Karen Duve freut sich über jedes Schnitzel, das sie nicht gegessen hat
Die Schriftstellerin Karen Duve ("Anständig Essen") fühlt sich durch den Dioxin-Skandal in ihrer vegetarischen Lebensweise bestärkt. Die Dioxin-Funde seien für sie kein Zufall.
Frank Meyer: Angefangen hat es mit einer Hähnchenpfanne für 2,99 Euro. Dieses Billighähnchen aus dem Supermarkt hat die Autorin Karen Duve auf die Frage gebracht: Wovon ernähre ich mich da eigentlich? Wie hat dieses Hähnchen gelebt und die anderen Tiere und Pflanzen, die dann auf meinem Teller landen? Karen Duve hat ein Jahr lang versucht, moralisch einigermaßen vertretbar zu essen, und sie hat über diesen Selbstversuch das Buch "Anständig essen" geschrieben. Jetzt ist sie hier bei uns im Studio. Frau Duve, herzlich Willkommen!
Karen Duve: Danke schön!
Meyer: Die Zeitungen sind ja in diesen Tagen voll vom Dioxinskandal, bei dem man erfährt, dass in der Massentierhaltung dann auch mal, wenn man Pech hat, Industriefette zugefüttert werden. Wenn Sie das so lesen, treibt Sie das jetzt in eine besonders energische, neue vegetarische Phase?
Duve: Nee, das brauch ich auch nicht. Also ich freue mich jetzt über jedes Schnitzel und jedes Steak und jedes Ei, das ich im letzten Jahr nicht gegessen habe und werde das auch so beibehalten. Das bestärkt mich natürlich da drin.
Meyer: Sie werden jetzt auch öfter als Lebensmittel-Dioxin-Expertin angesprochen bei den vielen Interviews, die Sie in den letzten Tagen geben – wie geht es Ihnen mit der Rolle?
Duve: Na ja, ich bin natürlich nicht die Expertin dafür, wie schlimm das mit dem Dioxin ist oder so, aber ich finde das ganz schön, dass das Thema auf dem Tisch ist. Das ist natürlich jetzt kein Zufall, das wird auch irgendwie, in zwei Monaten wird es den nächsten Skandal geben, weil es einfach systemimmanent ist. So, wie wir mit unseren Tieren umgehen, mit der Respektlosigkeit, wird halt letztlich natürlich auch mit dem Konsumenten dann umgegangen.
Meyer: Schauen wir uns mal an, was Sie eigentlich gemacht haben bei Ihrem Selbstversuch: Sie haben losgelegt, haben verschiedene Phasen durchgemacht und sind am Ende dann bei den Frutariern gelandet. Das heißt ja, man darf nur Pflanzliches essen, aber auch nur das, was die Pflanze freiwillig hergibt. Also Möhre aus der Erde ziehen zum Beispiel geht dann, glaube ich, bei den Frutariern nicht.
Duve: Nein, das geht gar nicht.
Meyer: War das gleich geplant, dass Sie bei diesem extremen Prinzip am Ende landen?
Duve: Als ich es mir durchdacht hab, was ich machen will, hab ich überlegt, ja, ich will dann jeden ethischen Ansatz, sich zu ernähren, einmal durchprobieren. Und der lag mir auch sehr fern, jetzt so sagen, oh, Pflanzen darf ich jetzt auch schon nicht mehr essen, fand ich ein bisschen schrullig und dachte aber, ja, vielleicht liegt es ja auch nur daran, dass ich nicht über meinen Tellerrand gucken kann, und ich schau mir das mal an und bild mir die Meinung erst hinterher.
Meyer: Und was haben Sie dann zum Beispiel als Frutarierin gegessen so einen Tag lang?
