Karlspreis-Verleihung

Ein Lebenszeichen der Europäischen Union

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (l), der Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz (SPD, M) und Bundespräsident Joachim Gauck nach der Verleihung des Internationalen Karlspreises an Schulz.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (l) und der Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz (SPD). © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Moritz Küpper |
Die Probleme der EU wurden bei der Karlspreis-Verleihung in Aachen in seltener Offenheit angesprochen, meint Moritz Küpper. Deshalb habe es nicht nur eine festliche Zeremonie gegeben, sondern auch eine Botschaft, die hoffentlich über den Tag hinaus stehen bleibe.
Für die Einheit Europas! So steht es überall, wo für den Internationalen Karlspreis zu Aachen geworben wird. Es ist die Gründungsidee der Auszeichnung: Seit 1950 - also seit 65 Jahren - wird dieser Preis nun verliehen. Es sind die Jahrzehnte, in denen, dass machte der heutige Preisträger, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, in seiner Rede auch deutlich, das Haus Europa geplant, gebaut und bezogen wurde.
Doch seit einigen Jahren, wenn nicht vielleicht sogar mittlerweile Jahrzehnten, beherrscht eine immer deutlich werdende und immer schwerer zu ertragende Desillusionierung den Kontinent. Die gemeinsame Europäische Union, sie umfasst mittlerweile 28 Staaten. In Zeiten der Billigfluglinien und gemeinsamen Währung kennen viele Menschen bereits keine Grenzen mehr.
Die Einheit Europas, wie sie in Aachen Jahr für Jahr beworben wird, sie ist Normalität geworden. Das ist schön - hatte aber auch den unangenehmen Nebeneffekt, dass für diese Normalität niemand mehr eintreten möchte.
Das wurde in den letzten Jahren auch in Aachen sehr deutlich: Denn während hier im Dreiländer-Eck zwischen Deutschland, den Niederlanden und Belgien weiterhin die europäische Idee beschworen wurde, schien diese Botschaft "draußen", bei den Mitgliedsstaaten und deren Bürgern, immer weniger anzukommen.
Europäische Normalität auf dem Prüfstand
Erst recht, als es in den letzten Jahren immer komplexer und schwieriger wurde. Dass diese europäische Normalität, wie wir sie kennen, aber aktuell auf dem Prüfstand steht, dass die Euro- und Finanzkrise der EU und seiner heutigen rechtlichen Konstruktion regelmäßig die Grenzen aufzeigt; dass der globalisierte Wettbewerb mit Konkurrenten wie beispielsweise China und den USA, aber keine andere Möglichkeit zulässt, erscheint allen logisch. Genauso, wie diese Fragen, auch Antworten brauchen.
Doch die einzelnen Mitgliedsstaaten und ihre Bevölkerungen, sie scheinen sich eher wegducken zu wollen als vorweg zu gehen. Und auch vom Karlspreis, dieser Auszeichnung zur Einheit Europas, gingen zuletzt wenige Impulse aus. Von daher erscheint es nun wie eine glückliche Fügung, dass - exakt 65 Jahre nach seiner Gründung - der Preis an einen überzeugten und vor allem überzeugenden Europäer verliehen werden konnte. Martin Schulz kämpft nicht nur als EU-Parlamentspräsident für kontinentale Lösungen und gegen den Nationalismus, der mit den aktuellen Fragen überfordert ist.
Hochkarätige Besucher
Nein, die Person Schulz mag zwar umstritten sein, weil er auch gerne streitet, doch sie - sowie die aktuelle Lage der EU - sorgten dafür, dass der Karlspreis so hochkarätig besucht war wie lange nicht mehr: Zahlreiche Staats- und Regierungschef kamen nach Aachen, um ein Zeichen zu setzen.
Und sorgten dafür, dass die Preisverleihung - ganz im Sinne Schulz - zu einer politischen Veranstaltung wurde: Nicht nur Bundespräsident Gauck und Frankreichs Staatspräsident Hollande fanden selten deutliche Worte: Angesichts der Kriege weltweit - sei es in Syrien oder Libyen, dem Irak oder der Ukraine - oder eben der drängenden Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen. Beide, ebenso wie Preisträger Schulz, forderten ein größeres Engagement der Bürger für ein gemeinsames Europa - und erteilten nationalistischen Interesse eine Absage.
Die Probleme der EU, sie wurden in Aachen in einer seltenen Offenheit angesprochen. Das führte dazu, dass es im Krönungssaal des Aachener Rathauses nicht nur eine feierlich-festliche Zeremonie gab, sondern eine Botschaft, die - so ist zu hoffen - über diesen Tag hinaus stehen bleibt: Der Karlspreis zu Aachen ist politischer und ein Stück weit mehr beachtet worden, das lässt sich durchaus sagen. Aber damit auch die aktuellen Probleme der EU - und das Drängen nach Lösungen. Wenn dies in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten nicht vergessen, sondern als Handlungsauftrag gesehen wird, dann war es ein guter Tag, heute in Aachen.
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