Katharina Wagner lobt "Lohengrin"-Inszenierung in Bayreuth

Katharina Wagner im Gespräch mit Ulrike Timm |
Die Chefin der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth, Katharina Wagner, ist von der Zusammenarbeit des Regiestars Hans Neuenfels mit dem jungen Dirigenten Agnis Nelsons beim "Lohengrin" begeistert. Mit der Inszenierung eröffnen die 99. Festspiele am Sonntag.
Ulrike Timm: Am Sonntag beginnen die Bayreuther Festspiele mit einer Neuinszenierung von Richard Wagners "Lohengrin". Der Ritter kommt, wie es sich gehört, mit Schwan, und Regisseur und Bayreuthdebütant Hans Neuenfels hat schon verraten, es gibt nicht nur einen Schwan, es gibt sogar mehrere Schwäne. Ob es bei "Lohengrin" dann heftig flattert in jedwedem Sinn, das werden wir dann sehen - jetzt erst einmal bin ich verbunden mit Festivalchefin Katharina Wagner. Ich grüße Sie!

Katharina Wagner: Ich grüße Sie auch!

Timm: Frau Wagner, Sie sind zum zweiten Mal Chefin, gemeinsam mit Ihrer Schwester Eva Wagner-Pasquier, ab es sind die ersten Festspiele ohne Ihren Vater, der im Frühjahr gestorben ist. Fühlen Sie da jetzt eine noch größere Verantwortung für das Erbe Richard Wagners, und wie groß ist, wäre die Last?

Wagner: Gut, ich meine, meine Schwester und ich haben uns bereits im Bewerbungsverfahren völlig klargemacht, dass das eine Riesenverantwortung ist, und wenn man so was übernimmt grundsätzlich – egal ob der Vater noch lebt oder nicht –, muss man sich der Verantwortung und der Stellung, einfach der Wichtigkeit von Bayreuth bewusst sein. Insofern fühlt man keine größere Verantwortung, man hatte diese Verantwortlichkeit von Anfang an.

Timm: Der Regisseur Hans Neuenfels hat Ihnen in unserem Programm schon ein Erfolgsrezept sozusagen mitgegeben, Ihnen und Ihrer Schwester, für die nächsten 30, 40 Jahre. Er sagte:

Hans Neuenfels: Sie müssen so rücksichtslos und hinterhältig, listig, gemein, anspruchsvoll, luxuriös, unmäßig und raffiniert sein wie er, Richard.

Timm: Guter Tipp?

Wagner: Da ich Herrn Neuenfels kenne, weiß ich, wie er es gemeint hat, sicherlich, ja.

Timm: Aber alles etwas überdimensioniert, in jeder Hinsicht?

Wagner: Ja, ich sagte ja gerade, da ich kenne, weiß ich, wie er es gemeint hat. Natürlich darf man das nicht alles wörtlich nehmen. Ich glaube einfach, unterm Strich meint er, man muss so ein gewisses Durchsetzungsvermögen und eine Willensstärke haben, die wir aber, glaube ich, durchaus jedes Jahr aufs Neue beweisen, meine Schwester und ich.

Timm: Hans Neuenfels hat auch ein bisschen gemäkelt vorab: zu wenig Vorbereitung, zu wenig Proben. Was sagen Sie ihm da?

Wagner: Gut, ich meine, was die Beleuchtungsproben angeht, das ist in Bayreuth problematisch, weil es ein Festival ist, das heißt, wir leuchten sehr lange vor, das sind sehr luxuriöse Leuchtzeiten, aber eben in dem Moment, wo Bühnenproben stattfinden, haben wir relativ wenig Beleuchtungszeit.

Das ist aber eine Tatsache, auf die wir die Regisseure auch immer hinweisen, die das auch immer zur Kenntnis nehmen und sicher ihren Vertrag nicht unterschreiben würden, wenn sie mit den Leuchtzeiten absolut uneinverstanden wären. Ansonsten kann ich bloß sagen, ist die Probenzeit, die für szenische und musikalische Proben zur Verfügung steht zumindest aus meiner Sicht – und da ich auch Regisseur bin, möchte ich das quasi auch für die Regisseure mit beantworten – durchaus ausreichend.

Timm: Neuenfels ist fast 70, dirigiert wird der "Lohengrin" von einem ganz jungen Musiker, von Andris Nelsons, der ist 31, da haben also zwei Generationen die gleiche Partitur am Wickel. Sorgt das zusätzlich für Spannung?

Wagner: Also ich muss sagen, die beiden verstehen sich wirklich glänzend. Es hat überhaupt keine Spannungen gegeben zwischen Dirigent und Regisseur in der Probenzeit. Ich glaube, das war wirklich ein gutes Miteinander. Also man muss fast sagen, so harmonisch, wie das war, hat man selten erlebt zwischen Dirigent und Regisseur.

