Kate Davies: "Love Addict"

Sex in muffigen Partykellern

07:39 Minuten
Zu sehen ist das Cover des Buches "Love Addict" von Kate Davies.
Spielt es eine Rolle, ob sich Frauen, Männer oder ein gemischtes Doppelt liebt? © S. Fischer Verlag / Deutschlandradio
Von Andrea Gerk |
Audio herunterladen
Im Stil einer Hollywoodkomödie erzählt Kate Davies in "Love Addict", wie ein lesbisches Coming-Out schließlich in eine toxischen Beziehung mündet. Ein bisschen weniger explizite Erotik hätte dem Roman dabei nicht geschadet.
Tagsüber langweilt sich Julia in ihrem Bürojob bei einer Londoner Behörde und trauert ihrer Karriere als Tänzerin nach, abends erinnern sie die wilden Geräusche aus dem Zimmer ihrer Mitbewohnerin daran, wie lange sie schon keinen Sex mehr hatte. Die gebeutelte 26-Jährige unternimmt einige absurd komische Versuche, mithilfe von Zufallsbekanntschaften daran etwas zu ändern. Aber diese komplett verunglückten Nacktturnübungen machen ihre Misere nur umso deutlicher.
Kate Davies‘ Debütroman "Love Addict" (dt. etwa "Liebessüchtig") beginnt locker und lustig wie eine romantische Hollywoodkomödie. Bis Julia auf einer Party die charismatische Jane trifft, zum ersten Mal mit einer Frau ins Bett geht und von da an ihr Coming-out feiert. Bald verliebt sie sich in die eigenwillige Künstlerin Sam, die nichts von Monogamie hält, sie zu Sexpartys und SM-Events mitnimmt und darauf besteht, auch mit anderen Frauen Beziehungen einzugehen.

Herrschsüchtiger Kontrollfreak

Ziemlich explizit beschreibt Davies lesbische Sexpraktiken in muffigen Partykellern, um schon in der nächsten Szene ihre Icherzählerin zu den Akademikereltern nach Oxford zu begleiten oder an den Arbeitsplatz in der Behörde. Dort sollen Stellen gekürzt werden, aber Julia, die unter anderem die Schreiben britischer Bürger an die Regierung beantwortet, träumt ohnehin heimlich davon, wieder zu tanzen, und beginnt eine rührende Brieffreundschaft mit dem über 90-jährigen Eric, der sie an ihren Opa erinnert.
Je enger und verbindlicher währenddessen die Beziehung zwischen Sam und Julia wird, umso mehr gerät das Verhältnis in Schieflage. Es zeigt sich, dass die freiheitsliebende Sam eigentlich ein herrschsüchtiger Kontrollfreak ist. Das schleichende Gift, das die Beziehung der beiden Frauen angreift, träufelt Davies gekonnt beiläufig in die Handlung, und es gelingen ihr auch einige überraschende Wendungen.
Einerseits geht es in "Love Addict" natürlich darum, zu zeigen, wie wichtig es ist, zur eigenen sexuellen Orientierung zu stehen, seine Bedürfnisse zu entdecken und sein Glück zu finden. Andererseits erzählt Davies ihre Geschichte so stimmig, dass sie etwas Allgemeingültiges bekommt und es genau genommen gleich ist, ob es sich um zwei Frauen, Männer oder ein gemischtes Doppel handelt, das sich gegenseitig das Leben schwer macht. Sam, die ihrer Freundin galant die Tür aufhält und sie in teure Lokale einlädt, könnte genauso gut als chauvinistischer Mann für die toxischen Strukturen dieses Liebesverhältnisses verantwortlich sein; die Geschichte würde funktionieren.

Kein gesellschaftlicher Unterstrom

"Love Addict" ist ein unterhaltsamer Coming-Out-Roman, dem es sicher nicht geschadet hätte, wenn die eine oder andere Sexszene etwas knapper ausgefallen wäre und dafür manche vielversprechende Erzählebene etwas mehr Raum einnehmen würde. Wenn Davies mit ihrem pointierten Humor intensiver vom Behördenleben, dem etablierte Akademikermilieu oder dem Leben im Seniorenheim erzählt hätte, wäre das sicher ein großer Spaß und hätte viel über die Gefühlslagen der britischen Gesellschaft vermitteln können.
Aber auch ohne diesen gesellschaftlichen Unterstrom, den beispielsweise Nick Hornby in seinen literarischen Komödien so meisterhaft miteinfließen lässt, ist dieser Roman durchaus eine vergnügliche Lektüre. Für junge Frauen, die auf der Suche nach ihrer (sexuellen) Bestimmung sind, dürfte "Love Addict" zweifellos ein ermutigendes Buch sein.

Kate Davies: "Love Addict", Roman
Aus dem Englischen von Britt Soman-Jung
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2020
507 Seiten, 23 Euro

Mehr zum Thema