Die Ausstellung ist im Museum Frieder Burda in Baden-Baden bis zum 9. Oktober 2016 zu sehen.
Im Rausch der Farben
Die riesigen Malereien von Katharina Grosse konkurrieren mit der Architektur, suchen den spannungsvollen Dialog mit den Räumen. Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden bietet dafür eine ideale Kulisse.
Man muss ja schon ein bisschen größenwahnsinnig sein, wenn man ein Bild malt, das über sieben Meter hoch und gut zehn Meter breit ist, dazu noch in der Form einer Ellipse mit einem gewaltigen kreisrunden Loch in der Mitte. Man braucht überhaupt ein Museum, um ein solches Riesenformat ausstellen zu können.
Der Museumsbau von Richard Meier in Baden-Baden ist offenbar ein solcher Ort. Und da steht das Bild, mit Acrylfarbe auf glasfaserverstärkten Kunststoff gemalt, auf dem Boden und wölbt sich in den Raum. Für die Wand wäre es zu schwer, aber für Katharina Grosse ist das Ambiente ideal.
"Ich beschäftige mich ganz intensiv damit: Wie kann ein Bild heute aussehen, in welchen Dimensionen, in welchen Kontexten kann es eingebettet sein? Und dieses Museum ist so analytisch mit dieser Differenzierung aus Wand, Boden, Geschossigkeit, Fenster oder Nische oder Durchlass und Gefüge, und da dann so die Malerei reinzuschleusen, das gemalte Bild, das finde ich total interessant."
Groß sind sie allesamt, manche der Bilder messen 30 Quadratmeter und mehr. Eine wahre Farbflut ergießt sich über die Räume. Maßlos ausgedehnte Malfelder bedecken die Wände, farbige Flächen mit Tropfspuren, Rinnsalen, Spritzern und Klecksen; Leinwände, auf denen sich wolkig gesprühte Flächen mit Lineaturen, Schraffuren und psychedelisch anmutenden Spiralen verwirbeln; auf denen sich breite Farbstreifen mit fetzigen Pinselhieben kreuzen, von oben nach unten, von links nach rechts. Bilder, auf denen transparente Schlieren und Schichten als farbige Nebel über die Leinwand wabern. Die Farben sind grell, die Kontraste extrem, und die Formate – wie gesagt: groß, größer, Grosse.
Pinsel so breit wie Besen
"Also das große Bild oder die Fähigkeit des Bildes, einen ganzen Raum zu bestimmen und auch zur Architektur sich hinzubewegen, ist für mich total faszinierend."
Doch ist die schiere Größe eine malerische Qualität? Manche Bilder vermögen nicht über ihr Format hinaus zu beeindrucken. Sie sind nur groß, sind einfach da, und auch der Dialog mit den Räumen will nicht immer klappen.
"Ich mache immer große Bilder, ich hab schon als Kind große Bilder gemalt, und mich interessiert die Ausdehnung, die absurde Größe. Das ist auch so eine Form von Übertreibung oder Lust, auch das Verhältnis zur Körpergröße neu zu justieren."
Mit Leitern und Liften, mit Pinseln, breit wie Besen, mit Spritzpistolen und Kompressoren macht Grosse sich an ihren Formaten zu schaffen, und gelegentlich traktiert sie die Leinwand auch mit den farbigen Abdrücken ihrer Füße.
"Ja, ich benutze auch meinen Körper natürlich. Als allererstes Werkzeug würde ich das anführen. Das ist auch das, was ich ganz toll finde an der Malerei, dass es so ein ganz enges Verhältnis zum Körper hat, das gemalte Bild, und dass da nichts dazwischengeschaltet ist."
Die Begegnung mit Grosses Malerei ist auch für den Betrachter eine körperliche Herausforderung. Eine "Geisterbahn des guten Geschmacks" hat ein Kritiker diesen Farbrausch einmal genannt. Das war positiv gemeint. Denn Grosse definiert das "Malerische" radikal, und ob man das, was sie macht, überhaupt "Bild "nennen soll oder einfach nur Malerei, ist ihr ziemlich egal.
"Ob das zutreffend ist oder nicht, das ist ja eine Theorie-Diskussion. Also damit beschäftige ich mich ganz selten."
Grosse verzichtet prinzipiell auf Titel
Für Grosse steht die Lust am Malprozess im Vordergrund. Farbe ist nicht das Mittel der Malerei, sondern das Thema, und diese Malerei will weder Bild noch Dekoration sein, sondern den Raum zum farbigen Ereignis machen. Ob das nun schöne Bilder sind oder nicht, ist im Grunde reine Geschmackssache und die Grenze zwischen Bedeutsamkeit und Belanglosigkeit ist fließend.
Es ist eine Malerei ohne Geheimnis, ohne Pathos, Bild für Bild.
"Ich male an zwanzig, dreißig Arbeiten gleichzeitig. Ich probiere Dinge aus, die ich hier gut finde, probiere ich dann da aus, modifiziere sie, mach sie neu und justiere auch mein eigenes Verhältnis zum Prozess immer wieder. Und dadurch wird dann das einzelne Bild als Einzelstück für mich gar nicht so interessant."
Auch deshalb verzichtet Grosse prinzipiell auf Titel, und was beim Malen Zufall ist und was Kontrolle, vermag sie selber nicht zu sagen.
"Ich gehe davon aus, dass ich in einem großen Feld arbeite, was ständig neue Impulse sendet. Und ich mache die Erfahrung, dass da so viel reinspielt, dass ich das fast nicht überblicken kann."
Ein starkes Erlebnis ist sie, die Baden-Badener Schau. Und sie zeigt, dass Malerei noch immer für eine Überraschung gut ist.