Karikatur der Schickeria
Vor 20 Jahren überraschte der Autor und Regisseur Helmut Dietl das deutsche Fernsehpublikum mit der ersten Folge von "Kir Royal". In der Serie wurde die Münchner Schickeria deftig karikiert. Mitglieder dieser Gesellschaft hätten zunächst sogar gedroht, erinnerte sich Dietl. Nach dem Erfolg sei das Ergebnis ein anders gewesen: Die, die nicht vorgekommen seien, seien beleidigt gewesen.
Matthias Hanselmann: Heute vor 20 Jahren, am 22. September '86, lief die erste Folge von insgesamt sechs Ausgaben von "Kir Royal" im deutschen Fernsehen. Sie hieß "Wer reinkommt, ist drin", und das hieß: in die Klatschkolumne von Baby Schimmerlos. Wir begrüßen den Mann, der sich das Ganze damals ausgedacht hat, guten Tag, Helmut Dietl. Wissen Sie noch, wie Sie sich gefühlt haben, als die erste Folge ausgestrahlt wurde?
Helmut Dietl: Ja, ich habe mich - so ganz genau weiß ich es nicht mehr, ich weiß nur, dass damals in Bayern Wahlen waren, ungefähr zum gleichen Zeitpunkt. Und da das bei manchen Herrschaften nicht so auf allzu große Gegenliebe stieß, habe ich nur gefürchtet, dass auch irgendeiner auf die Idee kommt, vielleicht es doch noch irgendwie zu verbieten oder dass vielleicht der Bayerische Rundfunk aussteigt. Was sogar im Raume stand, wegen einer Szene in einem Beichtstuhl in einer Folge, die - um die wurde heftigst gerungen -, ich habe sie dann auch teilweise entfernt, um die Gefühle der bayerischen Katholiken nicht zu verletzen.
Hanselmann: Aha. Also doch. Das wollte ich nämlich sowieso fragen.
Dietl: Ja, ja, das stimmt.
Hanselmann: Hatten Sie den Stoff eigentlich angeboten beim Bayerischen Fernsehen? Letztlich ist er ja vom WDR produziert worden?
Dietl: Ne, ne, ich habe ihn beim Bayerischen Fernsehen gar nicht angeboten. Also das kam auch wahrscheinlich erschwerend hinzu. Also ich meine, zunächst waren sie froh, dass sie nichts damit zu tun hatten. Hinterher, als es ein großer Erfolg war, waren sie dann, waren sie mir beleidigt, dass ich es ihnen nicht angeboten hatte. Es war so: Ich war in einer losen Verabredung mit meinem Freund Klammroth im WDR und sagte: "Wenn ich Zeit habe" - weil ich habe damals an einem großen Filmprojekt, "Die unendliche Geschichte", gearbeitet, aus dem ich dann ausgestiegen bin -, "wenn ich Zeit habe, dann mache ich was für den WDR." Weil die wollten immer mit mir was machen. Dann habe ich ihn, als ich da ausgestiegen bin, angerufen und habe gesagt: "Jetzt sieht es so aus, als hätte ich Zeit." Dann sagt er: "Prima", kam nach München und wir gingen in der Nähe meines damaligen Büros in ein Café - das war schon genau das Café Extrablatt von Michael Graeter, setzten uns dahin und dann sagte er: "Was soll es denn sein?" "Da gibt es eine Geschichte über einen Klatschkolumnisten." Sagt er: "Wie soll es denn heißen?" Das wusste ich natürlich nicht und ich schlug diese Getränkekarte auf und ganz oben stand: Kir Royal. Und da sagte ich: "Kir Royal."
Hanselmann: Helmut Dietl, die Zeit schien irgendwie reif gewesen zu sein für eine so scharfe, satirische Serie wie "Kir Royal". Was war das für eine Atmosphäre in Deutschland damals, vor 20 Jahren?
