Katharina Adler über ihren Roman "Ida"

Als die Uroma Freuds Patientin war

Sigmund Freud (1856-1939) hat zunächst mit der jüdischen Tradition seiner Familie gebrochen, bevor er durch den Antisemetismus eine jüdischen Identität annahm
Dass "Dora" selbstbestimmt ihre Analyse bei ihm abbrach, frustrierte Sigmund Freud (1856 bis 1939). © imago stock&people
Katharina Adler im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
Ida Adler war bei Sigmund Freud als "Fall Dora" auf der Couch. Die Autorin Katharina Adler hat einen Roman darüber geschrieben. Dabei steht ausdrücklich nicht, wie sonst üblich, Freud im Vordergrund, sondern das wechselvolle Leben ihrer Urgroßmutter.
Ida Adler, geborene Bauer (1882 bis 1945) alias "Dora" ist eine der bekanntesten Patientinnen des 20. Jahrhunderts und einer der ersten von Freud ausführlich dokumentierten Fälle: Dora, das jüdische Mädchen mit der "petite hystérie" und einer äußerst verschlungenen Familiengeschichte. Die junge Frau wagte es, selbstbewusst ihre Analyse bei Sigmund Freud vorzeitig zu beenden. Das frustrierte den Vater der Psychoanalyse, der sich, wie er selbst sagt, "um die Befriedigung" gebracht sah, "sie weit gründlicher von ihrem Leiden zu befreien".

Humorvoll, aber auch eine anstrengende Hysterikerin

Aus der Lebensgeschichte dieser Patientin, ihrer Urgroßmutter, den Roman "Ida" zu schreiben, sei das wichtigste Schreibvorhaben ihres Lebens gewesen und auch das schönste, sagt die Autorin Katharina Adler. Denn lange Zeit sei die Urgroßmutter nicht mehr als eine Familienanekdote gewesen.
Die Autorin Katharina Adler
Die Autorin Katharina Adler© Christoph Adler
Adler erfuhr bei ihren Nachforschungen, dass Ida Adler offenbar eine sehr humorvolle Frau war – aber auch eine anstrengende Hysterikerin. Und jedenfalls interessant genug als "Fall", um sie in den 70er-Jahren in den Blick der US-Feministinnen zu rücken: Als Beispiel dafür, wie männlich-zentriert Freuds Blick auf seine Patientinnen war. Denn der Fall Dora war Thema in vielen Hochschulvorlesungen.

Ida – ein Frau, die um ein selbstbestimmtes Leben ringt

"Freud stand immer im Vordergrund", sagt Katharina Adler, die 1980 in München geboren wurde, Literatur studierte und bereits mehrere Drehbücher und Theaterstücke verfasst hat. Deshalb habe sie ausdrücklich Ida ins Zentrum rücken wollen – und auch ihre weitere Geschichte erzählen wollen: Die Urgroßmutter heiratete den Unternehmer und Komponisten Ernst Adler und emigrierte Ende der 30er-Jahre in die USA, wo sie an Krebs erkrankte und starb.
Besucher gehen am Dienstag (11.04.2006) in Berlin durch die Ausstellung, die das Jüdische Museum anlässlich des 150. Geburtstages von Sigmund Freud zeigt. Zu sehen ist ein interaktives Labyrinth psychoanalytischer Grundbegriffe.
Im Dickicht der Freudschen Begriffe: Hier in einer Ausstellung anlässlich von Freuds 150. Geburtstag in Berlin.© picture-alliance/ dpa/dpaweb / Steffen Kugler
Auf gar keinen Fall habe sie ihre Urgroßmutter aber zur Heldin stilisieren wollen, wie es die US-Feministinnen taten, betont die Autorin: "Ich wollte eine Frau zeigen, die man nicht als lebenslängliche Hysterikerin abtun oder pauschal als Heldin instrumentalisieren kann. Eine Frau mit vielen Stärken und auch einigen Schwächen, die trotz aller Widrigkeiten bis zuletzt, um ein selbstbestimmtes Leben ringt."

Mit Respekt und familiärer Liebe

Adler sagt weiter: Es habe ihr Romanvorhaben erleichtert, dass viele der vorkommenden Personen, auch aus ihrer eigenen Familie, schon lange nicht mehr am Leben seien. "Insofern habe ich mich eigentlich relativ frei gefühlt. Aber mein Ziel war es schon, alle Figuren – auch in ihren Schwächen oder wenn sie mal unsympathisch erscheinen, einfach mit sehr viel Respekt zu behandeln und auch mit einer gewissen familiären Liebe."
(mkn)

Katharina Adler: "Ida"
Rowohlt, 2018
512 Seiten, 25 Euro

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