Ein Journalist im Visier des Autokraten
Lukpan Akhmedyarov lässt sich nicht einschüchtern. Er ist Kasachstans prominentester kritischer Journalist und riskiert täglich Leib und Leben, um seinen Beruf ausüben zu können. In der zentralasiatischen Republik ist Pressefreiheit zwar in der Verfassung garantiert, kritische Journalisten sind aber unerwünscht.
Das Video ist dramatisch: Blutüberströmt und stöhnend wird der kasachische Journalist Lukpan Akhmedyarov auf einer Trage ins Krankenhaus gebracht, nachdem Unbekannte ihn in seiner Heimatstadt Uralsk ermorden wollten. Drei Kugeln und acht Messerstiche: Der Regimegegner hat Glück und überlebt. Noch während er bewusstlos auf der Intensivstation liegt, legt die Polizei den Anschlag zu den Akten.
Das war im April 2012. Rund zwei Jahre später ist Lukpan Akhmedyarov unterwegs von einem Interview-Termin außerhalb zurück in die Redaktion in Uralsk. Die Stadt liegt am Fluss Ural, ganz im Nordwesten des riesigen Kasachstan, nahe der russischen Grenze. Immer wieder muss Lukpan Akhmedyarov anhalten und Zauntore öffnen und wieder schließen, damit Schafe und Rinder, die hier auf grünen Wiesen weiden, nicht entwischen.
Die Narben auf seinem Körper sieht man unter dem weißen T-Shirt ebenso wenig wie die psychischen Verletzungen, die der Mordanschlag dem 38-jährigen Vater zweier Töchter zugefügt hat. Mit Hilfe eines Therapeuten habe er das Trauma im Griff, erzählt Lukpan Akhmedyarov offen. Seine Frau befürworte, dass er weiter als Journalist arbeitet, seine Mutter aber tue seit dem Anschlag aus Sorge um ihn oft kein Auge zu.
Lukpan Akhmedyarov: "Das Ziel der Angreifer war es, mir Angst einzujagen. Angst ist die wichtigste Waffe derer, die die Pressefreiheit hier in Kasachstan einschränken wollen. Aber wenn Du für eine Lokalzeitung arbeitest und von vielen Menschen gelesen wirst, dann hast du eine gewisse Verpflichtung und Verantwortung. Ich habe nach dem Anschlag lange darüber nachgedacht, wie ich jetzt weitermachen soll. Es war sehr wichtig, mit meinem Verhalten nach außen zu zeigen, dass ich keine Angst habe, dass die Angreifer ihr Ziel nicht erreicht haben."
Lukpan Akhmedyarov war früher Dorfschullehrer, sein Bruder hat in ihm den Wunsch geweckt, sich kritisch mit der Entwicklung der Gesellschaft in seinem Land zu beschäftigen. Kasachstan war noch Teil der Sowjetunion, als dieser beschloss, als Künstler zu leben - und das gegen staatliche Repressionen auch durchsetzte. Lukpan war von der Konsequenz seines Bruders beeindruckt. Als er vor zwölf Jahren erfuhr, dass mit der "Uralskaya Nedelya" eine unabhängige Zeitung gegründet worden sei, bot er seine Mitarbeit an. Heute ist er Chefredakteur der Wochenzeitung.
Zwei Gesichter des Lukpan Akhmedyarov
Lukpan Akhmedyarov hat zwei Gesichter: Im persönlichen Umgang ist er freundlich, herzlich, sehr bemüht und fast ein bisschen schüchtern. Als Chefredakteur aber führt er ein strenges Regiment. Die schmalen dunklen Augen des Kasachen blicken kühl, seine Miene wirkt härter, wenn er in der Redaktionskonferenz seinen meist jungen Mitstreitern durchaus autoritär Anweisungen gibt.
"Ich bin mir dessen bewusst, dass ich nicht nur für mich arbeite, sondern etwas Wichtiges für die Gesellschaft tue, für die Menschen, die hier leben. Ich sehe das an den Anrufen, die ich in der Redaktion bekomme, daran, wie die Leser auf unsere Artikel und auf das, was wir machen, reagieren."
Als während unseres Gesprächs in seinem Büro ein Anzeigenkunde anruft, beendet Lukpan Akhmedyarov das Telefonat schnell und holt anschließend die Batterien aus dem Apparat, um weitere Störungen zu unterbinden.
Der Mordanschlag vor zwei Jahren war die Reaktion auf einen Artikel über einen korrupten Lokalpolitiker. Neuerdings versucht die Regierung Lukpan Akhmedyarov mit Anklagen wegen angeblicher Beleidigung mundtot zu machen: Zuletzt wurde er zu fünf Millionen Tenge Geldstrafe verurteilt, umgerechnet 30.000 Euro.
Die Strafe stottert er mit umgerechnet 400 Euro monatlich ab - das ist die Hälfte seines bescheidenen Gehalts. Abends nach der Arbeit muss einer der prominentesten Menschenrechtler Kasachstans deshalb Taxi fahren, um über die Runden zu kommen.
Der wahre Grund für die absurd hohe Geldstrafe sei eine Reise nach Deutschland gewesen, meint Akhmedyarov. Er hatte für den inhaftierten kasachischen Theaterregisseur Bolat Atabajev in Weimar die Goethe-Medaille entgegen nehmen sollen, den Aufenthalt aber auch für politische Gespräche in Berlin genutzt.
"Ich hatte viele Termine mit Bundestagsabgeordneten. Deutschland hat ja mit Kasachstan ein Rohstoffabkommen geschlossen, weil unser Land reich ist an Öl und Erdgas. Und vor diesem Hintergrund habe ich meinen Einfluss genutzt, um über die Abgeordneten auf Kanzlerin Angela Merkel einzuwirken, damit sie in Gesprächen mit der kasachischen Führung eindeutiger in Sachen Menschenrechte, Pressfreiheit usw. auftritt."