Ich glaube einfach, dass da auch Neuenfels wirklich einen guten Umgangston auch Herrn Nelsons gegenüber hatte und dass das auch viel Erfahrung mit verschiedenen Dirigenten ist vonseiten von Neuenfels aus und aber auch Herrn Nelsons, der auch schon viele Regisseure erlebt hat. Also die beiden waren wirklich völlig professionell miteinander und wie gesagt, da kam es kein einziges Mal irgendwie auch nur zu einer größeren Diskussion.
Timm: Ich meinte Spannung ganz theatertechnisch, aber nun gar nicht negativ. Ich meine, das könnte ja sein, da prallen zwei Generationen aufeinander, stecken den Kopf in die gleiche Partitur - befruchtet das?

Wagner: Ja, ich glaube, Neuenfels ist ja vom Denken her sehr jung, also vom konzeptionellen Denken her. Neuenfels ist ja ein wirklich junger Geist. Insofern glaube ich, passen die beiden wirklich zusammen. Man kann ja Neuenfels’ tatsächliches Alter wirklich nicht mit seinem, sagen wir mal seiner geistigen Beweglichkeit und allem vergleichen. Insofern, ich glaube, die beiden arbeiten wirklich spannungsvoll miteinander. Und 70, da stellt man sich immer so ein bisschen was Behäbiges manchmal vor, das hat Herr Neuenfels überhaupt nicht. Der ist völlig lebendig und jung denkend im Geiste - insofern passen die beiden perfekt zusammen.

Timm: Und Andris Nelsons fand das auch?

Wagner: Ja, absolut. Also es gab, wie gesagt, der trägt das Konzept völlig mit, und man merkt auch, dass das wirklich zusammengeht, Bühne und Musik.

Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", im Gespräch mit der Festspielintendantin Katharina Wagner. Am Sonntagnachmittag beginnt man in Bayreuth mit dem "Lohengrin". Frau Wagner, Sie haben viel dafür getan, die doch recht hermetischen Bayreuther Festspiele zu öffnen: mit Public Viewing, mit Kinderoper, mit Gastvorträgen von Historikern in diesem Jahr erstmals. Die neuste Idee, die man hörte, Sie könnten sich vorstellen, DJs nach Bayreuth zu holen. Was genau sollen die denn da machen?

Wagner: Das ist leider völlig falsch wiedergegeben von Ihren Kollegen, das muss man mal einfach klipp und klar einfach so verneinen. Also DJs ist völlig falsch. Es gibt ja in Berlin die schöne Einrichtung der Yellow Lounge - falls Ihnen das was sagt …

Timm: Wo klassische Musiker vor ganz jungem Publikum spielen mit großem Erfolg.

Wagner: Genau! Und das war eine Idee von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, diese Yellow Lounge nach Bayreuth zu holen. Und das fand ich im Prinzip eine sehr gute Idee. Und da der Kollege anscheinend nicht wusste, was eine Yellow Lounge ist, hatte der da draus DJs gemacht, und Sie wissen, die übliche Kette.
Timm: Interessantes Missverständnis. Ich dachte schon, das Festspielorchester würde rappen und wollte mir vorstellen, wie das sein soll.

Wagner: Nein.

Timm: Und das zu Wagner, das ginge dann doch zu weit.

Wagner: Gott, ich meine, solche Versuche gibt es, aber die brauchen wir nicht unbedingt in Bayreuth.

Timm: Es gibt auch wieder Kinderoper, die wollen und die brauchen Sie in Bayreuth - "Tannhäuser" in einer Version für Kinder. Ihre Cousine Nike hat mal gemäkelt, den Bayreuther Hügel könne man sich nicht erkrabbeln. Ist Wagner für Kinder ein Erfolg?

Wagner: Ich glaube, das ist ein absoluter Erfolg. Wir waren dieses Jahr wieder restlos in zehn Minuten sozusagen ausgebucht. Gut, das ist ihre Ansicht, die muss ich ihr lassen. Ich glaube, man kann – also gerade auch, was die Kinder letztes Jahr für Reaktionen gezeigt haben, wie sehr sich die mit in das Stück vertieft hatten. Die niedlichste Reaktion war von einem Kind (…) am Ende von "Holländer", wie Eric von hinten kam, sagte ein Kind völlig aufgeregt: Pass auf, da kommt der Eric, pass auf! Insofern merkt man, wie die Oper auch mit leben können. Gut, dazu hat jeder seine Meinung, ob das pädagogisch sinnvoll ist – ich halte es für pädagogisch sinnvoll, meine Schwester auch, sonst würden wir es hier nicht machen.

Wir versuchen es auch in einer sehr hochwertigen Qualität hier zu gestalten, dass wir eben wirklich ein eigenes Orchester haben, einen eigenen Chor für die Kinderoper, wir haben da sehr gute Solisten und geben uns da genauso viel Mühe wie bei einer großen Produktion. Das ist eine eigene Produktion noch zusätzlich und läuft hier nicht irgendwie, na ja, als Programm, dass man auch mal was für Kinder macht.

Timm: Schauen wir doch mal auf Ihr ganz junges Publikum, das Sie sich wünschen und das Sie auch bekommen in Bayreuth. Was macht denn "Tannhäuser" kindertauglich? Sängerkrieg auf der Wartburg, das liegt doch eher fern.

