Karen Duve: "Sisi"

Zwischen Rollenerfüllung und Rollenverweigerung

12:34 Minuten
Die Schriftstellerin Karen Duve steht im Freien links neben einem Schimmel, dessen Kopf von rechts ins Bild ragt. Sie trägt eine hellgrüne Jacke und einen Wollschal in der gleichen Farbe.
Schriftstellerin Karen Duve ist über die Beschäftigung mit Pferden bei Kaiserin Sisi als Romanfigur gelandet. © Kerstin Ahlrichs
Karen Duve im Gespräch mit Andrea Gerk |
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Eigentlich wollte Karen Duve ein Buch über Pferde schreiben, doch dann schwenkte sie um auf Sisi. Immerhin gibt es eine Verbindung: Die Kaiserin war eine extrem gute Reiterin. Und auch dabei war Sisi auf den Erhalt der Schönheit bedacht.
Karen Duve hat mit „Sisi“ ein Buch über die Kaiserin von Österreich-Ungarn geschrieben - und damit über eine fast mythische Figur der europäischen Geschichte. Verstärkt wurde dieser Mythos noch durch die "Sissi"-Filme mit Romy Schneider. Im Gespräch erzählt die Autorin, warum die historische Sisi als schönste Frau Europas galt, wie sie sich mühte, diesem Image gerecht zu werden, aber auch, wie sie sich von bestimmten Rollenerwartungen löste.

Sisi als beste Reiterin ihrer Zeit

Duves Weg zu „Sisi“ als Romanfigur führte über einen Umweg: Sie habe ein Pferdebuch schreiben wollen und auch das Okay vom Verlag gehabt, doch dann hätten andere Autorinnen schon entsprechende Werke veröffentlicht. „Dann habe ich mir überlegt, dann vielleicht doch wieder einen historischen Roman - dann mache ich etwas über einen alten Reitmeister“, berichtet Duve.
Sie sei davon ausgegangen, dass das alles Männer gewesen seien. „Ich bin dann aber ganz schnell immer wieder auf den Namen Elisabeth von Österreich gestoßen, die nicht nur die allerbeste Jagdreiterin ihrer Zeit war, sondern auch eine sehr gute Dressurreiterin und sich im Zirkus hervorgetan hat.“
Sie habe vier Jahre für das Buch recherchiert, viel Fachliteratur und auch Briefwechsel gelesen und dann chronologisch geordnet, berichtet Duve. Das habe sie dann komprimiert. „Die Stellen, wo es am schönsten geworden ist, habe ich mir dann ausgesucht und daraus eine ganze Geschichte gemacht, in dem Wissen, dass ich nicht näher rankommen kann.“

Liebesheirat der schönsten Frau Europas

Als Elisabeth von Wittelsbach 15 Jahre alt war, hielt Kaiser Franz Joseph I. um ihre Hand an, wenige Tage nachdem er seine Cousine im Winterurlaub getroffen hatte. Es habe sich um eine Liebeshochzeit gehandelt, was in diesen Kreisen ganz selten gewesen sei, betont Duve. "Mit 40 hat sie schon so ein bisschen klarer gesehen, mit wem sie es da zu tun hatte und konnte diese große Liebe, die es tatsächlich gewesen ist, nicht mehr halten."
Duve hebt hervor, dass Elisabeth als schönste Frau Europas galt, obwohl die Autorin die Einschätzung nicht unbedingt teilt. In Sisis Zeit sei das so gut wie unstrittig gewesen.
Die Kaiserin habe nicht einfach nur über ein regelmäßiges Gesicht, eine schöne Haut und "natürlich enorm tolle Haare" verfügt, sagt Duve. Sie habe auch immer eine Teenager-Figur behalten, niemals über 50 Kilo gewogen, bei einer Größe von 1,72 Meter.

Disziplin und Aura

Sisi habe sich beinahe manisch bewegen müssen. "Wenn sie geht, dann gleich 40, 50 Kilometer", erklärt Duve. "Und sie macht immer ihre Gymnastikübung, jeden Tag" - wie ein Instagram-Star heute ein bisschen, merkt Duve an. "Die lässt sich da nichts durchgehen."
Und Sisi achtet auf die Bewahrung ihres Äußeren: "Ich kann mir gerne was brechen, aber mein Gesicht darf nicht zerkratzt werden", war die Ansage an ihren Führer beim Reiten. Also nicht durch die Büsche zu Pferd. "Ruhig hohe, gefährliche Sachen, aber nichts, womit das Gesicht zerkratzt wird", sagte sie ihm.
Über diese rein äußerliche Schönheit hinaus müsse es aber noch etwas an Sisi gegeben haben, glaubt Duve: "Diese Aura, dass sie sehr geheimnisvoll war und dass sie die Leute in einer bestimmten Art anschauen konnte."

Sisis Bildpolitik

Als sie älter wurde, hat Elisabeth ihr Image mit einem Trick bewahrt: „Mit 30, als sie noch sehr schön war, hat sie schlauerweise angefangen, dass keine Bilder und keine Fotos mehr von ihr gemacht werden durften", erklärt Duve. "Da hatte sie dann immer den Fächer, den Parasol, also ihr Schirmchen, schnell runtergekippt oder den Schleier oder alles drei zusammen.“
Schon vorher habe sie genuschelt, weil sie wohl ihre Zähne nicht so schön gefunden habe. Dadurch sei dann das Nuscheln Mode geworden, erzählt Duve. „Die anderen machten das nach, weil das, was die Kaiserin vorgab, schnell schick wurde.“
"Sisi hat den Leuten geliefert, dass sie wunderschön ist, dass sie was anzugucken haben und dass sie geheimnisvoll ist", bilanziert Duve. "Aber das, was die Wiener gerne von ihr gehabt hätten, diese ganzen Denkmalenthüllungen oder so", das habe sie nicht interessiert.
(mfu)

Karen Duve: "Sisi"
Galiani Berlin 2022
416 Seiten, 26 Euro

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