Karosh Taha: "Im Bauch der Königin"

Minirock oder Kopftuch als Provokation

06:02 Minuten
Das schwarze Cover des Buches zeigt zwei illustriete, untereinander stehende Augen
Karosh Tahas Roman "Im Bauch der Königin" © Dumont / Deutschlandradio
Von Dina Netz |
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Zwei Frauen lehnen sich gegen die Regeln der Männer in ihrem kurdisch-irakischen Umfeld auf. Die eine provoziert durch Freizügigkeit, die andere durch Rückzug. Karosh Taha erzählt aus der Perspektive der nächsten Generation.
Karosh Tahas neuer Roman sieht auf den ersten Blick aus wie ein Fehldruck: "Im Bauch der Königin" hat zwei Titelseiten und keinen hinteren Umschlag mit Klappentext. Erst bei genauerem Hinsehen merkt man, dass es sich um ein Wendebuch handelt: Die Geschichten eines Erzählers und einer Erzählerin treffen sich in der Mitte des Romans. Es gibt niemals nur eine Sicht auf die Dinge, soll diese Gestaltung wohl nahelegen. Genau darum geht es: "Es wäre eine große Ungerechtigkeit, wenn es nur eine Wahrheit gäbe", heißt es einmal im Buch.

Freizügige Mutter als Kraftzentrum der Erzählung

Raffiq und Amal, die beiden Erzählenden, wohnen im selben Viertel einer Ruhrgebietsstadt und stehen an derselben Schule kurz vor dem Abitur. In die eine Richtung des Buches erzählt Raffiq von seiner Freundschaft mit Younes. Younes ist der stärkste Junge bzw. später Jugendliche im Viertel; dennoch ist er ein Außenseiter. Denn seine Mutter Shahira ist geschieden, vergnügt sich mit wechselnden Männern, trägt kurze Röcke und benutzt Lippenstift. In der kurdisch-irakischen Gemeinschaft, in der sie leben, wird dafür nicht nur Shahira selbst, sondern auch ihr Sohn mit Verachtung gestraft.
Raffiq ist, wie die meisten Männer im Viertel, von Shahiras Freizügigkeit und Kompromisslosigkeit fasziniert. Zugleich wirft er ihr vor, ihre Freiheit auf Kosten von Younes auszuleben. Das Kraftzentrum dieser Erzählung ist also eigentlich Shahira – und das ist auch ein bisschen die Schwäche dieses Romanteils: Raffiq selbst bleibt etwas blass.

Frauen lehnen sich gegen Regeln der Männer auf

Anders Amal, die in die andere Buchrichtung von ihrer Freundschaft zu Younes erzählt. Auch sie steht Shahira, der titelgebenden "Königin", ambivalent gegenüber, gewinnt aber selbst deutlich mehr Kontur. Auch ihr Vater hat die Familie verlassen, ist in den Irak zurückgekehrt. Amals Mutter hat jedoch nicht mit Rebellion reagiert, sondern mit Rückzug – sie hat ein Kopftuch angelegt und studiert den Koran. Mit ihrer Mutter hat Amal nicht einmal eine gemeinsame Sprache, sie sprechen "Kur-Deutsch".
Eigentlich geht es in beiden Erzählsträngen um Frauen, die sich auflehnen gegen die von Männern verordneten Verhaltensregeln. Denn Amal ist ein aufmüpfiges Mädchen, das seinen eigenen Weg sucht zwischen Freiheitsdrang und Verantwortungsgefühl.
Eine ähnliche junge Frau stand im Mittelpunkt von Karosh Tahas erfolgreichem Debütroman "Beschreibung einer Krabbenwanderung". Für diese jungen Frauen, die zwischen Kulturen und Geschlechterstereotypen ihre Identität suchen, hat Taha ein Gespür; von ihnen erzählt sie einfühlsam und eindrücklich. Sie wird allerdings noch beweisen müssen, dass sie auch über andere Themen und Figuren schreiben kann.

Mit beißendem, befreiendem Witz erzählt

Obwohl die Figuren in "Im Bauch der Königin" also hart mit sich und ihrer Umgebung ringen, hat Taha kein schweres, ernstes Buch geschrieben. Sie findet starke, poetische Bilder für die widerstreitenden Gefühle und erzählt mit beißendem, befreiendem Witz. Eines müssen sie allerdings alle lernen: "Es wäre eine große Ungerechtigkeit, wenn es nur eine Wahrheit gäbe."

Karosh Taha: "Im Bauch der Königin"
DuMont Verlag, Köln 2020
250 Seiten, 22 Euro

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