Dietl: Ob die Zeit jetzt da gerade reif war, weiß ich nicht. Ich habe über so was nicht nachgedacht. Sondern ich bin ja - wie soll ich sagen? -, ich bin ja ein Autorenfilmer und mache eigentlich immer nur meine eigenen Sachen und sagen wir das, was mich gerade interessiert. Jetzt weiß ich nicht, ob, sagen wir mal, die Zeitläufe dazu beigetragen haben, dass mich das gerade interessiert hat. Ich glaube es auch noch nicht mal, weil ich mich damit schon länger beschäftigt hatte. Ich wollte das eigentlich immer machen. Weil ich war ja eine zeitlang sehr viel unterwegs - später dann nicht mehr, weil dann hing mir das alles zum Hals raus, diese Gesellschaft - und kannte diese Gesellschaft dadurch sehr gut. Ich dachte, das ist ein guter Gegenstand, Gesellschaft zu beschreiben und Gesellschaft kritisch zu beschreiben.
Hanselmann: Ja wie war das denn überhaupt? Sie haben ja die Münchner Schickeria vor allen Dingen deftig karikiert. Jetzt haben Sie mir gerade erzählt …
Dietl: … Ja, ich meine … Sagen wir mal so: Das stimmt. Aber ich habe sie eigentlich zum Vorwand genommen, um überhaupt ein mehr oder minder sozusagen ein Bild der Zeit zu entwerfen. Also so, wie sie sich mir in München dargestellt hat.
Hanselmann: Wie hat denn die "Bussi-Bussi-Gesellschaft" auf "Kir Royal" reagiert?
Dietl: Na ja, also es war so, also zuerst haben gewisse Leute so schon versteckt angedroht, dass, wenn sie da vorkommen, also da werden sie sich dagegen wehren. Und dann, das Ergebnis war aber dann ein anderes: Dass eigentlich die beleidigt waren, die nicht vorkamen.
Hanselmann: Die Besetzungsliste, die liest sich wie ein "Who is who" des deutschen Films und Fernsehens der damaligen Zeit: von Ruth Maria Kubitschek über Mario Adorf, Senta Berger, Dieter Hildebrandt, um nur ein paar wenige zu nennen, die dabei waren. Und Franz Xaver Kroetz. Der wurde allerdings durch die Serie erst ein Fernsehstar. Helmut Dietl, wie sind Sie auf ihn gekommen damals?
Dietl: Ja das ist auch eine - ich versuch es kurz zu fassen -, das ist eine längere Geschichte. Also das war so: Ich habe lange gesucht und habe mich dann für einen Schauspieler entschlossen - dessen Namen ich jetzt aber auch nicht nennen will -, mit dem habe ich dann angefangen zu drehen. Mit dem habe ich dann 14 Tage gedreht und dann stellte sich heraus: Das war der Falsche. Also jedenfalls aus meiner Sicht. Also er, es gelang nicht, den da so hinzukriegen, wo ich ihn hin wollte. Und dann haben wir nach 14 Tage das Ganze gestoppt, dann hatte ich niemanden. Das war eine größere Katastrophe, vor allen Dingen weil ich ja auch der Produzent zusammen mit jemand anderem war in diese Angelegenheit. Dann habe ich also verzweifelt gesucht, weil das Team stand, alles stand, alles musste bezahlt werden. Ich wusste niemanden, habe in meiner Verzweiflung mit mir selbst Probeaufnahmen gemacht und dachte, wenn alle Stricke reißen, vielleicht spiele ich es dann selbst. Dann hat meine französische Frau gesagt damals: "Mach das nischt, mein Libbling, du bist so unsimpattisch." Und habe dann einen gefunden, der ein noch größerer Unsympath ist, wenn man so will, das war der Franz Xaver Kroetz, den habe ich - ich habe viele Filme da angeschaut, rund um die Uhr, tausende, da haben mir meine Assistenten alle möglichen Filme gebracht mit irgendwelchen Schauspielern - und da habe ich dann den Franz Xaver Kroetz in einer kleinen Rolle gesehen. Die war gar nicht, also die hatte überhaupt nichts mit Baby Schimmerlos irgendwas zu tun. Da hatte er irgend so einen Bauern gespielt oder so. Aber ich sah irgendwas in seinen Augen, da dachte ich: Das ist er!