Wagner: Ja, wir haben eigentlich ein, hoffe ich doch, sehr kindertaugliches Konzept sozusagen hervorgebracht, also die Wartburg-Welt ist sozusagen ein Internat, wo der Landgraf auch der Internatsleiter ist, und Tannhäuser flieht dann sozusagen aus diesem Internat und trifft auf eine Venus, ein spielendes Kind, das in einem sozusagen Kinderspielparadies lebt und auch alles machen darf, alles tun darf, im Gegensatz zu der reglementierten Welt der Wartburg-Welt.

Und ich glaube, das ist relativ kindergerecht übersetzt, ist aber trotzdem dennoch sehr nah am Stück, weil es geht ja letztlich im Venusberg wirklich um eine Freiheit, eine gedankliche Freiheit auch, um Tun-und-Lassen-Können, was man eben möchte, im Gegensatz zu einer sehr reglementierten Welt, wo es eben Vorschriften gibt, wo Zettel gezogen werden, wer als Erstes singen darf und so weiter.

Timm: Wie weit sind Sie bislang gekommen mit Ihren Plänen, die Festspiele wirklich im 21. Jahrhundert ankommen zu lassen, und was müssen Sie noch weiterentwickeln und ändern?

Wagner: Also ich glaube, das, was wirklich zwingend weiterentwickelt werden muss, worüber sich auch viele beschweren, ist eigentlich eine ganz banale Sache, dass man bei uns die Karten immer noch nicht online bestellen kann.

Timm: Das dürfte langsam einzigartig sein in der Festspielwelt.

Wagner: Das ist inzwischen einzigartig, muss man sagen, aber wir hoffen, dass wir in absehbarer Zeit auch dieses in den Griff kriegen.

Timm: Das ist der technische Vorgang der Kartenbestellung. Wie weit sind Sie vor Ort, was muss sich da Ihrer Meinung nach noch ändern?

Wagner: Ich glaube, vor Ort haben wir einfach das Problem, dass wir einfach zu wenig Probebühnen haben, das ist einfach ein rein praktisches Problem. Die Probenbedingungen werden bei uns immer schlechter. Ich sehe auch an anderen Häusern, man sieht da einfach, dass teilweise Probebühnen technisch viel besser ausgestattet sind. Da haben wir wirklich noch Nachholbedarf, dass wir auch den Regisseuren und dem Ensemble das bieten können, dass die anständig proben können.

Timm: Gucken wir mal ganz weit voraus, opernorganisatorisch aber nur bis morgen früh: 2013 ist ein Jubiläumsjahr, 200. Geburtstag von Richard Wagner. Da gibt es weltweit viele Ringe. Sie haben mit Petrenko einen Dirigenten, aber noch niemanden, der Regie führt. Da pressiert das doch mächtig. Haben Sie da schon schlaflose Nächte deshalb?

Wagner: Teils-teils. Im Prinzip kann man froh sein, dass keiner eben sofort, also mit den Leuten, mit denen wir in Verhandlungen sind und waren, waren sich viele wirklich der Verantwortung des Ring-Jahrs, also des Wagnerjahrs 2013 und der Ring-Inszenierung bewusst, und ich fand es ehrlich gesagt gut, dass Verhandlungen lang dauerten, auch wenn sie zum negativen Ergebnis geführt haben. Wir sind natürlich in Verhandlungen, und das lange Verhandeln zeigt eigentlich bloß, dass die Leute sich völlig der Verantwortung dieses Rings bewusst sind.

Insofern ist das ein positiver Aspekt, dass jemand nicht aus einem Affekt ja sagt und dann am Ende absagt, wie Lars von Trier, was wir ja schon mal hatten, sondern dass diejenigen, die angefragt waren, oder derjenige, der jetzt angefragt ist, sich die Sache auch wirklich gut überlegen und durch den Kopf gehen lassen. Das dauert zwar Zeit, das macht einem natürlich schlaflose Nächte, insofern, weil man noch keinen unterschriebenen Vertrag hat. Andererseits ist man natürlich beruhigt, weil man weiß, die Leute setzen sich damit auseinander.

Timm: Heißt denn das im Zweifelsfall für die Opernregisseurin Katharina Wagner, im Notfall mach ich das selbst?

Wagner: Das halte ich ehrlich gesagt für die absolut unpassende Konstellation in dem Fall, weil vier Ringe, also vier Ring-Teile neu auf die Bühne zu bringen und die Idee, die wir noch haben, die drei Frühwerke parallel, nicht im Festspielhaus, aber parallel aufzuführen. Und diese sieben Neuproduktionen dann quasi zu betreuen, das wäre …

Timm: Das würde selbst Katharina Wagner überfordern.

Wagner: Nein, das wäre einfach unsinnig, weil dabei kann nichts Gutes rauskommen. Es geht ja hier um die Qualität.

Timm: Katharina Wagner, Festspielleiterin der Bayreuther Festspiele. Am Sonntag hat der "Lohengrin" Premiere. Vielen Dank fürs Gespräch und toi, toi, toi!

Wagner: Gerne, danke sehr!