Karl Heinz Bohrer: Jetzt. Geschichte meines Abenteuers mit der Phantasie
Suhrkamp, 542 Seiten, 26 Euro
Faszination fürs Plötzliche
28:18 Minuten
"Jetzt" hat der Publizist Karl Heinz Bohrer den zweiten Teil seiner Autobiografie genannt. Darin entwirft er ein Diskurspanorama der Bundesrepublik ab den späten 1960er-Jahren und erklärt seine Faszination für die Revolution um der Revolution willen.
"Jetzt" hat der Literaturwissenschaftler und Publizist Karl Heinz Bohrer den zweiten Teil seiner Autobiografie genannt. Darin schreibt er seine Lebensgeschichte bis in die Gegenwart fort und entwirft nebenbei ein Diskurspanorama der Bundesrepublik seit den späten 1960er-Jahren.
Bewunderung für die Studentenrevolte
Damals sei er als junger Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nach Berlin gegangen, um über die Studentenrevolte zu berichten, erinnerte sich Bohrer im Deutschlandradio Kultur. Er habe die Ziele der radikalen Studenten zwar abgelehnt, aber deren Erscheinung und intellektuelles Format sehr bewundert. "Und da habe ich einfach mir gesagt: Beschreib sie so, wie sie sind. Du brauchst ja nicht unbedingt die Revolution zu empfehlen, höchstens indirekt. Man kann ja für die Revolution sein um der Revolution willen, nicht unbedingt um aller sozialen Ziele der Revolution."
Bevor diese Terroristin wurde, habe er auch Ulrike Meinhof sehr häufig getroffen. "Ihre Sehnsucht, ihre Suche nach einer Veränderung der sozialen Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik habe ich immer politisch als sehr naiv verstanden, aber gleichzeitig als sehr verständlich psychologisch bei so einer intelligenten Frau", sagt Bohrer.
"Ich glaube, dass wir uns nur verstanden – denn ich war für sie ja doch eigentlich ein Reaktionär, ein übler asozialer Träumer, der sie überhaupt nicht begriff und dem auch eigentlich die Gesellschaftsordnung völlig gleichgültig war. Darüber sprachen wir auch. Aber in ihr steckte eben viel, viel mehr. In ihr steckte eine fast religiös motivierte Form, das, was da ist, nicht zu akzeptieren. Wahrscheinlich mit gutem Recht."
Den Titel seines Buches, "Jetzt", verdankt Bohrer übrigens Kafka. Dieser habe einmal gesagt: "Sich nicht hündisch umlaufen und belauern, sondern nur Jetzt sein. Das war mein Credo."