Hanselmann: Und es hat sich rausgestellt: Das war die Optimalbesetzung.
Dietl: Habe sofort angerufen bei dem, der war zufällig gerade da, saß in Traunstein in seinem Landhaus und hat sich gelangweilt. Dann habe ich meinen Mitarbeiter Kurt Raab da hinausgeschickt, mit dem Drehbuch. Und habe mit Franz Xaver geredet, habe gesagt also: "Lies es!" Sagt er: "Ja wann tät's denn losgehen?" Dann sage ich: "Jetzt." Das war an einem Freitag. Da sagt er: "Was heißt "jetzt"?" Da sage ich: "Montag." Und da hat er es gelesen und er fand es toll. Und am Montag haben wir gedreht.
Hanselmann: Der Rest ist Geschichte. Helmut Dietl, ich muss unbedingt was fragen: Sie haben "Kir Royal" genauso wie davor den "Monaco Franze" gemeinsam mit ihrem Freund Patrick Süskind geschrieben …
Dietl: … Teilweise. Bei "Kir Royal" war es so: Ich hatte … Patrick wollte zuerst gar nicht mitmachen. Dann habe ich zwei Folgen alleine gemacht, nämlich "Das Volk sieht nichts" und "Adieu Claire", die habe ich dann gedreht und habe sie ihm gezeigt. Dann gefiel es ihm so gut, dann hat er gesagt, da macht er jetzt auch mit. So war's.
Hanselmann: Gut, ist dieser Teil auch geklärt. Aber Ihre Zusammenarbeit mit Süskind ist ja doch recht konstant gewesen: "Monaco Franze", "Kir Royal", "Rossini", zuletzt waren Sie Co-Autoren des Films "Vom Suchen und Finden der Liebe" …
Dietl: Genau, da war er auch als Co-Autor beteiligt, völlig richtig.
Hanselmann: Jetzt ist er gerade wieder in aller Munde durch die Verfilmung seines Welthits "Das Parfum". Sie haben den Film sicher schon gesehen, oder?
Dietl: Ja.
Hanselmann: Und? Wie finden Sie ihn?
Dietl: Na ja, wissen Sie, jetzt muss ich mal Folgendes sagen. Also ich meine, das ist ein, erst einmal ist das wirklich eine große und großartige Unternehmung. Jetzt ist aber bei mir folgendes Problem: Ich habe ja die Entstehung … ich meine, ich bin ja mit dem Patrick, das ist ja mein engster Freund, der Patrick Süskind. Und mein zweitengster ist Bernd Eichinger.
Hanselmann: Ich hatte mich eben schon seit Jahren gefragt: Wieso macht eigentlich der Helmut Dietl nicht "Das Parfum"? Und endlich kann ich Sie das mal persönlich fragen. Warum hat Süskind die Verfilmung nicht Ihnen gegeben?
Dietl: Na, die wollte ich nicht.
Hanselmann: Warum nicht?
Dietl: Das hätte ich nicht gekonnt. Das ist nie, das ist nicht … ich habe in meinem Leben nicht Literatur verfilmt. Also höchstens meine eigene. Also, ne, ne, das war … Es hat mich auch … Also ich fand das Buch großartig. Das ist gar keine Frage. Und wie gesagt ich habe die Entstehung des Buches miterlebt. Also als noch gar keiner was wusste davon. Ich fand es großartig, aber das wäre für mich nichts gewesen. Ich bin ein Komödien-Regisseur und -Schreiber. Also ich meine, ich kann nicht so, könnte so schwere Dramen, das könnte ich, das würde ich nicht wollen. War überhaupt nicht das Thema.
Hanselmann: Gut. Und …
Dietl: Deshalb haben wir nie … sondern wir haben natürlich, wir haben schon über Verfilmung mal gesprochen und dann, wie gesagt, kamen wir gemeinsam auf die Idee, also den Kubrick zu fragen. Haben wir auch dann getan. Und Kubrick hat dann es gelesen, fand es auch ganz toll, wollte sich aber nicht mehr mit dieser Epoche, die im weitesten Sinn für ihn also sozusagen durch "Barry Lyndon" eigentlich abgeschlossen war, wollte er sich nicht mehr bewegen. Und arbeitete damals schon an dieser Schnitzler-Verfilmung. Also so war's.
