Katherine Mansfield. "Fliegen, Tanzen, Wirbeln, Beben. Vignetten eines Frauenlebens 1903-1922"
Aus dem Englischen übersetzt von Irma Wehrli, Nachwort von Dörte Hansen
Manesse Verlag, München 2018
381 Seiten, 22 Euro
Randverzierungen von einer Leidenden
Erst seit wenigen Jahren wird Katherine Mansfield auch hierzulande publizistisch erschlossen. Ein aktueller Band mit Kurztexten zeigt die Seelenqualen der 1923 jung gestorbene Schriftstellerin. Für Mansfield-Einsteiger ist das Buch weniger geeignet.
Katherine Mansfield gehörte zu den weiblichen Genies des frühen 20. Jahrhunderts. 1888 in Neuseeland als Tochter eines Bankiers geboren, verdarb dem sechzehnjährigen Mädchen der Aufenthalt in einem Londoner College den naiven Blick auf das Leben. Im Alter von 20 Jahren kam sie nach England zurück und blieb bis zu ihrem Tod 1923 in Europa.
Ihre Kurzgeschichten - einen Roman hinterließ sie nicht - sind ereignisarm, aber atmosphärisch aufgeladen. Sie handeln von extremen Gefühlen, geschrieben, um dem weiblichen Leiden eine Sprache zu geben. Diese raffiniert konstruierten Kurzgeschichten machten sie erst nach ihrem Tod berühmt. In Deutschland wurde Katherine Mansfield erst in den vergangenen zehn Jahren publizistisch entdeckt.
Schmerzen, Sehnsüchte, Enttäuschungen
Katherine Mansfield von Horst Lauinger herausgegebene "Journals" aus den Jahren 1902-1922 sind beeindruckende Bekenntnisse einer leidenden, zur Melodramatik neigenden ichbezogene Künstlerin. Sie liebte Männer und Frauen – nach der Mode der Zeit –, stellte die Konventionen in Frage, kämpfte für ihre Unabhängigkeit, litt an einer Geschlechtskrankheit und starb an Lungentuberkulose.
Die ausgewählten "Vignetten", zeigen eine Frau, die ihre Schmerzen, Sehnsüchte, Enttäuschungen täglich zu Papier bringt und von Virginia Woolf für die "Offenlegung des Gemüts" bewundert wird. Virginia Woolf, die Katherine Mansfield um die Brillanz ihrer Kurzgeschichten beneidete, nannte Mansfields Tagebuch "unheimlich sensibel", "eine mystische Begleiterin". Besser kann man es kaum sagen.
Es sind die täglichen Bewusstseins- und Gesundheitszustände, die den "Vignetten" ihre Struktur geben. Viele Eintragungen handeln von körperlichen Schmerzen, psychischen Erregungen und von der benötigten Energie, diese zu überwinden. Sie sei entschlossen, aus dem Leiden "zu lernen", betete nicht zu Gott, sondern zum Leben selbst. Mehrmals erwähnt sie den von ihr verehrten Tschechow und fügt poetische Szenen zwischen die seelischen und körperlichen Zustandsnotate.
Keine zweite Virgina Woolf
Dörte Hansen stellt in ihrem Nachwort zu der schönen Manesse-Ausgabe die Vermutung an, dass Katherine Mansfield, wäre ihr ein längeres Arbeitsleben vergönnt gewesen, Virginia Woolf den Rang abgelaufen hätte. Das ist ganz sicher die Übertreibung einer glühenden Verehrerin.
Zur Überprüfung reicht ein Vergleich zwischen Mansfields und Virginia Woolfs Tagebucheintragungen. Wer Katherine Mansfield kennenlernen möchte, sollte ihre Kurzgeschichten lesen. Die "Vignetten" sind, wie die Übersetzung des Wortes heißt: "Randverzierungen", viel mehr nicht.