Duve: Früchte – also es fing morgens an mit einem schönen Tropicana-Teller, tropische Früchte. Nach einer Woche findet man den auch nicht mehr so toll, am Anfang ist das noch so ein bisschen wie Luxus, und dann hab ich mich so durch diese Früchte auch weitergeäst durch den Tag – wie in einem Hotel hatte ich dann halt immer so einen Früchtekorb stehen in jedem Zimmer – und hab mittags so ein bisschen mit Kokosnussmilch, das hat mich gerettet. Also diese Kokosmilch, da solche Sachen. Also Gemüsefrüchte sind ja erlaubt, Karotten zwar nicht, aber Erbsen, Lauch auch wieder nicht, aber Tomaten, da so ein bisschen was zusammengepanscht. Und das hat mir erstaunlicherweise ganz gut geschmeckt, ich hab mich dabei körperlich auch sehr gut gefühlt, und ehrlich gesagt, esse ich manchmal jetzt auch noch so was in der Richtung. Da ist dann eher noch ein Gewürz bei, das nicht mehr frutarisch ist, wo dann irgendwo im Gewürz noch eine ermordete Zwiebel mit drin ist, aber das Essen an sich war nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte.
Meyer: Also Frutarierin sein war eine Phase, Sie haben aber am Anfang Ihres Selbstversuches sich biologisch akzeptabel ernährt, also ökologisch ernährt, aber da war dann auch Fleisch dabei. In welcher dieser Phasen ging es Ihnen eigentlich am besten, wenn man so das Ernährungstechnische und auch eben das Ethische zusammennimmt?
Duve: Ja, es geht ja da drum, dass man eigentlich eine Qualität haben möchte. Man sagt, es geht mir selbst am besten, dann denkt man ja in erster Linie an sich, aber das heißt eben auch, dass man qualitativ hochwertige Sachen isst. Da war die Auswahl am größten natürlich in der Bioabteilung, aber ich hab halt auch gemerkt, Bio ist zwar besser, aber ist mir letztlich nicht gut genug, weil für mich zu einer Qualität immer noch eine ethische Qualität gehört. Also wenn ich weiß, da ist etwas in Kinderarbeit hergestellt worden, dann kann das noch so gut verarbeitet sein und noch so hip und stylisch sein, das ist für mich kein Qualitätsprodukt. Und das gilt natürlich auch für Nahrungsmittel. Also wenn ich weiß, da ist jetzt für mein Bio-Ei gelitten worden – und davon muss man leider ausgehen, weil das halt eben auch nicht mehr der kleine Minihof ist –, dann ist das für mich kein …
Meyer: Weil da auch Massentierhaltung betrieben wird?
Duve: Ja, ja, klar. Ei ist ein Ausbeutungsprodukt.
Meyer: Was meinen Sie damit?
Duve: Meine ich, dass Eier, wie die hergestellt werden, das sind jetzt nicht mehr die kleinen Minigruppen, die so auf dem Bauernhof auf einem Misthaufen scharren, sondern da sind auch 3000 Hühner immer zusammengesperrt – ein durchschnittlicher Biobetrieb mit Eierproduktion sind jetzt 17.500 Hühner, glaube ich. Das funktioniert nicht, die picken sich auch kahl – Hühner sind einfach keine Massentiere. Auch wenn die Auslauf haben, dass das ein bisschen besser ist als bei den anderen, da weniger zusammengesperrt sind, die fühlen sich nicht wohl.
Meyer: Sie haben ja auch Tierbefreier begleitet, die zum Beispiel in Hühnerställe eingestiegen sind. Was haben Sie da gemacht mit den Tierbefreiern?
Duve: Ich hab natürlich mitgemacht. Ich war dann auch selbst Tierbefreierin. Wir haben da einmal aus der Biohaltung, da sollte eigentlich nur recherchiert werden – das wollte man dann hinterher einer Fernsehsendung anbieten –, wie eben die Zustände in der Biohaltung sind und dann gleich eben nacheinander mehrere Bioställe, um zu zeigen, das ist jetzt nicht wieder ein schwarzes Schaf, wie dann sofort gekontert wird, sondern dass das mehr oder weniger bei allen so läuft. Und dabei ist uns halt irgendwie ein Huhn eben aufgefallen, das mit dem Fuß von der Decke hing, also von so einem Metallrost sich da eingeklemmt hatte. Dadurch wurde es dann auch wieder zu einer Hühnerbefreiung. Wir haben dann den Rudi, wie er hinterher hieß, mitgenommen.
Meyer: Das ist das Huhn, mit dem man Sie jetzt oft auf Fotos sieht, das bei Ihnen zu Hause lebt?