Hanselmann: Jetzt haben wir eine ganz große Reihe filmhistorischer Fragen geklärt - und Spaß gehabt haben wir auch dabei. Danke schön, Helmut Dietl. Und noch mal Gratulation zu 20 Jahre "Kir Royal" und schönen Tag noch.
Dietl: Ich danke Ihnen herzlich, Wiederschauen.
Helmut Dietl: Ja, ich habe mich - so ganz genau weiß ich es nicht mehr, ich weiß nur, dass damals in Bayern Wahlen waren, ungefähr zum gleichen Zeitpunkt. Und da das bei manchen Herrschaften nicht so auf allzu große Gegenliebe stieß, habe ich nur gefürchtet, dass auch irgendeiner auf die Idee kommt, vielleicht es doch noch irgendwie zu verbieten oder dass vielleicht der Bayerische Rundfunk aussteigt. Was sogar im Raume stand, wegen einer Szene in einem Beichtstuhl in einer Folge, die - um die wurde heftigst gerungen -, ich habe sie dann auch teilweise entfernt, um die Gefühle der bayerischen Katholiken nicht zu verletzen.
Hanselmann: Aha. Also doch. Das wollte ich nämlich sowieso fragen.
Dietl: Ja, ja, das stimmt.
Hanselmann: Hatten Sie den Stoff eigentlich angeboten beim Bayerischen Fernsehen? Letztlich ist er ja vom WDR produziert worden?
Dietl: Ne, ne, ich habe ihn beim Bayerischen Fernsehen gar nicht angeboten. Also das kam auch wahrscheinlich erschwerend hinzu. Also ich meine, zunächst waren sie froh, dass sie nichts damit zu tun hatten. Hinterher, als es ein großer Erfolg war, waren sie dann, waren sie mir beleidigt, dass ich es ihnen nicht angeboten hatte. Es war so: Ich war in einer losen Verabredung mit meinem Freund Klammroth im WDR und sagte: "Wenn ich Zeit habe" - weil ich habe damals an einem großen Filmprojekt, "Die unendliche Geschichte", gearbeitet, aus dem ich dann ausgestiegen bin -, "wenn ich Zeit habe, dann mache ich was für den WDR." Weil die wollten immer mit mir was machen. Dann habe ich ihn, als ich da ausgestiegen bin, angerufen und habe gesagt: "Jetzt sieht es so aus, als hätte ich Zeit." Dann sagt er: "Prima", kam nach München und wir gingen in der Nähe meines damaligen Büros in ein Café - das war schon genau das Café Extrablatt von Michael Graeter, setzten uns dahin und dann sagte er: "Was soll es denn sein?" "Da gibt es eine Geschichte über einen Klatschkolumnisten." Sagt er: "Wie soll es denn heißen?" Das wusste ich natürlich nicht und ich schlug diese Getränkekarte auf und ganz oben stand: Kir Royal. Und da sagte ich: "Kir Royal."
Hanselmann: Helmut Dietl, die Zeit schien irgendwie reif gewesen zu sein für eine so scharfe, satirische Serie wie "Kir Royal". Was war das für eine Atmosphäre in Deutschland damals, vor 20 Jahren?
Dietl: Ob die Zeit jetzt da gerade reif war, weiß ich nicht. Ich habe über so was nicht nachgedacht. Sondern ich bin ja - wie soll ich sagen? -, ich bin ja ein Autorenfilmer und mache eigentlich immer nur meine eigenen Sachen und sagen wir das, was mich gerade interessiert. Jetzt weiß ich nicht, ob, sagen wir mal, die Zeitläufe dazu beigetragen haben, dass mich das gerade interessiert hat. Ich glaube es auch noch nicht mal, weil ich mich damit schon länger beschäftigt hatte. Ich wollte das eigentlich immer machen. Weil ich war ja eine zeitlang sehr viel unterwegs - später dann nicht mehr, weil dann hing mir das alles zum Hals raus, diese Gesellschaft - und kannte diese Gesellschaft dadurch sehr gut. Ich dachte, das ist ein guter Gegenstand, Gesellschaft zu beschreiben und Gesellschaft kritisch zu beschreiben.
