Minderheiten müssen zusammenhalten
Christlich-muslimischer Dialog gehört schon seit vielen Jahren zum festen Programm auf Katholikentagen. Wie sich die Begegnungen jenseits der großen Podiumsveranstaltungen gestalten, hat sich Anne Francoise Weber angeschaut.
"Tja, was macht man jetzt, wenn der andere gar nicht weiß, was Barmherzigkeit meint oder ist? Ich hab da eine wunderbare Gemeinsamkeit zum Islam jetzt darin gefunden, aber was machen wir denn mit denen, die gar nicht christlich oder muslimisch oder, was weiß ich wie, gar nicht religiös sozialisiert sind? Und das ist hier die ganz große Mehrheit, 85 Prozent in Leipzig."
Sagt die Teilnehmerin einer Werkstatt mit dem Titel "Wir sind anders. Ihr auch" beim Katholikentag. Dort versucht der Dresdner Khaldun al-Saadi, die Vielfalt des Islam zu erklären – bisweilen auch mit Parallelen in die Lebenswelt der vorwiegend jugendlichen Teilnehmer:
"Ditib, da gibt es türkische Imame, also Imame, die in der Türkei ausgebildet worden sind. Das Problem bei denen ist aber, dass die häufig nicht die deutsche Sprache sprechen und dass die aufgrund eines Antikorruptionsgesetzes ungefähr alle vier Jahre wechseln müssen. Also könnt Ihr Euch ja vorstellen, wenn der Pfarrer alle vier Jahre einfach wechselt und mal angenommen, er würde nicht mal eure Sprache sprechen – oder heißt das Priester bei den Katholiken? Ich will da in keine Fettnäpfchen treten - dann ist das natürlich schwierig. Und diese Strukturen sind schwierig, also es sind eigentlich primär Kulturvereine, die auch Religion anbieten."
Muslime wollen keinen erhobenen Zeigefinger
Die Organisation der Muslime ist ein allgegenwärtiges Thema beim Katholikentag – manch einer wünscht sich, alle Muslime in Deutschland würden mit einer Stimme sprechen; schließlich hätten die Katholiken doch auch ihre Bischofskonferenz. Gegen solche Anforderungen wehrt sich der Islamwissenschaftler Omar Kamil und richtet sich direkt an das Katholikentagspublikum:
"Die Muslime in diesem Land brauchen die Unterstützung vom Staat und von Ihnen und von der Gesellschaft. Die Unterstützung von Ihnen im Sinne von: Wenn wir miteinander diskutieren, muss es nicht immer ein Zeigefinger sein: Ihr Muslime habt das, und ihr Muslime habt das…"
Die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi hat immerhin die Erfahrung gemacht, dass sich die Begegnungen zwischen Muslimen und Christen beim Katholikentag verbessert haben – auch, weil mittlerweile eine junge Generation kompetenter deutschsprachiger Muslime ihren Glauben erklären kann.
"Also, es gehört einfach zu Kirchentagen, zu Katholikentagen, dass es ein Zentrum für christlich-islamischen Dialog gibt. Das heißt, ich fühl mich nicht mehr als Gast, sondern ich fühle mich zuhause, wenn ich zu Kirchen- oder Katholikentagen gehe. Und das find ich schön. Weil durch solche Veranstaltungen, die großen Einfluss in der Gesellschaft haben, setzt man auch Zeichen, dass die Muslime dazugehören und auch selbst etwas zu sagen haben."
Toleranz und Respekt gegenüber Andersgläubigen
Freitag abend in einem kleinen Saal des Vereins "Arbeit und Leben". Muslime und Christen veranstalten ein Gebet, bei dem sie zwar nicht gemeinsam beten, aber sich gegenseitig ihre Riten und Segensformeln vorstellen. Hatice Sekin von der Leipziger Takva-Moschee liest einen kurzen Text, in dem das Menschenbild des Islam erklärt wird. Ihre Moscheegemeinde ist seit langem im Dialog engagiert und akzeptiert auch, dass die vielen Sunniten als ungläubig geltenden Ahmadiyya-Muslime bei der Veranstaltung mitmachen.
"Der Glaube verbindet die Menschen, daran glauben wir. Der Glaube bevorzugt immer Toleranz und Respekt gegenüber Andersgläubigen. Und der Glaube an den einzigen Gott, das verbindet."
Deswegen ist für sie der Dialog mit Christen auch einfacher als der mit Konfessionslosen. Doch auch die Katholiken erscheinen nicht sehr zahlreich zu diesem interreligiösen Gebet – nur rund drei Dutzend Besucher haben sich eingefunden. Während fleißige Helfer schon die Stühle für die nächste Veranstaltung umstellen, zieht Mitinitiator Christian Wolff, ein evangelischer Pfarrer im Ruhestand, eine gemischte Bilanz:
"Ich hatte eigentlich schon den Eindruck, dass das ein wichtiges Thema ist für den Katholikentag, aber vielleicht war ich da auch zu optimistisch. Ich werde jetzt so ein bisschen den Verdacht nicht los, das hat man auch beschrieben: ‚Nur ja nicht zu viel, nur ja nicht zu stark.‘ Warum? Das würde ich jetzt auch gerne mal wissen, ehe ich jetzt Vermutungen ausspreche. Schade eigentlich, man hätte das auch prominenter verorten können, ganz sicherlich."