Partyhits "Olivia" und "Layla"
Schürze mit seinem Song "Layla": Der als sexistisch kritisierte Partyhit war die erfolgreichste deutsche Single des Jahres 2022. © Imago / Bobo
Warum wir gerne mitgrölen
Auf der Mallorca-Party, beim Après-Ski, im Karneval oder auch zu Silvester werden Schlager wie "Olivia" und "Layla" lauthals mitgesungen. Mancher rümpft die Nase, doch es sind erfolgreiche Hits – sie sagen einiges über uns und unsere Bedürfnisse aus.
Wenn der Alkohol die Hirne benebelt und Menschen sich im Partyrudel treffen, wummern aus den Lautsprechern Liedzeilen wie „Wenn deine Mutter wüsste, Olivia, zeigst jedem deine Brüste“, „Hackevoll durch die Nacht, bis ein neuer Tag erwacht“ oder „Ich hab‘ ein Puff und meine Puff-Mama heißt Layla, ist schöner, jünger, geiler“. Hits zum Mitgrölen am Ballermann, beim Après-Ski, auf dem Oktoberfest oder Karneval – auch Partyschlager, Trink- oder Stimmungslieder genannt.
Mit "Olivia" und "Layla" die Sau rauslassen
Es ist einfach, darüber die Nase zu rümpfen – und dass nicht wenige Liedzeilen sexistisch sind, lässt sich kaum bestreiten. Um eine Tatsache kommt man aber nicht herum: Partyschlager sind erfolgreich, auch weil sie bei elementaren menschlichen Bedürfnissen ansetzen – nach Gemeinschaft, nach Freiraum,
nach Ekstase
in einem von Scham befreiten Raum.
Denn wird auf der Bühne bereits „Hackevoll durch die Nacht“ gejohlt, kann man sich auch neben der Bühne kaum noch mehr blamieren. „Zuhause bist du schüchtern, hier bist du niemals nüchtern“, singen die Zipfelbuben in ihrem Song "Olivia". Political Correctness, Alltagssorgen und Krisen-Bibbern – ade. Nun kommen Ingo ohne Flamingo, DJ Düse, Almklausi und Schürze.
Es lohnt sich also, dem belächelten Genre – gerade in Krisenzeiten – Beachtung zu schenken, sagt es doch einiges über unsere eigene Psyche und Bedürfnisse aus. Oder anders gesagt: Letztendlich steckt in jedem von uns ein bisschen Ballermann!
Für die Schlagerparty – alles zum Mitgrölen
Das Rezept für einen Partyhit ist relativ einfach – und gerade deshalb so massenkompatibel: ein Tempo, zu dem jeder gefahrlos mithopsen und mitklatschen kann, zum Stampfbeat dann eine gängige Akkordfolge. Der Sommerhit "Layla" aus dem Jahr 2022 besteht beispielsweise aus vier Akkorden, die stetig wiederholt werden. Auch der Tonumfang ist gering, damit jeder mitsingen und mitgrölen kann. „Das Ganze ist innerhalb einer Oktave komponiert“,
sagt der Musikwissenschaftler Markus Henrik alias Dr. Pop
.
Kurz: Alles ist darauf ausgelegt, dass es möglichst leicht und möglichst laut mitgesungen werden kann. Dabei gibt es noch so einige Tricks: Es geht darum, Lieder immer so anzulegen, „dass die höchste Note von Männern gerade so gesungen werden kann, damit die sich auch schön anstrengen müssen und noch lauter singen“, sagt der Partyschlagerproduzent Michael Rötgens.
Denn: „Je höher man singt, desto lauter singt man eigentlich automatisch.“ Außerdem werden die Lieder stark komprimiert, was den Lautheitseindruck erhöht. Insgesamt müssen die Sounds stadiontauglich sein und vor allem für große Massen funktionieren: Oft hilft dabei eine inszenierte Live-Atmosphäre mit Publikumsgeräuschen, mit einer Ansage vorweg wie auf einem Konzert – und natürlich einem Chor lauter Männerstimmen im Refrain.
