Katharina Adler: "Ida"
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
512 Seiten, 25 Euro
Freuds widerspenstige Patientin
Es ist die Urenkelin der Patientin höchstpersönlich, die Freuds berühmten "Fall Dora" literarisch zum Leben erweckt. In "Ida" erzählt Katharina Adler von der Auflehnung einer jungen Frau gegen Freuds autoritär-männliche Interpretationen.
Bei diesem Roman ist der Name der Autorin schon die halbe Miete – und der Name ihrer Romanheldin die ganze. Katharina Adler ist die Urenkelin von Ida Adler-Bauer, einer der berühmten Patientinnen Sigmund Freuds, die als "Fall Dora"» in die Geschichte der Psychoanalyse eingegangen ist. Ihr Urgroßonkel ist Otto Bauer, Idas Bruder, der führende Theoretiker der österreichischen Sozialdemokratie und Begründer des Austromarxismus.
Katharina Adler ist Jahrgang 1980, lebt in München und hat bisher hauptsächlich Drehbücher geschrieben. Den Stoff für "Ida", ihren Debütroman, hat sie dagegen ihrer eigenen Familiengeschichte entnommen und ihn rund um den berühmten Kerntext, Freuds Fallstudie "Bruchstück einer Hysterie-Analyse", herum arrangiert. Wenn auch dokumentarisch unterfüttert und angereichert mit viel zeitgeschichtlicher Recherche, ist "Ida" gleichwohl ein Stück literarischer Fiktion.
Katharina Adler ist Jahrgang 1980, lebt in München und hat bisher hauptsächlich Drehbücher geschrieben. Den Stoff für "Ida", ihren Debütroman, hat sie dagegen ihrer eigenen Familiengeschichte entnommen und ihn rund um den berühmten Kerntext, Freuds Fallstudie "Bruchstück einer Hysterie-Analyse", herum arrangiert. Wenn auch dokumentarisch unterfüttert und angereichert mit viel zeitgeschichtlicher Recherche, ist "Ida" gleichwohl ein Stück literarischer Fiktion.
Freud war frustriert über den Behandlungsabbruch
Ida Bauer, die Tochter eines wohlhabenden jüdischen Textil-Fabrikanten mit Manufakturen im böhmischen Liberec/Reichenberg, war 18 Jahre alt, als ihr Vater sie im Jahr 1900 wegen ihrer psychosomatischen Symptome (nervöser Husten, Atemnot und Stimmprobleme, dazu Selbstmordgedanken) zu Sigmund Freud in Behandlung schickte. Freud, dessen grundlegendes Werk "Die Traumdeutung" eben erschienen war und ihn berühmt zu machen begann, unterzog das Mädchen seinen neuartigen Behandlungsmethoden: der Sprechkur und der Deutung der zwei Träume, die sie ihm auf der Couch erzählte.
Nach knapp drei Monaten brach Ida Bauer die Behandlung eigenmächtig ab, sehr zu Freuds Frustration. In seiner kurz danach niedergeschriebenen Fallstudie, in der seine Verärgerung durchzuschimmern scheint, klingt Freuds Diagnose herablassend und abwertend: "Petite hystérie mit den allergewöhnlichsten somatischen und psychischen Symptomen".
Nach knapp drei Monaten brach Ida Bauer die Behandlung eigenmächtig ab, sehr zu Freuds Frustration. In seiner kurz danach niedergeschriebenen Fallstudie, in der seine Verärgerung durchzuschimmern scheint, klingt Freuds Diagnose herablassend und abwertend: "Petite hystérie mit den allergewöhnlichsten somatischen und psychischen Symptomen".
Aus Freuds Bericht lässt sich entnehmen, dass Ida eine widerspenstige Patientin war, die seine Deutung der unbewussten Ursachen ihrer Zustände nicht gelten lassen wollte. Dass Freud in allem einen sexuellen Hintersinn konstatierte, reizte sie zum Widerspruch – was er wiederum als Bestätigung seiner Hypothesen ansah.
Idas Leben im Wiener Großbürgertum
Idas Wortgefechte mit Freud, ihre Auflehnung gegen seine autoritär-männliche Interpretation ihrer auch erotisch verworrenen Familiensituation machen aber nur einen geringen, wenngleich den spannendsten Teil dieses umfangreichen Romans aus. Den Großteil ihres 500-Seiten-Werks verwendet Katharina Adler auf die getreuliche Nacherzählung und breite fiktionale Ausmalung von Idas weiterem Leben, das sich allerdings nicht sehr unterscheidet von vielen biografischen Darstellungen aus dem jüdischen Wiener Großbürgertum.
Die Autorin porträtiert Ida als eigensinnige und selbstbewusste, oft schnippische und eher auf Selbstbestimmung als auf Wohlgelittenheit bedachte Person. Sie beschreibt Idas enttäuschende Ehe mit dem erfolglosen Komponisten Ernst Adler, ihre Versuche, im verarmten Nachkriegs-Österreich mit einem Bridge-Club ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ihre Emigration 1939 in die USA, wo ihr Sohn Kurt Adler sich bereits als Opern- und Konzertdirigent einen Namen gemacht hatte und wo sie 1945 an Krebs starb.
Von ihren hysterischen Beschwerden hat Sigmund Freud sie geheilt, auch wenn er sich in seinem Bericht die grollende Bemerkung nicht verkneifen kann, sie habe ihn «um die Befriedigung gebracht, sie weit gründlicher von ihrem Leiden zu befreien».
Die Autorin porträtiert Ida als eigensinnige und selbstbewusste, oft schnippische und eher auf Selbstbestimmung als auf Wohlgelittenheit bedachte Person. Sie beschreibt Idas enttäuschende Ehe mit dem erfolglosen Komponisten Ernst Adler, ihre Versuche, im verarmten Nachkriegs-Österreich mit einem Bridge-Club ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ihre Emigration 1939 in die USA, wo ihr Sohn Kurt Adler sich bereits als Opern- und Konzertdirigent einen Namen gemacht hatte und wo sie 1945 an Krebs starb.
Von ihren hysterischen Beschwerden hat Sigmund Freud sie geheilt, auch wenn er sich in seinem Bericht die grollende Bemerkung nicht verkneifen kann, sie habe ihn «um die Befriedigung gebracht, sie weit gründlicher von ihrem Leiden zu befreien».