Katharina Grossmann-Hensel: "Verlieren ist was für Gewinner"
Annette Betz in der Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2020
32 Seiten, 14,95 Euro
Ein Hoch auf die antiautoritäre Erziehung
13:05 Minuten
In ihrem Buch "Verlieren ist was für Gewinner" befasst sich Katharina Grossmann-Hensel mit einer Fähigkeit, die ihr selbst fehlt. Sie habe viel Mitgefühl mit untröstlichen Dreijährigen, die mit den Fäusten trommelnd auf dem Boden liegen, sagt sie.
"Verlieren ist was für Gewinner" heißt das neue Buch von Katharina Grossmann-Hensel. Sie ist Malerin, Autorin und Illustratorin und wurde für ihre Kinderbücher vielfach ausgezeichnet. 2016 etwa erhielt sie den damals erstmals vergebenen Weltillustrationspreis der Frankfurter Buchmesse. Zudem wurden ihre Bücher in viele Sprachen übersetzt.
In ihrem neuen Buch beschäftigt sie sich mit der Schwierigkeit des "Verlierens" – was sie selbst auch nicht könne: "Ich bin ein unfassbar schlechter Verlierer - leider auch immer noch", erzählt sie. "Ich habe sehr viel Mitgefühl mit Dreijährigen, mit Fünfjährigen, die auf dem Boden liegen, mit den Fäusten trommeln und mit der Welt nicht mehr im Einklang sind."
Das Buch sei eines zum Sich-Trösten, sagt Grossmann-Hensel, "dass auch Verlieren ein Gewinn sein kann und andersrum, dass das nicht so wichtig zu nehmen ist – und dass es vor allem um die Gemeinschaft geht."
Originelle Details und Einfälle
Auffällig ist der Detailreichtum in ihren Büchern – ein Einhorn, das Regenbögen weint, jemand, der in die Bäume des Waldes beißt. Sie habe im Kopf, dass die Eltern ihre Bücher nicht nur einmal, sondern sehr, sehr oft vorlesen müssten, sagt die Autorin: "Und dann finde ich es gut, wenn man Sachen entdecken kann, die nicht so auf den ersten Blick auffallen."
Zum Beispiel gebe es ziemlich am Anfang des neuen Buches im Hintergrund eine Eule, die im Wald ein Handy findet, erzählt Katharina Grossmann-Hensel. "Und dann starrt sie die ganze Zeit auf dieses Handy und die Augen werden mal quadratisch, mal rund, sie wird immer erfasst von diesem Handy. Und am Ende ist die Batterie leer."
Auf der letzten Seite entdecke die Eule dann eine Zeitung: "Das ist eine Hommage an die Welt von Print." Und in mehreren Büchern komme ein demonstrierendes Huhn vor, das Teil der Friedensbewegung sei. "Die muss man weiterhin vorantreiben, das Huhn hält weiterhin die Friedensfahne hoch."
"Ihr seid jetzt mal ruhig"
Im Vorgängerbuch "Eltern richtig erziehen" konfrontiert ein kleines Mädchen seine Eltern mit Sätzen, die Eltern gern mal zu ihren Kindern sagen, zum Beispiel: "Ihr seid jetzt mal ruhig, solange wir uns unterhalten." Auch das Buch basiere auf Erfahrungswerten, sagt die 1973 in Mülheim an der Ruhr geborene Künstlerin.
"Ich finde, wir sind ja sehr geprägt von unserer eigenen Kindheit", meint sie. "Umso älter ich werde, umso stärker spürt man das. Und gleichzeitig machen wir das gleiche dann noch mal wieder neu mit unseren Kindern." Sie sehe sich da gleichzeitig als Kind und Mutter. "Das vermischt sich in diesem Buch, und ich werde ja auch von meinen eigenen Kindern gespiegelt." Die Situation in dem Buch habe sie durchweg selbst so erlebt.
Sie selbst habe das Glück gehabt, in den ersten Lebensjahren von den Eltern eher antiautoritär erzogen worden zu sein, sagt sie und fügt schmunzelnd hinzu: "Die sind dann irgendwann umgeschwenkt, weil das Ergebnis, glaube ich, auch beunruhigend war." Jedenfalls sei sie sehr auf der Seite der Kinder.
Sie glaube, im Umgang mit Kindern mache man vieles unbewusst: "Und ich weiß ja auch von mir selber, dass man manchmal die Sätze wiederholt, die man selber gehört hat – das kann doch nicht wahr sein, dass man mit jeder Generation wieder das Gleiche sagt, obwohl man schon weiß, dass es nicht funktioniert und das Ergebnis eigentlich nicht wirklich das ist, was man vielleicht erzielen möchte."
Dass das Buch, in dem die Familienrollen umgekehrt werden, auch ins Chinesische übersetzt wurde, wundert die Künstlerin selbst etwas: "Mein Bild von China war jetzt keines, dass ich gedacht hätte, dass die einen aufmüpfigen, antiautoritären Erziehungsstil befürworten." Das ändere auch ihr Weltbild - allerdings wisse sie auch nicht, ob der Text genau übersetzt worden sei.
Enge Verbindung zu Kindern
Sie mache auch deswegen Kinderbücher - neben ihren anderen Arbeiten, etwa Illustrationen für Erwachsene – weil sie sich Kindern sehr nah fühle, sagt Katharina Grossmann-Hensel.
Für sie sei der bestmögliche Fall, wenn die Lektüre etwas in Gang setze: "Da sitzt ja ein Erwachsener und mindestens ein Kind, die gemeinsam dieses Buch lesen. Und für mich wäre die Vorstellung am schönsten, dass sie das Buch zuklappen und dann in eine Gesprächssituation geraten, oder auch, dass sie sich auch während des Buchlesens einander besser vermitteln können."
(mfu)