Duve: Ja, Rudi hat irgendwie so Starqualitäten entwickelt, weil er völlig furchtlos ist, sehr dreist, so ein bisschen ein Hans-Huckebein-Typ, und das gibt natürlich für Fotos immer viel her.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir haben Karen Duve zu Gast, die Autorin zum Beispiel des sehr erfolgreichen Romans "Taxi", jetzt hat sie ein Sachbuch herausgebracht über ihren Selbstversuch, ein Jahr lang möglichst anständig zu essen. Es ist ja so, dass sich viele Leute schon ganz gut fühlen, wenn sie nicht so besonders viel Fleisch essen, wenn sie möglichst weitgehend Bioprodukte einkaufen. Das ist – wir haben vorhin über den Frutarierstandpunkt gesprochen – natürlich extrem verwerflich vom Frutarierstandpunkt aus. Wie ist das jetzt für Sie, was halten Sie heute vom normalen Biokonsumenten?
Duve: Ich finde das schon gut, wenn man sich Mühe gibt und sagt, wenn … Dass ich grundsätzlich erst mal Bio einkaufe, das mach ich selber auch so, weil ich da zwar nicht das garantiert habe, dass die Sachen besser und sozialer und für Menschen und Tiere akzeptabler produziert worden sind, aber die Wahrscheinlichkeit ist größer. Und deswegen mach ich das, und je kleiner der Laden, je kleiner der Einkaufskorb, mit dem man durch die Gänge saust, desto wahrscheinlicher ist das auch, dass das tatsächlich einigermaßen anständig produziert worden ist. Nur beim Fleisch ist es mir halt nicht gut genug.
Meyer: Sie sind also nicht zur Radikalen geworden über Ihren Selbstversuch?
Duve: Viel radikaler, als ich gedacht habe. Also ich esse überhaupt kein Fleisch mehr, ich lebe jetzt wirklich vegetarisch und teilweise eben auch so vegan, dass ich auch keine Lederschuhe mehr trage und keine Lederprodukte mehr kaufe und keine Daunenprodukte und darauf so ein bisschen achte, aber ich bin nicht konsequent, weil ich auch… Das ist auch ganz schön viel auf einmal, wenn man sich erst mal so ein Jahr lang nur damit beschäftigt hat.
Meyer: Inkonsequent ist zum Beispiel, habe ich gelesen, wie Sie Ihre Katzen ernähren, die Sie auch haben, die kriegen immer noch Dosenfutter mit ordentlich Fleisch drin.
Duve: Ja, ich fühl mich dabei auch nicht richtig wohl und achte dann halt auch da drauf, dass ich jetzt – das hat ein bisschen länger gedauert, als ich eigentlich wollte, aber jetzt kriegen die Biofleisch, also dann wenigstens, wenn ich dann schon dieses Zugeständnis mache und sage, ich kann die jetzt nicht anders ernähren, dann kriegen sie wenigstens ihr Katzenfutter aus Biokatzenfutter.
Meyer: Das Ganze war ja erst mal ein Versuch, also wie ernähre ich mich, was macht das auch mit mir, was hängen für moralische Fragen daran, aber es hat Sie in Ihrem Buch dann auch zu der Frage geführt: Wie leben wir Menschen denn überhaupt mit unseren Mitwesen auf diesem Planeten zusammen? Und Sie sind da zu einer ziemlich pessimistischen Sicht am Ende gekommen, habe ich Eindruck, indem Sie sagen, ja, wir töten so viele andere Wesen, weil wir einfach die aggressivsten und dabei geschicktesten Wesen auf diesem Planeten sind. Sind Sie jetzt am Ende dieses Buches, sind Sie fertig mit den Menschen?
Duve: Nee, ach die Tiere sind ja auch nicht netter. Also die Menschen sind ja auch deswegen so gierig, weil bei ihnen eben dasselbe Evolutionsprinzip funktioniert wie bei allen anderen Tieren auch. Ich finde uns da jetzt auch nicht besonders schlimmer, wir haben nur ganz andere Möglichkeiten. Und wir haben jetzt halt so ein Maß und eine Marke überschritten, wo man noch sagen kann, okay, Raub ist das kurze Erdenleben, jeder grabscht sich, was er kriegen kann. Ich finde, dass wir da wirklich so eine Marke überschritten haben und ein bisschen Einkehr halten sollten.
