Der Mann kann sein Handwerk
Kardinal Reinhard Marx ist neuer Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Seine Wahl biete den verunsicherten Gläubigen neue Hoffnung, sagt unser Religionsredakteur Philipp Gessler.
Die Coolness muss man erst einmal haben. Noch ein Schnäpschen kurz vor Mitternacht zum Ende des Hintergrundgesprächs mit den Medien - die Predigt für morgen früh im Dom zu Münster, naja, so richtig fertig sei die noch nicht, sagt der barocke Kardinal, aber er halte die ja eh frei. Dann, tatsächlich, pünktlich um 7:30 Uhr am nächsten Morgen steht Reinhard Kardinal Marx trotz der kurzen Nacht als Hauptzelebrant und Prediger im riesigen Gotteshaus - und hält eine gute Predigt, frei, ohne Wiederholungen, ohne Schleifen, ohne Langeweile. Salopp formuliert: Der Mann kann sein Handwerk.
Der neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz mutet sich einiges zu - und Reinhard Kardinal Marx, der Erzbischof von München und Freising, hat das Selbstbewusstsein, dass er das schafft. Tatsächlich war es nicht zuletzt dieses starke Selbstbewusstsein, gegründet offenbar in einem großen Gottvertrauen, das in diesen Tagen in Münster seine Mitbrüder überzeugte: Er sei der richtige Mann für die Spitze der Bischofskonferenz. Denn die 64 Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe wollten in Münster vor allem jemanden, der sie führt, der dynamisch ist, Sachen anpackt und Optimismus ausstrahlt - und in der Tat war genau dies die Hauptbotschaft der halb improvisierten Predigt von Reinhard Marx im Dom zu Münster vor seiner Wahl:
"Die Kirche darf keine Angst haben. Ich kann sie, trotz der eher geringen Macht des Amtes eines Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz und vieler zusätzlicher Jobs in der Weltkirche, unter anderem im Achter-Kardinals-Beratergremium des Papstes, führen - und ich will es auch!"
Sehnsucht nach Offensive
Sicherlich: Kardinal Marx ist nicht wegen einer guten Predigt zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt worden - seine Wahl war vielmehr Ausdruck der Sehnsucht im deutschen Episkopat, nach Jahren der Krisen (Stichworte: Missbrauchsskandal und der Limburger Protzbischof) endlich mal wieder in die Offensive zu kommen.
Viele Oberhirten in der Bundesrepublik sind verunsichert, wissen nicht, wie und mit welchem Selbstbewusstsein sie einer Gesellschaft gegenüber treten können und sollen, die immer pluraler, säkularer und kirchenferner wird. Kardinal Marx bietet dieser verunsicherten deutschen katholischen Kirche ein Programm, besser: ein Gefühl an, dass man die schwierigen Zeiten bestehen wird. Mit Selbstbewusstsein.
Darauf ein Schnäpschen, Kardinal Marx - oder besser noch: einen starken Espresso!
Darauf ein Schnäpschen, Kardinal Marx - oder besser noch: einen starken Espresso!