"Ich halte das Zeichnen für eine großartige Sprache"
05:03 Minuten
Die Cartoon-Aktivistin Sara Qaed aus Bahrain bekam den 19. Ibn-Rushd-Preis. Damit werden Menschen ausgezeichnet, die sich für das freie Denken in der arabischen Welt einsetzen. Ihre Bilder beschäftigen sich mit Migration, Frauen und Korruption.
Samstagnachmittag in der Arabischen Bibliothek in Berlin. Sara Qaed erklärt in einem Workshop ihre Karikaturen. Am Abend zuvor hat die 29-Jährige im schwarzen Hijab den Ibn-Rushd-Preis für freies Denken in der arabischen Welt erhalten:
"Als ich als Karikaturistin anfing, habe ich nicht lang darüber nachgedacht, ob ich eine Frau bin, ob ich verschleiert, braun oder gelb bin. Ich halte das Zeichnen für eine großartige Sprache, um mit anderen Menschen zu kommunizieren."
Entsetzt nach einem islamistischen Anschlag
Sara Qaed, 1990 in Bahrain geboren, studierte Innenarchitektur und bildende Kunst, bevor sie vor zehn Jahren begann, als Karikaturistin zu arbeiten. Zunächst für eine lokale Wochenzeitung, später auch für Zeitungen in anderen arabischen Ländern.
Nach dem Attentat von Islamisten auf die Redaktion des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo" im Januar 2015 zeichnete sie einen Cartoon, den sie "Im Namen Gottes" betitelte. Zu sehen sind: ein Israeli in einem Panzer, also ein Jude, der auf einen Palästinenser schießt; ein amerikanischer Soldat, der in Abu Ghraib einen vermeintlichen muslimischen Terroristen foltert; und ein Islamist, der einem "Ungläubigen" den Hals durchschneidet.
"Obwohl ich Muslimin und verschleiert bin und den Propheten respektiere, war ich entsetzt über den Anschlag. So viele Menschen wurden ermordet – nur wegen einer Zeichnung. Karikaturisten müssen nicht verstehen, was ein Prophet für andere Menschen bedeutet. Diese Menschen aber müssen tolerieren, dass das ihre Art und Kultur ist, Witze zu machen. Und wenn sie etwas dagegen haben, friedliche Mittel finden, ihr Missfallen zu äußern."
Zugleich vertritt Sara Qaed die Ansicht, dass im Westen mit zweierlei Maß gemessen würde: Während auch Politiker und Politikerinnen sich entsetzt zeigten über die Bluttat von Paris, hätten sie wenig unternommen, um die unzähligen Toten in Syrien, im Irak und in Afghanistan zu verhindern. Auch würde Israel noch immer bedingungslos unterstützt. Diese Ungerechtigkeiten hätten den Zorn vieler Muslime über die Mohammed-Karikaturen befeuert.
Vielfältige Themen in den Cartoons
Sara Qaeds eigene Cartoons, die sie bei ihrem Workshop in Berlin zeigt, kreisen um die Themen Migration, Frauen, Korruption und Macht. In einer Zeichnung ist eine Frau auf einem Brett festgeschnallt. Man sieht, wie Hände sie bearbeiten: Eine Hand legt ihr ein Tuch um den Kopf, eine andere lackiert ihre Fingernägel, die dritte vermisst die Länge ihrer Beine. Daneben sitzt eine Person, die auf den ersten Blick als Mann erscheint und alles überwacht.
"Ich halte die Figur für geschlechtslos. Im realen Leben kann sie ein Mann sein oder eine Frau. Diese Vorgaben für eine bestimmte Figur, einen Kleidungsstil oder einen bestimmten Look – die können von der Familie stammen, von der Gesellschaft, vom Arbeitsplatz. Oder sie sind kulturell oder religiös normiert. Oder durch die Politik. Für mich bedeutet dieser Zwang, dass Frauen als Objekt gesehen werden und so versucht wird, sie als Produkt zu vermarkten."
Sara Qaed hat nach eigener Beschreibung einen solchen Zwang nie erlebt. Sie selbst hätte als Mädchen entschieden, einen Hijab zu tragen. So wie ihre Mutter und ihre ältere Schwester. Die Mutter sei ihr großes Vorbild, meint sie:
"Sie hat mich gelehrt, dass man Freundlichkeit und Kraft zugleich leben kann. Auch dass man nie schweigen darf, wenn man andere Menschen leiden sieht. Und wenn ich mich für etwas entscheide, sollte ich mein Bestes geben."
Mit ihrem Ehemann, der Musiker und Designer ist, und ihrem dreijährigen Sohn lebt Sara Qaed inzwischen im britischen Newcastle. Auf die Frage, ob sie wegen ihrer Cartoons schon einmal in arabischen Ländern Probleme gehabt hätte, antwortet sie ausweichend:
"Überall in der arabischen Welt gibt es Zensur. Und wenn es die Schere im eigenen Kopf ist. Menschen kommen ins Gefängnis, werden gefoltert, sogar getötet. In Syrien haben sie einem Karikaturisten alle Finger gebrochen. Auch mit ihnen solidarisiere ich mich mit meinen Cartoons. Niemand darf zensiert werden, nur weil er ein Bild zeichnet oder seine Meinung sagt."