Karriere auf der Leinwand

Von Eberhard Spreng · 01.12.2005
Hans Schweikart kannte die Leinwand wie seine Westentasche: Er war Schauspieler, Autor und Regisseur. Klug verstand Schweikart es auch als Chef der Bavaria, der er von 1938 bis 1942 war, sich von den Eingriffen des NS-Propagandaministeriums fern zu halten. Tatsächlich bleibt er der Nachwelt vor allem als Intendant der Münchner Kammerspiele in Erinnerung.
"Regie führen ist Besserwissen. Der Schauspieler muss gut wissen, der Regisseur muss besser wissen. Es ist ein gewisses Ungenügen darin, als Schauspieler immer nur ein Teil eines Ganzen zu sein, ich wollte gerne das Ganze in den Griff kriegen."

Fast alle entscheidenden Berufe, die mit Bühne und Film zu tun haben, hat der 1895 in Berlin geborene Hans Schweikart ausgeübt, nicht nur die des Theaterschauspielers und Regisseurs. Er verkörperte die selten gewordene Figur eines schreibenden, spielenden und inszenierenden Künstlers. Schweikart wuchs in einem eher armen Haushalt auf, als Sohn eines Elektrotechnikers. Zudem waren beide aus Ostpreußen nach Berlin eingewanderte Eltern infolge einer Meningitis-Epidemie taubstumm. Er, der Hörende und Sprechende, hat sein familiäres Handikap immer als Chance begriffen und später einmal gesagt, dass sein sensibles Gehör früh geschult wurde, ein ungetrübtes Gespür für falsche Töne zu entwickeln. Außerdem stellte er früh fest:

"Dass die gestische Welt viel mehr aussagen kann. Ich habe mich mit meinen Eltern großartig unterhalten über alle möglichen Themen, nur die Abstraktesten waren uns natürlich versagt. Unsere Unterhaltungen waren - eben weil die Geste dem Gefühl näher liegt als das Wort - unsere Unterhaltungen waren gestische, emotionelle."

Ein Stipendium verhalf dem jungen Schweikart zu einer Ausbildung am königlichen Schauspielhaus. Schon bald fiel er dem Publikum mit seiner "klaren und nachdenklichen Stimme" auf, auch entdeckte man im jugendlichen Helden etwas Gebrochenes, Tragisches, Zartes - Züge, die ihn für die Verkörperung beispielsweise eines Tasso prädestinierten. Thomas Mann attestierte dem jungen Schweikart 1924 eine "schlichte, eindringliche Künstlerschaft".

"Ich hatte vielleicht das Glück, gerade der Vertreter eines Faches zu sein, das damals erst aufkam; Moissi bereitete das Fach vor: Den Charakterliebhaber. Ich habe, vielleicht schon in der Provinz, Liebhaber immer als Charakterrollen gespielt."

Über die Provinz, über Wiesbaden, Görlitz, Magdeburg und Köln kam Schweikart in Max Reinhards Ensemble, dem er von 1918 bis 1923 angehörte. Er lernte in seiner Arbeit als Reinhard-Schauspieler viel, von dem er später profitieren sollte.

"Max Reinhard brachte vom Burgtheater in Wien eine große mimische Begabung mit, er hatte einen ungeheuren Geschmack, er hatte für die damalige Zeit ungeheuren Mut, Klassiker zu interpretieren. Trotzdem bin ich von ihm weggegangen, weil ich gerne Regie führen wollte."

Diese Möglichkeit sollte sich Hans Schweikart in den Münchner Kammerspielen eröffnen, an denen er seine ersten großen Regieerfolge erlebte. Die Bühne wurde zum Mittelpunkt seiner Arbeit. Er spielte und inszenierte, auch als Filmregisseur machte sich Schweikart einen Namen, vor allem als Mitarbeiter der Bavaria Film, der er in der Zeit von 1938 bis 1942 vorstand. Daneben schrieb er Stücke und Drehbücher. Seine Novelle "Es wird schon nicht so schlimm" über eine deutsch-jüdische Ehe im Theatermilieu sollte erst Jahre später, 1947, von Kurt Maetzig unter dem Titel "Ehe im Schatten" realisiert, zu einem der erfolgreichsten Trümmerfilme der Nachkriegszeit werden. Nach dem Ende des Krieges führt Hans Schweikart als Generalintendant die Münchner Kammerspiele, verschaffte dem aus dem Exil zurückgekehrten Fritz Kortner dort Arbeitsmöglichkeiten und inszenierte selbst zahlreiche zeitgenössische Stücke.

"Wenn ich sehr übermütig bin, sage ich Schauspielern, die sich sehr professionell gebärden: Kinder wir sind hier kein Theater, wie sind ein Intellektuellencafé. Also, damit will ich, etwas übertrieben, den Theatertyp bezeichnen, zu dem wir verpflichtet sind."

So charakterisiert der Intendant die Ausrichtung eines Theaters, an dem er mit "poetischem Realismus" Stücke von Dürrenmatt, Albee, Camus, Giraudoux und Pinter inszenierte. Drei seiner Arbeiten lud das Theatertreffen in den 60er Jahren nach Berlin.

"Schweikart hat das deutsche Nachkriegstheater mitgeprägt, weil er eine Idee zu beschwören suchte: die Idee des einsichtigen, des sich selbst zart erhellenden, des unverlogenen und unprätentiösen Theaters. - Vielleicht war er der letzte, in dessen Leben und Kunst die Fähigkeit, brillant zu unterhalten, und die Forderung, sich den Anspruch der Kunstwahrheit durch nichts abkaufen zu lassen, noch verbunden schienen."


Dies schrieb Joachim Kaiser in seinem Nachruf des Film- und Theaterschauspielers, des Autors, vor allem aber des großen Regisseurs nach dessen Tod am 1. Dezember 1975.