Meyer: Und was ist jetzt Ihre Botschaft an die anderen, sollen die Ihrem Beispiel folgen? Was sollen wir alle tun aus Ihrer Sicht?
Duve: Nee, die müssen nicht alle so sein wie ich, ich bin ja auch völlig unzulänglich, aber was man, glaube ich, jedem zumuten kann, ist, sich überhaupt einmal darüber Gedanken zu machen. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass das eigentlich keiner will, dass unsere Nahrungsmittel, unser Fleisch auf diese Art produziert wird. Und wenn man einfach mal nicht aufhört zu denken im Supermarkt und nicht sich die Bilder anguckt, die da irgendwo draufgedruckt sind, wo Kühe auf einer Wiese stehen, sondern einfach sich mal klarmacht, so sieht es nicht aus, das ist mehr eine Industriehalle, die vegetieren da, die haben Angst, die haben Schmerzen, und will ich das, ist es mir wert, was muss denn noch passieren, bis ich aufhöre, Fleisch zu essen oder bis ich wenigstens weniger Fleisch esse oder wenigstens dann, wenn ich unbedingt Fleisch haben muss, das dann als Biofleisch kaufe.
Meyer: Sie werden Ihr Buch vorstellen bei einer Lesereise gemeinsam mit einem amerikanischen Kollegen, auch einem Romanautor eigentlich, der auch ein Sachbuch geschrieben hat über die Frage, wie man anständig essen kann, Jonathan Safran Foer nämlich, sein Buch heißt "Tiere essen". Was schätzen Sie an seinem Buch?
Duve: Der ist sehr ehrlich, und er sagt eben auch nicht, das ist jetzt alles leicht und macht nur Spaß, sondern er sagt eben auch, mir schmeckt Fleisch, ich würde das auch gerne essen, aber ich tu es halt nicht. Und das ist eigentlich so ein ganz ähnlicher Ansatz, dem auch ich folgen kann.
Meyer: Also Jonathan Safran Foer können Sie erleben gemeinsam mit Karen Duve bei einer Lesung Ende Januar in Berlin, dann gibt es noch zwei Termine in Zürich und Wien. Und Sie können das Buch von Karen Duve natürlich lesen. Das heißt
"Anständig essen - Wie ich versuchte, ein besserer Mensch zu werden, erschienen im Galiani-Verlag, 335 Seiten gibt es für 19,95 Euro. Frau Duve, vielen Dank für den Besuch!
Duve: Gern geschehen!
Karen Duve: Danke schön!
Meyer: Die Zeitungen sind ja in diesen Tagen voll vom Dioxinskandal, bei dem man erfährt, dass in der Massentierhaltung dann auch mal, wenn man Pech hat, Industriefette zugefüttert werden. Wenn Sie das so lesen, treibt Sie das jetzt in eine besonders energische, neue vegetarische Phase?
Duve: Nee, das brauch ich auch nicht. Also ich freue mich jetzt über jedes Schnitzel und jedes Steak und jedes Ei, das ich im letzten Jahr nicht gegessen habe und werde das auch so beibehalten. Das bestärkt mich natürlich da drin.
Meyer: Sie werden jetzt auch öfter als Lebensmittel-Dioxin-Expertin angesprochen bei den vielen Interviews, die Sie in den letzten Tagen geben – wie geht es Ihnen mit der Rolle?
Duve: Na ja, ich bin natürlich nicht die Expertin dafür, wie schlimm das mit dem Dioxin ist oder so, aber ich finde das ganz schön, dass das Thema auf dem Tisch ist. Das ist natürlich jetzt kein Zufall, das wird auch irgendwie, in zwei Monaten wird es den nächsten Skandal geben, weil es einfach systemimmanent ist. So, wie wir mit unseren Tieren umgehen, mit der Respektlosigkeit, wird halt letztlich natürlich auch mit dem Konsumenten dann umgegangen.
