Karriere ohne Studium

"Herz für berufliche Bildung"

Holger Schwannecke, seit Januar 2010 Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), und in dieser Funktion Nachfolger von Hanns-Eberhard Schleyer
Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks © ZDH / Stegner
Holger Schwannecke im Gespräch mit Ute Welty und Dieter Kassel |
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) will das Bafög stärken - das Handwerk dagegen wünscht sich ein "Herz für die berufliche Bildung". Sonst gebe es bald ein Nachwuchsproblem, so ZDH-Chef Holger Schwannecke.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat gemeinsam mit den Fraktionsspitzen der Koalition Eckpunkte für eine Bafög-Reform vorgelegt. Sie soll im Herbst 2016 wirksam werden. Unter anderem sollen die Förderbeträge für Studierende und Schüler um sieben Prozent steigen, auch die Elternfreibeträge sollen angehoben werden, so dass künftig etwa 110.000 mehr junge Menschen Bafög erhalten können. Aktuell gibt es 630.000 Bafög-Empfänger.
Was für angehende Studenten aus Familien mit niedrigem oder mittlerem Einkommen positiv klingt, stellt aus Sicht des Handwerks eine Gefahr für die klassische Berufsausbildung dar. Sein Verband erwarte von der Bildungsministerin, dass sie ein "Herz hat für die berufliche Bildung", sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) im Deutschlandradio Kultur. Wanka müsse alles dafür tun, die berufliche Bildung gegenüber der akademischen Bildung nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen: "Wenn man sich die Zahlen einmal anschaut und die Entwicklungen der letzten Jahre, dann beschleicht uns zumindest große Sorge, dass der Trend hin zur Akademisierung (...) von immer mehr Jugendlichen beschritten wird, über fünfzig Prozent mittlerweile."
"Das Menschsein beginnt nicht beim Akademiker"
Es sei sehr schwierig, im Bereich der gewerblich-technischen Berufe den dringend benötigten Nachwuchs zu bekommen, kritisierte Schwannecke: "Hier laufen Bildungsströme falsch. Das hat etwas zu tun mit gesellschaftlichen Erwartungen, gesellschaftlichen Signalen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon gesetzt worden sind."
Das hänge auch mit Äußerungen aus Brüssel oder von der OECD zusammen, äußerte Schwannecke. Sie wollten glauben machen, dass die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit eines Landes sich am Anteil der Akademiker bemesse: "Das ist falsch. Wir brauchen einen wohlausgewogenen Mix von beidem, akademisch wie beruflich. Und wir brauchen keine einseitige Zuwendung."
Notwendig sei ein gesamtgesellschaftliches Engagement: "Dass wir halt deutlich machen: 'Das Menschwerden beginnt nicht beim Akademiker'. Sondern es gibt zwei Wege, persönlich und beruflich Karriere zu machen. Der eine Weg führt über die berufliche Bildung, der andere über die akademische. Und beide sind im Ergebnis gleich wert", so Schwannecke.
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