Exzess, Alkohol und Sex
Im Text dann jede Menge Reime und Wiederholungen – und Themen wie „Exzess, Alkohol, über die Grenzen gehen“, sagt die Musikwissenschaftlerin Marina Forell. „Saufen, morgens, mittags, abends, ich will saufen“, singt Ingo ohne Flamingo. Und Ikke Hüftgold: „Ole, ole, ole, dicke Titten, Kartoffelsalat.“ Das kann sich jeder auch noch mit mehreren Promille intus merken.
„Für mich ist ein guter Partyschlager ein Titel, der möglichst viele Menschen zum Mitsingen animiert, gute Laune verbreitet und Gemeinschaft schafft“, sagt Michael Rötgens – und das könne ja nicht schlecht sein, findet auch der Komponist und Musikwissenschaftler Simon Mack, der den Song "Saufen" zur barocken Arie umgeschrieben hat: „Gerade auch in Deutschland, einem Land in dem viel zu wenig gesungen wird, bietet dieser Sing-Lust einen Raum. Wo sonst gibt es denn diese Orte, wo ich singen könnte?“
Erst Schlagersänger, dann König von Mallorca
Schon in Barock- und Renaissance-Zeiten habe es Lieder gegeben, die sich mit dem Thema Trinken beschäftigen, sagt der Komponist Mack: Orlando di Lasso Pantalones „Nur närrisch sein ist mein‘ Manier“ oder Arnold von Brucks „So trinken wir alle“ beispielsweise.
Die Anfänge der Partymusik, wie wir sie kennen, liegen aber in den 70er-Jahren, sagt die Musikwissenschaftlerin Marina Forell – mit Songs wie „Fiesta Mexicana“ oder der „Polonäse Blankenese“, zu der sich bis heute Menschenschlangen durch enge Kneipen schieben: „Wir ziehen los mit ganz großen Schritten, und Erwin fasst der Heidi von hinten an die… Schulter.“
Auch Sänger und Sängerinnen des klassischen deutschen Schlagers scheuten irgendwann vor einer Zweitkarriere am Ballermann oder im Oktoberfestzelt nicht mehr zurück. „Das prominenteste Beispiel ist sicherlich Jürgen Drews, der aus dem klassischen deutschen Schlager kam und dann der König von Mallorca wurde“, so Forell.
Party, Party, Party statt Helene Fischer
Auch große Major-Plattenfirmen wie Universal haben das Genre Partyschlager für sich entdeckt. „Weil sie festgestellt haben, da kann man mit einfachen Mitteln, viel Erfolg generieren, während eine Helene Fischer einen irren finanziellen Aufwand braucht, um ein Album zu produzieren“, sagt Schlagerproduzent Michael Rötgens.
Mittlerweile seien die Partyhits als Subgenre des Schlagers extrem erfolgreich, so Rötgens. „Gerade in diesem Jahr ist es ja explodiert. Wir hatten bisher circa 190 Titel in den offiziellen deutschen Charts.“ Mit dabei Songs wie "Olivia". „Der hatte zu seinen Hochzeiten 500.000, 600.000 Streams an einem Tag. Ich würde mal sagen, die haben mit so einem Titel wie 'Olivia' oder 'Layla' jetzt schon ein kleines Häuschen verdient.“
Der Song "Layla" von DJ Robin und Schürze wurde die erfolgreichste deutsche Single des Jahres 2022, und „Saufen, morgens mittags abends“ von Ingo ohne Flamingo erreicht 47 Millionen Youtube-Klicks, erhält eine Goldene Schallplatte – und wird sogar von Schulkindern in Tansania gesungen.
(Quellen: lkn, Christoph Spittler, Deutschlandfunk Kultur)