Meyer: Schauen wir uns mal an, was Sie eigentlich gemacht haben bei Ihrem Selbstversuch: Sie haben losgelegt, haben verschiedene Phasen durchgemacht und sind am Ende dann bei den Frutariern gelandet. Das heißt ja, man darf nur Pflanzliches essen, aber auch nur das, was die Pflanze freiwillig hergibt. Also Möhre aus der Erde ziehen zum Beispiel geht dann, glaube ich, bei den Frutariern nicht.
Duve: Nein, das geht gar nicht.
Meyer: War das gleich geplant, dass Sie bei diesem extremen Prinzip am Ende landen?
Duve: Als ich es mir durchdacht hab, was ich machen will, hab ich überlegt, ja, ich will dann jeden ethischen Ansatz, sich zu ernähren, einmal durchprobieren. Und der lag mir auch sehr fern, jetzt so sagen, oh, Pflanzen darf ich jetzt auch schon nicht mehr essen, fand ich ein bisschen schrullig und dachte aber, ja, vielleicht liegt es ja auch nur daran, dass ich nicht über meinen Tellerrand gucken kann, und ich schau mir das mal an und bild mir die Meinung erst hinterher.
Meyer: Und was haben Sie dann zum Beispiel als Frutarierin gegessen so einen Tag lang?
Duve: Früchte – also es fing morgens an mit einem schönen Tropicana-Teller, tropische Früchte. Nach einer Woche findet man den auch nicht mehr so toll, am Anfang ist das noch so ein bisschen wie Luxus, und dann hab ich mich so durch diese Früchte auch weitergeäst durch den Tag – wie in einem Hotel hatte ich dann halt immer so einen Früchtekorb stehen in jedem Zimmer – und hab mittags so ein bisschen mit Kokosnussmilch, das hat mich gerettet. Also diese Kokosmilch, da solche Sachen. Also Gemüsefrüchte sind ja erlaubt, Karotten zwar nicht, aber Erbsen, Lauch auch wieder nicht, aber Tomaten, da so ein bisschen was zusammengepanscht. Und das hat mir erstaunlicherweise ganz gut geschmeckt, ich hab mich dabei körperlich auch sehr gut gefühlt, und ehrlich gesagt, esse ich manchmal jetzt auch noch so was in der Richtung. Da ist dann eher noch ein Gewürz bei, das nicht mehr frutarisch ist, wo dann irgendwo im Gewürz noch eine ermordete Zwiebel mit drin ist, aber das Essen an sich war nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte.
Meyer: Also Frutarierin sein war eine Phase, Sie haben aber am Anfang Ihres Selbstversuches sich biologisch akzeptabel ernährt, also ökologisch ernährt, aber da war dann auch Fleisch dabei. In welcher dieser Phasen ging es Ihnen eigentlich am besten, wenn man so das Ernährungstechnische und auch eben das Ethische zusammennimmt?
Duve: Ja, es geht ja da drum, dass man eigentlich eine Qualität haben möchte. Man sagt, es geht mir selbst am besten, dann denkt man ja in erster Linie an sich, aber das heißt eben auch, dass man qualitativ hochwertige Sachen isst. Da war die Auswahl am größten natürlich in der Bioabteilung, aber ich hab halt auch gemerkt, Bio ist zwar besser, aber ist mir letztlich nicht gut genug, weil für mich zu einer Qualität immer noch eine ethische Qualität gehört. Also wenn ich weiß, da ist etwas in Kinderarbeit hergestellt worden, dann kann das noch so gut verarbeitet sein und noch so hip und stylisch sein, das ist für mich kein Qualitätsprodukt. Und das gilt natürlich auch für Nahrungsmittel. Also wenn ich weiß, da ist jetzt für mein Bio-Ei gelitten worden – und davon muss man leider ausgehen, weil das halt eben auch nicht mehr der kleine Minihof ist –, dann ist das für mich kein …
Meyer: Weil da auch Massentierhaltung betrieben wird?
Duve: Ja, ja, klar. Ei ist ein Ausbeutungsprodukt.
Meyer: Was meinen Sie damit?