Hanselmann: Ja wie war das denn überhaupt? Sie haben ja die Münchner Schickeria vor allen Dingen deftig karikiert. Jetzt haben Sie mir gerade erzählt …
Dietl: … Ja, ich meine … Sagen wir mal so: Das stimmt. Aber ich habe sie eigentlich zum Vorwand genommen, um überhaupt ein mehr oder minder sozusagen ein Bild der Zeit zu entwerfen. Also so, wie sie sich mir in München dargestellt hat.
Hanselmann: Wie hat denn die "Bussi-Bussi-Gesellschaft" auf "Kir Royal" reagiert?
Dietl: Na ja, also es war so, also zuerst haben gewisse Leute so schon versteckt angedroht, dass, wenn sie da vorkommen, also da werden sie sich dagegen wehren. Und dann, das Ergebnis war aber dann ein anderes: Dass eigentlich die beleidigt waren, die nicht vorkamen.
Hanselmann: Die Besetzungsliste, die liest sich wie ein "Who is who" des deutschen Films und Fernsehens der damaligen Zeit: von Ruth Maria Kubitschek über Mario Adorf, Senta Berger, Dieter Hildebrandt, um nur ein paar wenige zu nennen, die dabei waren. Und Franz Xaver Kroetz. Der wurde allerdings durch die Serie erst ein Fernsehstar. Helmut Dietl, wie sind Sie auf ihn gekommen damals?
Dietl: Ja das ist auch eine - ich versuch es kurz zu fassen -, das ist eine längere Geschichte. Also das war so: Ich habe lange gesucht und habe mich dann für einen Schauspieler entschlossen - dessen Namen ich jetzt aber auch nicht nennen will -, mit dem habe ich dann angefangen zu drehen. Mit dem habe ich dann 14 Tage gedreht und dann stellte sich heraus: Das war der Falsche. Also jedenfalls aus meiner Sicht. Also er, es gelang nicht, den da so hinzukriegen, wo ich ihn hin wollte. Und dann haben wir nach 14 Tage das Ganze gestoppt, dann hatte ich niemanden. Das war eine größere Katastrophe, vor allen Dingen weil ich ja auch der Produzent zusammen mit jemand anderem war in diese Angelegenheit. Dann habe ich also verzweifelt gesucht, weil das Team stand, alles stand, alles musste bezahlt werden. Ich wusste niemanden, habe in meiner Verzweiflung mit mir selbst Probeaufnahmen gemacht und dachte, wenn alle Stricke reißen, vielleicht spiele ich es dann selbst. Dann hat meine französische Frau gesagt damals: "Mach das nischt, mein Libbling, du bist so unsimpattisch." Und habe dann einen gefunden, der ein noch größerer Unsympath ist, wenn man so will, das war der Franz Xaver Kroetz, den habe ich - ich habe viele Filme da angeschaut, rund um die Uhr, tausende, da haben mir meine Assistenten alle möglichen Filme gebracht mit irgendwelchen Schauspielern - und da habe ich dann den Franz Xaver Kroetz in einer kleinen Rolle gesehen. Die war gar nicht, also die hatte überhaupt nichts mit Baby Schimmerlos irgendwas zu tun. Da hatte er irgend so einen Bauern gespielt oder so. Aber ich sah irgendwas in seinen Augen, da dachte ich: Das ist er!
Hanselmann: Und es hat sich rausgestellt: Das war die Optimalbesetzung.
Dietl: Habe sofort angerufen bei dem, der war zufällig gerade da, saß in Traunstein in seinem Landhaus und hat sich gelangweilt. Dann habe ich meinen Mitarbeiter Kurt Raab da hinausgeschickt, mit dem Drehbuch. Und habe mit Franz Xaver geredet, habe gesagt also: "Lies es!" Sagt er: "Ja wann tät's denn losgehen?" Dann sage ich: "Jetzt." Das war an einem Freitag. Da sagt er: "Was heißt "jetzt"?" Da sage ich: "Montag." Und da hat er es gelesen und er fand es toll. Und am Montag haben wir gedreht.
