Karen Duve: Macht
Verlag Galiani, Berlin 2016
414 Seiten, 21,99 Euro
Grobschlächtige Weltsicht in Romanform
Karen Duves neuer Roman "Macht" spielt im Jahr 2031 in Deutschland. Es herrscht Staatsfeminismus, doch die Männer werden zu rachsüchtigen Machos.
Seit einigen Jahren, genauer: seit ihrem Selbstversuch "Anständig essen" (2011) und der Streitschrift "Warum die Sache schiefgeht" (2014), wissen wir, was die Hamburger Autorin Karen Duve umtreibt und wer ihre Feindbilder sind. Das verrät bereits der Untertitel ihrer Endzeit-Streitschrift: "Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen".
Sie agitiert gegen das Elend der industriellen Nutztierhaltung, plädiert für vegetarische Ernährung und gibt vor allem der Männerherrschaft der Politiker, Unternehmer und Banker die Schuld an allen zeitgenössischen Übeln vom Klimawandel über das Artensterben bis zur Krise der Finanzmärkte. Kritiker nannten ihre Streitschrift einen "wirr zusammengehauenen Zombie-Text", warfen ihr "Vulgär-Manichäismus in Stammtisch-Manier" vor, verglichen sie mit einem anderen wüsten Polemiker, nämlich mit Akif Pirinçci, und nannten sie "eine Art feministisch-vegetarische Pirinçci".
Nun hat Karen Duve ihre etwas grobschlächtige Weltsicht abermals in Buchform veröffentlicht, diesmal in Form eines satirisch gemeinten, negativ-utopischen Zukunftsromans. "Macht" spielt im Jahr 2031 in Norddeutschland und kommt als apokalyptischer Endzeit-Roman daher.
Das Ende der Menschheit wird darin für spätestens 2040 erwartet. Die ehemaligen Schulkameraden, die sich eingangs zum Klassentreffen in einer Hamburger Kneipe aus Anlass des 50. Abitur-Jubiläums versammeln, wissen, dass sie noch bestenfalls ein Jahrzehnt vor sich haben, ehe es für die Menschheit vorbei ist.
Die Frauen sollen es nun richten
Karen Duve extrapoliert die aus allen Medien bekannten negativen Trends von heute und verlängert sie in die unmittelbare Zukunft hinein. Die Klimakatastrophe ist in ihrem Roman längst eingetreten, Wirbelstürme, Hitzewellen und Flutkatastrophen wechseln sich ab, gen-manipulierter Killer-Raps überwuchert alles, die Ressourcen des Planeten gehen zur Neige. Andererseits schreibt die Autorin auch heutige Fortschritts- und Optimierungsträume in die Zukunft fort: Die Verjüngungspille Ephebo ist westlicher Standard und lässt auch Senioren wie Dreißigjährige erscheinen.
Nachdem die Männer den Planeten zugrunde gewirtschaftet haben, sollen es nun die Frauen richten. Es herrscht Staatsfeminismus und verordneter Vegetarismus, Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt einer Regierung von lauter Ministerinnen vor.
Auf die "Kontrollierte Demokratie" der regierenden Frauen antworten die entmachteten Männer aggressiv, indem sie sich zu frauenfeindlichen Männerbünden zusammenschließen. Im Sammelbecken der rachsüchtigen Machos findet sich die "Maskulo"-Bewegung ebenso wie rechtsradikale Antifeministen, Rocker-Gangs und islamistische wie evangelikale Fundamentalisten.
Man ahnt, wie es laufen wird
Karen Duve macht einen dieser bösartigen Männer zu ihrem Protagonisten und Ich-Erzähler – und das erweist sich als Grundfehler, der ihren Roman letztlich ruiniert. Sebastian Bürger ist ein klammheimlicher Wutbürger mit einem speziellen Hass auf erfolgreiche Frauen – vor allem seine eigene Ehefrau Christine, eine Karriere-Frau, die es zur Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Kraftwerk-Stilllegung und Atommüll-Entsorgung gebracht hat.
Er rächt sich an ihr, indem er sie bereits seit zwei Jahren im Keller seines Hauses eingesperrt hält. Er hat sie an die Kette gelegt, er erniedrigt und entwürdigt sie planmäßig und missbraucht sie zu sexuellen Diensten. Sebastian ist ein frauenverachtender Sadist, der den nahenden Weltuntergang als Lizenz betrachtet, seine Ressentiments und Gewaltphantasien hemmungslos auszuleben.
"Die Menschheit verdient es nicht anders", rechtfertigt er sein Verhalten: "Wenn ich schon zusammen mit den ganzen Idioten, die den Schlamassel angerichtet haben, untergehen muss, dann will ich wenigstens auch denselben Spaß dabei haben wie die. Dann will ich es noch schlimmer treiben als die rücksichtslosesten Schweinehunde."
Hingeschluderte Welt-Wut
Karen Duve zwingt den Leser, den ausagierten Exzessen dieses dumpfen Psychopathen über mehr als 400 Seiten hinweg zu folgen. Die Lektüre ist ebenso unerquicklich wie unergiebig: Man ahnt, wie es laufen wird, und so läuft es auch. Dass die Frauen im Roman nicht weniger fies sind als die Männer, kann kaum erstaunen. Für Überraschungen fehlt Karen Duve die Fantasie, für eine interessant und intelligent entworfene Zukunftsvision fehlen ihrem Roman Sachkenntnis genauso wie Tiefgang. Hingeschluderte Welt-Wut reicht nicht für eine lesenswerte Dystopie, sondern allenfalls für einen missglückten Roman.