Erinnern Sie sich? Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre, aber es war Ende der 80er Jahre. Damals habe ich mich nämlich unsterblich verliebt in…

Filmszene: "Man nennt mich Old Shatterhand.“

Täglich verfasste ich Liebesbriefe an ihn. Dass Old Shatterhand mir nie antwortete, hat mich schon ein bisschen verunsichert.
Die Erklärungsversuche des Postboten fand ich damals reichlich absurd: Old Shatterhand hieße in Wirklichkeit Lex Barker, könne gar kein Deutsch und sei schon lange tot. Heute weiß ich, dass ich mich damals nicht nur in Old Shatterhand verliebt habe, sondern ins Kino.

Beim Wiedersehen der Filme heute sehe ich ein deutsches Nachkriegskino, das, wie es der Produzent Horst Wendlandt einmal versuchte auf den Punkt zu bringen, irgendwie typisch deutsch ist, ohne deutsch zu sein, genauso wie die literarischen Vorlagen des Verfassers Karl May. 1962 brechen Winnetou und Old Shatterhand zu ihrem ersten gemeinsamen Leinwandabenteuer "Der Schatz im Silbersee" auf und galoppieren, ohne es zu ahnen, geradewegs in die erfolgreichste deutsche Kinofilm-Serie aller Zeiten hinein.

In dem amerikanischen Schauspieler Lex Barker und dem Franzosen Pierre Brice findet der Produzent Horst Wendlandt die Idealbesetzung für Old Shatterhand und Winnetou. Das Drehbuch orientiert sich grob an der literarischen Vorlage, für weitere Rollen werden Götz George, Marianne Hoppe und Karin Dor verpflichtet, die Prärie wird aus Produktionsgründen nach Kroatien verlegt, der Bergfilmer Harald Reinl übernimmt die Regie, und der Filmkomponist Martin Böttcher soll als deutscher Ennio Morricone für eingängige Melodien sorgen. Fertig ist "Der Schatz im Silbersee", eine durchaus selbstironische Melange aus Heimatfilm und Western, der sensationelle 6,4 Millionen DM einspielt. 16 Karl-May-Filme werden insgesamt von Horst Wendlandts Rialto Film und Arthur Brauners CCC Filmkunst produziert. Das Prinzip ist immer gleich.

Filmszene: "Eure Lordschaft sind mein Gefangener. / Oh, ich bin ein Gefangener! Ach wunderbar, das ist ja ein fabelhaftes Abenteuer!"

Ein Abenteuer ist garantiert, ob im wilden Kurdistan, unter Geiern, im Reich des silbernen Löwen, in der Pyramide des Sonnengottes oder im Tal der Toten. Regie führen unter anderen Harald Reinl, Alfred Vohrer, Georg Marischka oder Robert Siodmak. Während Lex Barker als Kara Ben Nemsi oder Dr. Sternau nach Mexiko oder in den Orient reisen darf, muss Pierre Brice in der Prärie bleiben und bekommt Stewart Granger als Old Shurehand oder Rod Cameron als Old Firehand zur heldenhaften Unterstützung. Als böse Gangster morden, rauben und intrigieren Mario Adorf, Rik Battaglia oder Klaus Kinski, als wehrhafte Frauen greifen Karin Dor, Uschi Glas, Marianne Hoppe oder Marie Versini zu den Waffen, und zur humorvollen Auflockerung, die in keinem Karl May-Film fehlen darf, tragen Ralf Wolter, Heinz Ehrhardt oder Eddie Arendt bei.

Filmszene: "Ich muss hinaus in den wilden Westen, ich will eine noch unentdeckte Pflanze finden, die meinen Namen tragen soll. Herba Casipoolensis Gigantis."

Am Ende siegt natürlich immer das Gute.

Filmszene: "Nachdem auch in dieser Stadt alle Schuldigen ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden, erfüllt es das Gericht mit Freude und Genugtuung, feststellen zu können, dass Major Kingsley in treuer Pflichterfüllung gehandelt hat. Wir verdanken diese Erkenntnis der Opferbereitschaft seiner ebenso ehrenhaften wie tapferen Tochter Mable Kingsley. Im besonderen Maße verdanken wir es aber auch zwei Männern, die immer dort zu finden sind, wo es gilt, das Unrecht zu bekämpfen und dem Recht zum Siege zu verhelfen. Dem Häuptling der Apatschen Winnetou und Old Shatterhand."

Und ach ja, Old Shatterhand stirbt übrigens nie! Und ich, ich bin immer noch verliebt!