Karen M. McManus: "One of us is next"
Aus dem Amerikanischen von Anja Galic
Cbj Verlag, München 2020
448 Seiten, 20 Euro
ab 14 Jahren
Im Netz der Lügen
04:56 Minuten
Mit „One of us is lying“ war die amerikanischen Jugendbuchautorin Karen M. McManus für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 nominiert. Jetzt ist Band zwei des spannenden Highschool-Krimis erschienen.
Maeve, Phoebe und Knox, alle um die siebzehn Jahre alt, berichten abwechselnd in lockerem Ton von einem neuen Fall von Erpressung an der Bayview Highschool in San Diego: Ein anonymer Täter fordert einzelne Mitschülerinnen und Mitschüler auf, öffentlich das Spiel "Wahrheit oder Pflicht" mitzuspielen. Bei "Pflicht" müssen sie gefährliche Aufgaben erfüllen. Weigern sie sich, kommt die "Wahrheit" über sie ans Licht.
Je nach Reaktion der Jugendlichen kommt es zu verrückten Einsätzen und wagemutigen Taten oder aber zur Veröffentlichung peinlicher Details aus ihrem Leben. Bis ein Junge zu Tode kommt, ein Mädchen sich mutig entscheidet, nicht mitzumachen und irritierende Verbindungen zum Geschehen von vor anderthalb Jahren - im ersten Band - aufgedeckt werden.
Roman und soziale Studie zugleich
"One of us is next" ist Highschool-Roman, Krimi, psychologischer Roman und soziale Studie zugleich. Karen M. McManus entwirft auf fast 450 Seiten unzählige Charaktere, Liebesbeziehungen, Freundschaften, Konflikte und Familiendramen mit all ihren Gefühlen, Missverständnissen, Sehnsüchten, Aggressionen und Wünschen.
Die Protagonisten dieses Jugendromans sind - wie auch seine Erzählstruktur - schon aus dem ersten Band von "One of us" bekannt. Doch auch ohne sie zu kennen, ist man schnell vom zweiten Band gefesselt.
Dabei behält die Autorin in dem recht unübersichtlichen Schul- und Vorstadt-Kosmos alle Erzählfäden in der Hand. So werden am Schluss alle Konflikte gelöst, die Täter überführt und für die Guten gibt es ein Happy End.
Du entscheidest, was Du machst
Wie ein Marionettenspieler dirigiert der allwissende, große Unbekannte einzelne Schülerinnen und Schüler per Handy und übt perfiden Psychoterror aus. Sie reagieren total unterschiedlich: Wer "Pflicht" wählt, kann - egal ob Schwachkopf oder Großmaul - zum Helden werden. Wer sich weigert, wird tief gedemütigt.
Das ganze "Spiel" funktioniert aber nur, weil fast alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe das Geschehen atemlos im Internet verfolgen - ohne Publikum keine Erpressung. Dahinter stecken Sensationslust, Gehässigkeit, Aggressionen und Rachegefühle.
Das Misstrauen wächst, gute Beziehungen zerbrechen. Doch es gibt auch Jugendliche, die Mitgefühl, Verständnis und Hilfsbereitschaft gegenüber den Geschädigten entwickeln und die sich wehren.
Das ist spannend gemacht, wirkt auf Dauer allerdings eher routiniert als raffiniert. Die verschiedenen Typen und Charaktere sind eher plakativ und eindimensional konstruiert als subtil oder differenziert.
Scharfe Kritik an digitalen Medien
Überzeugend ist allerdings, wie genau die Autorin die verheerende Rolle der digitalen Technologien verfolgt: Ohne Internetforen, Apps, SMS, Screenshots und Postings liefe hier gar nichts. Die schrecklichen Ereignisse basieren auch auf der allgemeinen Abhängigkeit von Mobilfunktechnologien und Netzwerksystemen. "Diese ganzen sozialen Medien sind zum Kotzen" heißt es einmal. Deutlicher kann ein Jugendroman kaum sein!