artikel zu einigen wenigen Bildern, und die zeigen, wie negativ die Presse Helmut Schmidt als Kanzler zeichnete. Damals blickte man weit weniger liebevoll auf ihn, als wir es heute tun.

Und Fotos, die wir heute ungewöhnlich finden, wurden zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht veröffentlicht. So, als Schmidt noch nicht Kanzler, sondern Fraktionsvorsitzender war. Sein Abgang von der Rednertribüne mit einem sportlichen Flankensprung. Bei einem Bundeskongress der Jungsozialisten.

Robert Fleck: "Der sieht sehr spektakulär aus. Wenn man den anderen Teil des Fotos betrachtet, sieht man, dass bei dieser Parteitagung die anderen alle von Schmidt überhaupt keine Notiz nehmen. Schmidt war damals verschrieen als ein Rechter innerhalb der SPD. Das war im Frühjahr 1968, als alles sehr bewegt war. Und da ist das eine Geste von jemandem, der ohnedies nicht wahrgenommen wird."

Das hat sich nun wahrlich geändert. Selbst harmlose Fotos finden heute unsere volle Aufmerksamkeit.

Service:
Die Ausstellung Helmut Schmidt - Ein Leben in Bildern des SPIEGEL-Bildarchivs ist vom 29. April bis 28. August 2005 in den Deichtorhallen Hamburg zu sehen.
Bundeskanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder (damaliger Juso- Vorsitzender). Wahlwerbung zur Bundestagswahl 1980
Bundeskanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder (damaliger Juso-Vorsitzender). Wahlwerbung zur Bundestagswahl 1980© Josef H. Darchinger