Duve: Meine ich, dass Eier, wie die hergestellt werden, das sind jetzt nicht mehr die kleinen Minigruppen, die so auf dem Bauernhof auf einem Misthaufen scharren, sondern da sind auch 3000 Hühner immer zusammengesperrt – ein durchschnittlicher Biobetrieb mit Eierproduktion sind jetzt 17.500 Hühner, glaube ich. Das funktioniert nicht, die picken sich auch kahl – Hühner sind einfach keine Massentiere. Auch wenn die Auslauf haben, dass das ein bisschen besser ist als bei den anderen, da weniger zusammengesperrt sind, die fühlen sich nicht wohl.
Meyer: Sie haben ja auch Tierbefreier begleitet, die zum Beispiel in Hühnerställe eingestiegen sind. Was haben Sie da gemacht mit den Tierbefreiern?
Duve: Ich hab natürlich mitgemacht. Ich war dann auch selbst Tierbefreierin. Wir haben da einmal aus der Biohaltung, da sollte eigentlich nur recherchiert werden – das wollte man dann hinterher einer Fernsehsendung anbieten –, wie eben die Zustände in der Biohaltung sind und dann gleich eben nacheinander mehrere Bioställe, um zu zeigen, das ist jetzt nicht wieder ein schwarzes Schaf, wie dann sofort gekontert wird, sondern dass das mehr oder weniger bei allen so läuft. Und dabei ist uns halt irgendwie ein Huhn eben aufgefallen, das mit dem Fuß von der Decke hing, also von so einem Metallrost sich da eingeklemmt hatte. Dadurch wurde es dann auch wieder zu einer Hühnerbefreiung. Wir haben dann den Rudi, wie er hinterher hieß, mitgenommen.
Meyer: Das ist das Huhn, mit dem man Sie jetzt oft auf Fotos sieht, das bei Ihnen zu Hause lebt?
Duve: Ja, Rudi hat irgendwie so Starqualitäten entwickelt, weil er völlig furchtlos ist, sehr dreist, so ein bisschen ein Hans-Huckebein-Typ, und das gibt natürlich für Fotos immer viel her.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir haben Karen Duve zu Gast, die Autorin zum Beispiel des sehr erfolgreichen Romans "Taxi", jetzt hat sie ein Sachbuch herausgebracht über ihren Selbstversuch, ein Jahr lang möglichst anständig zu essen. Es ist ja so, dass sich viele Leute schon ganz gut fühlen, wenn sie nicht so besonders viel Fleisch essen, wenn sie möglichst weitgehend Bioprodukte einkaufen. Das ist – wir haben vorhin über den Frutarierstandpunkt gesprochen – natürlich extrem verwerflich vom Frutarierstandpunkt aus. Wie ist das jetzt für Sie, was halten Sie heute vom normalen Biokonsumenten?
Duve: Ich finde das schon gut, wenn man sich Mühe gibt und sagt, wenn … Dass ich grundsätzlich erst mal Bio einkaufe, das mach ich selber auch so, weil ich da zwar nicht das garantiert habe, dass die Sachen besser und sozialer und für Menschen und Tiere akzeptabler produziert worden sind, aber die Wahrscheinlichkeit ist größer. Und deswegen mach ich das, und je kleiner der Laden, je kleiner der Einkaufskorb, mit dem man durch die Gänge saust, desto wahrscheinlicher ist das auch, dass das tatsächlich einigermaßen anständig produziert worden ist. Nur beim Fleisch ist es mir halt nicht gut genug.
Meyer: Sie sind also nicht zur Radikalen geworden über Ihren Selbstversuch?
Duve: Viel radikaler, als ich gedacht habe. Also ich esse überhaupt kein Fleisch mehr, ich lebe jetzt wirklich vegetarisch und teilweise eben auch so vegan, dass ich auch keine Lederschuhe mehr trage und keine Lederprodukte mehr kaufe und keine Daunenprodukte und darauf so ein bisschen achte, aber ich bin nicht konsequent, weil ich auch… Das ist auch ganz schön viel auf einmal, wenn man sich erst mal so ein Jahr lang nur damit beschäftigt hat.
Meyer: Inkonsequent ist zum Beispiel, habe ich gelesen, wie Sie Ihre Katzen ernähren, die Sie auch haben, die kriegen immer noch Dosenfutter mit ordentlich Fleisch drin.
