Karl Ove Knausgard: "Träumen"
Luchterhand Verlag, München 2015
793 Seiten, 24,99 Euro
Genial banal
Der Norweger Karl Ove Knausgard schreibt schonungslos über sich und andere. Jetzt ist der fünfte Band seines autobiografischen Mammutwerks erschienen. Das Buch hat unsere Kritiker entzweit.
Einen vergleichbaren Hype erlebt die Literaturwelt nur selten. Karl Ove Knausgard hält mit seiner sechsbändigen, tausende Seiten starken Autobiografie Leserschaft und Kritik überall auf der Welt in Atem. Inzwischen gibt es sogar überzeugte "Knausgardianer" wie unseren Literatur-Redakteur Kolja Mensing. Besonders der zweite Band, in dem der norwegische Schriftsteller seine Familiengründung schildert, hat ihn für Knausgard eingenommen:
"Er beschreibt diesen ganzen superstressigen Familienalltag mit kranken Kindern, mit weinenden Kindern und diese heftigen Auseinandersetzungen zwischen Vater und Mutter über die Aufgabenteilung in der Familie, und das war damals so nah an meinem eigenen Alltag, das ich dachte: Hier schreibt ja jemand ganz genau über mich. Das ist ja mein Leben!"
"Intime Leseerfahrung": Alle wollen über Knausgard reden
Dieser Eindruck habe sich dann beim Lesen der weiteren Bände verstärkt. Mensing spricht von einer "intimen Leseerfahrung": So nah sei ihm Literatur eigentlich noch nicht gekommen. Das "Verrückte" sei zudem, dass nicht nur er, sondern auch viele andere diese Erfahrung machen würden. Es seien Bücher, deren Relevanz nicht durch das Feuilleton behauptet werde, sondern die von allen gelesen werden: "Und alle wollen auch darüber sprechen."
Knausgard pumpt den Alltag schwülstig mit Bedeutung auf
Ein völlig anderes Gefühl für das Knausgardsche Schaffen hat unsere Literatur-Redakteurin Barbara Wahlster. Auf diese Weise mit den eigenen Abgründen umzugehen sei eigentlich banal, findet sie. Knausgard pumpe den Alltag mit Bedeutung auf - Geschirrspülen werde bei ihm zu einer existentiellen Tätigkeit. Die Sprache von Knausgard sei überdies "schwülstig" und "bürokratisch", findet Wahlster.
"Natürlich ist es eine ganz alte Frage der Avantgarde, wie man Kunst und Leben zusammenbringt, versöhnt, beziehungsweise das Alltägliche zur Kunst macht - das Entscheidende ist für mich aber, wo gehen diese Lebensmitschriften hinaus über das Gewöhnliche, wie und wann werden sie zur Kunst? Und ästhetisch befriedigend finde ich Knausgard nicht", so Wahlster.