Die Ausstellung "Katharina Sieverding/ Kunst und Kapital. Werke von 1967-2017" ist vom 11. März bis zum 16. Juli 2017 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen.
Vieldeutige Bildmontagen aus 50 Jahren
Eine der Frauen, die es in der Kunstszene zu großem Ansehen gebracht haben, ist Katharina Sieverding. Mit "Kunst und Kapital" zeigt die Bundeskunsthalle Bonn ihre fotografischen Werke seit 1967. Rudolf Schmitz hat die Ausstellung gesehen und die Künstlerin getroffen.
In den Tunneln der Bonner S-Bahn hat Katharina Sieverding bereits ihre Spuren hinterlassen. Mit einem großformatigen Foto: Die Künstlerin selbst, in jungen Jahren, als verführerisch erschrecktes Objekt eines Messerwerfers. Dazu die Schlagzeile: "Deutschland wird deutscher". Entstanden war diese Arbeit kurz nach dem Mauerfall, angesichts der rassistischen Ausschreitungen von Hoyerswerda. Ein suggestives, beunruhigendes Bild.
Die Beuys-Schülerin Katharina Sieverding war eine der ersten, die mit fotografischen Großformaten arbeitete. Damals fand das wenig Verständnis, erzählt sie:
"Nur für mich selber war es so, dass ich eine Situation, eine Schnittstelle schaffen wollte mit diesen Themen und mit diesen Arbeiten, dass der Betrachter sozusagen Life Size, von Kopf bis Fuß angesprochen wird und möglicherweise, unter Umständen, sich sogar in dem Bildraum bewegen kann."
Im Umkreis der Klasse Beuys politisiert
Tatsächlich ist die Bundeskunsthalle, die jetzt unter dem Titel "Kunst und Kapital" eine Retrospektive aus 50 Jahren zeigt, der richtige Ort, um die Betrachter in Katharina Sieverdings Bildraum eintauchen zu lassen. Wandhöhen von neun Metern sind mit Werkblöcken der Künstlerin überzogen, ausgehend von ihren vielfach variierten Selbstporträts hin zu den Bildkommentaren zur Zeitgeschichte und Weltlage: Kalter Krieg, nukleare Aufrüstung, Flüchtlingselend, globale Herrschaftsfantasien.
Wie Katharina Sieverdings Politisierung im Umkreis der Klasse Beuys in den Düsseldorfer Jahren 1967-69 begann und sich durch Reisen nach China, in die USA und die Sowjetunion fortsetzte, lässt sich in einem Projektionsraum erleben, der ihr Fotoarchiv der Jahre 1966-2010 zeigt. Die Tonspur dazu: Brechts Verhör vor dem Komitee für unamerikanische Aktivitäten von 1947.
Das lässt sich als Erinnerung an amerikanische Hexenjagden und als Hommage an Brechts Technik der Verfremdung verstehen, die für Katharina Sieverdings Umgang mit eigenen und gefundenen Fotomaterialien entscheidend wurde.
Und wenn sie zunächst vom Selbstporträt ausging, so hat das mit dem Drang zu tun, die eigene Subjektivität und Situation als Künstlerin zu thematisieren und kritisch zu beleuchten:
"Das war ja auch ganz stark in der Zeit: Die Genderfrage oder all diese diskrimierenden Momente, wenn man denn als Frau ein Porträt oder ein Bild schafft. An dieser Ausstellung hier sieht man, dass eigentlich die Porträts, das war der Beginn, dass die natürlich eine wichtige Rolle spielen, aber in Bezug auf die Inhalte, die ich dann natürlich als Statement konstruiert habe."
Verfremdete Selbstporträts und Kommentare zur Weltlage
Die Selbstporträts verfremdet Katharina Sieverding durch Mehrfachbelichtungen, Solarisationen, Rotfilter oder Farbumkehrungen. Aber auch ihre Kommentare zur Weltlage sind vielfach überlagerte und durch Textfragmente mehrdeutig gemachte Bilder:
"Dass ich natürlich, wenn ich zum Irakkrieg ein Statement mache, zurückgehe auf die tatsächliche Achse des Bösen, und bei den ersten Atombombenversuchen der Amerikaner andocke, ist es ja klar, dass ich Zitate benutze. Ich lebe ja auch nur eine gewisse Zeit, im 20./21. Jahrhundert, aber die Statements erfordern natürlich eine Nährtechnik, die oft weit, weit zurück geht, um das Heutige zu hinterfragen."
Katharina Sieverdings vieldeutige Bildmontagen aus 50 Jahren, das macht jetzt die Bundeskunsthalle klar, haben nichts an Relevanz verloren.
Katharina Sieverding: "Das ist doch klar, wir werden doch permanent mit Informationen über Massenmedien usw. behelligt. Und heute, durch das Verlassen des analogen Zeitalters, ist es ja noch krasser geworden. Und dass wir natürlich Teil dieser panoptischen Überwachung und dieses Regimes sind, das war mir eigentlich schon sehr früh klar, von Anfang an."
Und der überdimensionale Filmstill mit dem B-52-Bomber und dem Untertitel "Die letzten Knöpfe sind gedrückt", den die Bundeskunsthalle als Signet gewählt hat, wirkt nach der Wahl eines unberechenbaren amerikanischen Präsidenten geradezu gruselig aktuell.