Duve: Ja, ich fühl mich dabei auch nicht richtig wohl und achte dann halt auch da drauf, dass ich jetzt – das hat ein bisschen länger gedauert, als ich eigentlich wollte, aber jetzt kriegen die Biofleisch, also dann wenigstens, wenn ich dann schon dieses Zugeständnis mache und sage, ich kann die jetzt nicht anders ernähren, dann kriegen sie wenigstens ihr Katzenfutter aus Biokatzenfutter.
Meyer: Das Ganze war ja erst mal ein Versuch, also wie ernähre ich mich, was macht das auch mit mir, was hängen für moralische Fragen daran, aber es hat Sie in Ihrem Buch dann auch zu der Frage geführt: Wie leben wir Menschen denn überhaupt mit unseren Mitwesen auf diesem Planeten zusammen? Und Sie sind da zu einer ziemlich pessimistischen Sicht am Ende gekommen, habe ich Eindruck, indem Sie sagen, ja, wir töten so viele andere Wesen, weil wir einfach die aggressivsten und dabei geschicktesten Wesen auf diesem Planeten sind. Sind Sie jetzt am Ende dieses Buches, sind Sie fertig mit den Menschen?
Duve: Nee, ach die Tiere sind ja auch nicht netter. Also die Menschen sind ja auch deswegen so gierig, weil bei ihnen eben dasselbe Evolutionsprinzip funktioniert wie bei allen anderen Tieren auch. Ich finde uns da jetzt auch nicht besonders schlimmer, wir haben nur ganz andere Möglichkeiten. Und wir haben jetzt halt so ein Maß und eine Marke überschritten, wo man noch sagen kann, okay, Raub ist das kurze Erdenleben, jeder grabscht sich, was er kriegen kann. Ich finde, dass wir da wirklich so eine Marke überschritten haben und ein bisschen Einkehr halten sollten.
Meyer: Und was ist jetzt Ihre Botschaft an die anderen, sollen die Ihrem Beispiel folgen? Was sollen wir alle tun aus Ihrer Sicht?
Duve: Nee, die müssen nicht alle so sein wie ich, ich bin ja auch völlig unzulänglich, aber was man, glaube ich, jedem zumuten kann, ist, sich überhaupt einmal darüber Gedanken zu machen. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass das eigentlich keiner will, dass unsere Nahrungsmittel, unser Fleisch auf diese Art produziert wird. Und wenn man einfach mal nicht aufhört zu denken im Supermarkt und nicht sich die Bilder anguckt, die da irgendwo draufgedruckt sind, wo Kühe auf einer Wiese stehen, sondern einfach sich mal klarmacht, so sieht es nicht aus, das ist mehr eine Industriehalle, die vegetieren da, die haben Angst, die haben Schmerzen, und will ich das, ist es mir wert, was muss denn noch passieren, bis ich aufhöre, Fleisch zu essen oder bis ich wenigstens weniger Fleisch esse oder wenigstens dann, wenn ich unbedingt Fleisch haben muss, das dann als Biofleisch kaufe.
Meyer: Sie werden Ihr Buch vorstellen bei einer Lesereise gemeinsam mit einem amerikanischen Kollegen, auch einem Romanautor eigentlich, der auch ein Sachbuch geschrieben hat über die Frage, wie man anständig essen kann, Jonathan Safran Foer nämlich, sein Buch heißt "Tiere essen". Was schätzen Sie an seinem Buch?
Duve: Der ist sehr ehrlich, und er sagt eben auch nicht, das ist jetzt alles leicht und macht nur Spaß, sondern er sagt eben auch, mir schmeckt Fleisch, ich würde das auch gerne essen, aber ich tu es halt nicht. Und das ist eigentlich so ein ganz ähnlicher Ansatz, dem auch ich folgen kann.
Meyer: Also Jonathan Safran Foer können Sie erleben gemeinsam mit Karen Duve bei einer Lesung Ende Januar in Berlin, dann gibt es noch zwei Termine in Zürich und Wien. Und Sie können das Buch von Karen Duve natürlich lesen. Das heißt
"Anständig essen - Wie ich versuchte, ein besserer Mensch zu werden, erschienen im Galiani-Verlag, 335 Seiten gibt es für 19,95 Euro. Frau Duve, vielen Dank für den Besuch!
Duve: Gern geschehen!