Karen Duve: "Macht"

Die Lust an der Psychopathen-Perspektive

Die Autorin Karen Duve im Jahr 2011.
Die Autorin Karen Duve: Große Lust am fiesen Helden © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Moderation: Joachim Scholl |
Sebastian ist ein richtiger Dreckskerl. Einer, der seine Frau gefesselt im Keller gefangen hält, um sie zu quälen. Ein Psychopath, wie er im utopischen Gender-Roman von Karen Duve steht. Die Autorin erzählt, warum sie großen Spaß beim Schreiben von "Macht" hatte.
Sebastian hält seine Frau an der kurzen Leine - im wahrsten Sinne des Wortes: Eine Kette hindert sie daran, aus dem Keller des gemeinsamen Hauses zu fliehen. Sebastian wird sich vermutlich einen Platz als einer der Top-Psychopathen in der deutschen Literatur sichern.
In ihrem Roman "Macht" nimmt die Autorin Karen Duve die Leser mit ins Jahr 2031, in eine nicht allzu ferne Zukunft, in der unsere Umwelt hinüber ist, ungefähr 80 Prozent der Menschen Verjüngungspillen einwerfen, Olaf Scholz Bundeskanzler ist, ansonsten aber ein Matriarchat herrscht. Was Männern wie Sebastian offenbar nicht gefällt, denn es bedeutet Machtverlust.

Die Sicht des fiesen Helden

Karen Duve, bekannt für ihre scharfen Texte gegen Fleischesser und egomane Besserwisser, hat jetzt also einen utopischen Gender-Roman geschrieben. Es sei ihr gar nicht so schwer gefallen, die Grausamkeiten ihres fiesen Helden zu beschreiben, sagt Duve: "Also ein bisschen habe ich ja ein schlechtes Gewissen, dass mir das so leicht gefallen ist und ich so viel Spaß hatte beim Schreiben. Aber das liegt möglicherweise daran, dass ich in die Perspektive des Täters gegangen bin und mir das auch deshalb nicht so nahe kam, weil das vor dem Schreiben alles schon so abgemacht war." Bei der Recherche nach ähnlichen Fällen habe sie schon häufiger schlucken müssen.

"Nette Strandlektüre gibt's genug

Was ist nur in die Duve gefahren? Das haben sich viele Leser vermutlich gefragt. Dazu meint die Autorin: "Ich finde, man darf den Leuten ruhig etwas zumuten, auch sich selber. Und nette Strandlektüre gibt's doch genug." Die Form des Romans gebe ihr die Möglichkeit, sich "weit aus dem Fenster zu lehnen" und Dinge zu sagen, "die vielleicht ein bisschen ungeschickter sind".
Eigentlich habe sie - wie bei vielen ihrer Themen, aus denen schließlich Bücher wurden - das Thema schon sehr lange im Kopf gehabt, doch dann seien Fälle wie der von Natascha Kampusch in der Öffentlichkeit auf allen Kanälen präsent gewesen. Auf diesen Zug habe sie damals nicht aufspringen wollen.

Karen Duve: "Macht", Roman, 21,99 Euro

Mehr zum Thema