Katalonien, Schottland, Flandern

Bedroht der Separatismus die europäische Idee?

Unterstützer der Unabhängigkeit Kataloniens demonstrieren am 10.10.2017 in Barcelona, Spanien, und halten eine Europa-Flagge hoch.
In Barcelona demonstrierten Tausende für die Unabhängigkeit Kataloniens © Francisco Seco / dpa
Moderation: Monika van Bebber |
In Madrid und Barcelona droht der Streit um die Unabhängigkeit zu eskalieren. Doch auch andere Regionen in der Europäischen Union sehnen sich nach einem eigenen Staat. Könnte Katalonien die Blaupause für Schottland oder Flandern werden?
Katalonien strebt nach Unabhängigkeit, aber die spanische Regierung duldet keine Abspaltung. Der Streit zwischen Madrid und Barcelona droht zu eskalieren. In Brüssel hält man sich in diesem Konflikt auffallend zurück. Denn auch andere Regionen in der Europäischen Union sehnen sich nach einem eigenen Staat.
Könnte Katalonien die Blaupause für Schottland oder Flandern werden? Steht die EU vor einem Rückfall in Kleinstaaterei? Welche Rolle spielen Nationalstaaten in einem Europa der Regionen? Bedroht der Separatismus die europäische Idee?
Über diese und andere Fragen diskutieren im Wortwechsel
Marie Kapretz, Vertreterin der katalanischen Regionalregierung in Deutschland:
"Ich sehe gar nicht diese Gefahr, dass jetzt Europa in das Europa lauter kleiner Regionen zerfällt. Es gibt natürlich Regionen, die das für sich beanspruchen, aber das ist bestimmt auch, weil sie in dem Staat, in dem sie aufgehoben sind, sich nicht sehr wohl fühlen. Und das ist zum Beispiel ganz klar das, was in Katalonien gerade passiert, weil wir in einem Staat sind, Spanien, (das) hat nie seine faschistische Vergangenheit aufgearbeitet, und das schürt natürlich auch ein Misstrauen in die eigenen staatlichen Strukturen."
Ulrike Guérot, Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems:
"Die Lösung hieße einfach, dass wir tatsächlich darüber nachdenken, wie kann Europa anders gestaltet werden? Welche Rolle können Regionen in der Zukunft Europas spielen, und zwar jenseits von Nationalstaaten? (…) Da mal aufzuräumen und zu sagen: wir denken Europa wirklich neu, und wir denken es sozusagen auf Kulturregionen, die alle ihre historische Begründung haben, wir spannen darüber ein europäisches Dach, das wäre wahrscheinlich eine kluge Auflösung in einem nach-nationalen Europa, was doch immer das Ziel der Geschichte eigentlich gewesen ist."
Jörn Leonhard, Professor für Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg:
"Ich warne nur davor, gegen den 'bösen' Nationalstaat die 'gute' Region zu bilden. Damit lösen Sie nicht die Verteilungsprobleme. Ich finde es auch viel zu kurz gegriffen, dass Sie das ökonomische Argument so stark machen. Die ganzen Fragen, über die wir hier sprechen, haben auch sehr viel mit Geschichte, mit Emotion zu tun, und es ist ja kein Zufall, dass wir diese Abspaltungstendenzen gerade in solchen Regionen haben, die von der EU und der europäischen Integration zum Teil besonders profitiert haben."
Hans Stein, Leiter des Brüsseler Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung:
"Ich glaube, wir sollten die ganze Diskussion ein bisschen weiter runterkochen. Sollte es tatsächlich mal eines Tages ein unabhängiges Schottland geben oder auch ein unabhängiges Katalonien, als Mitglieder der Europäischen Union, dann wäre das nicht der Untergang der Union, und es wäre auch nicht der Untergang der Nationalstaaten. Ich glaube allerdings für Spanien, dass eher der Schritt (…) einer bundesstaatlichen Lösung der richtigere wäre."
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