Hanselmann: Der Rest ist Geschichte. Helmut Dietl, ich muss unbedingt was fragen: Sie haben "Kir Royal" genauso wie davor den "Monaco Franze" gemeinsam mit ihrem Freund Patrick Süskind geschrieben …
Dietl: … Teilweise. Bei "Kir Royal" war es so: Ich hatte … Patrick wollte zuerst gar nicht mitmachen. Dann habe ich zwei Folgen alleine gemacht, nämlich "Das Volk sieht nichts" und "Adieu Claire", die habe ich dann gedreht und habe sie ihm gezeigt. Dann gefiel es ihm so gut, dann hat er gesagt, da macht er jetzt auch mit. So war's.
Hanselmann: Gut, ist dieser Teil auch geklärt. Aber Ihre Zusammenarbeit mit Süskind ist ja doch recht konstant gewesen: "Monaco Franze", "Kir Royal", "Rossini", zuletzt waren Sie Co-Autoren des Films "Vom Suchen und Finden der Liebe" …
Dietl: Genau, da war er auch als Co-Autor beteiligt, völlig richtig.
Hanselmann: Jetzt ist er gerade wieder in aller Munde durch die Verfilmung seines Welthits "Das Parfum". Sie haben den Film sicher schon gesehen, oder?
Dietl: Ja.
Hanselmann: Und? Wie finden Sie ihn?
Dietl: Na ja, wissen Sie, jetzt muss ich mal Folgendes sagen. Also ich meine, das ist ein, erst einmal ist das wirklich eine große und großartige Unternehmung. Jetzt ist aber bei mir folgendes Problem: Ich habe ja die Entstehung … ich meine, ich bin ja mit dem Patrick, das ist ja mein engster Freund, der Patrick Süskind. Und mein zweitengster ist Bernd Eichinger.
Hanselmann: Ich hatte mich eben schon seit Jahren gefragt: Wieso macht eigentlich der Helmut Dietl nicht "Das Parfum"? Und endlich kann ich Sie das mal persönlich fragen. Warum hat Süskind die Verfilmung nicht Ihnen gegeben?
Dietl: Na, die wollte ich nicht.
Hanselmann: Warum nicht?
Dietl: Das hätte ich nicht gekonnt. Das ist nie, das ist nicht … ich habe in meinem Leben nicht Literatur verfilmt. Also höchstens meine eigene. Also, ne, ne, das war … Es hat mich auch … Also ich fand das Buch großartig. Das ist gar keine Frage. Und wie gesagt ich habe die Entstehung des Buches miterlebt. Also als noch gar keiner was wusste davon. Ich fand es großartig, aber das wäre für mich nichts gewesen. Ich bin ein Komödien-Regisseur und -Schreiber. Also ich meine, ich kann nicht so, könnte so schwere Dramen, das könnte ich, das würde ich nicht wollen. War überhaupt nicht das Thema.
Hanselmann: Gut. Und …
Dietl: Deshalb haben wir nie … sondern wir haben natürlich, wir haben schon über Verfilmung mal gesprochen und dann, wie gesagt, kamen wir gemeinsam auf die Idee, also den Kubrick zu fragen. Haben wir auch dann getan. Und Kubrick hat dann es gelesen, fand es auch ganz toll, wollte sich aber nicht mehr mit dieser Epoche, die im weitesten Sinn für ihn also sozusagen durch "Barry Lyndon" eigentlich abgeschlossen war, wollte er sich nicht mehr bewegen. Und arbeitete damals schon an dieser Schnitzler-Verfilmung. Also so war's.
Hanselmann: Jetzt haben wir eine ganz große Reihe filmhistorischer Fragen geklärt - und Spaß gehabt haben wir auch dabei. Danke schön, Helmut Dietl. Und noch mal Gratulation zu 20 Jahre "Kir Royal" und schönen Tag noch.
Dietl: Ich danke Ihnen herzlich, Wiederschauen.