Der Papst gegen die Kurie
Mit der Wahl von Papst Franziskus vor zwei Jahren kamen in der katholischen Kirche Hoffnungen auf Reformen auf. Tatsächlich hat er die Kurie mit scharfen Worten kritisiert, sie sei zum Teil raffgierig und geistig versteinert. Doch es gibt großen Widerstand gegen ihn.
"Die Kurie muss sich verbessern. Sich immer weiter verbessern. Sie muss wachsen, in ihrer Einheit, ihrer Heiligkeit und Weisheit, um ganz ihre Mission zu erfüllen."
Papst Franziskus hielt seine Weihnachtsansprache. Die gesamte römische Kurie, also der vatikanische Regierungsapparat, war versammelt. Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe. Der große Saal im Papstpalast zeigte sich festlich geschmückt. Noch waren die Worte des Papstes "di circostanza", wie man im italienischen sagt, freundlich und dem feierlichen Moment angemessen. Doch dann wurde Franziskus deutlicher:
"Aber die Kurie ist, wie jeder menschliche Körper auch, von Krankheiten bedroht. Und deshalb möchte ich hier einige dieser möglichen Krankheiten aufzählen. Es sind Krankheiten, die im kurialen Leben oft anzutreffen sind. Krankheiten, die zu einem bestimmten Verhalten verführen."
Ein Verhalten, das dem Papst gar nicht zu passen scheint, denn was er anschließend sagte, hatte es wirklich in sich:
"Der Katalog der Krankheiten: fangen wir ab mit der Krankheit, sich unsterblich zu fühlen, oder auch immun gegen Kritik zu sein und sich unersetzlich zu fühlen. Eine Kurie, die nicht selbstkritisch ist, ist ein kranker Körper."
Ungewöhnlich scharfe Worte
Einige kuriale Zuhörer trauten ihren Ohren nicht. Doch es kam noch heftiger. Anstatt wie seine päpstlichen Vorgänger seinen Untergebenen mit weihnachtlichen Worten zu danken schlug Franziskus einen Haken. Er geißelte, mit ungewöhnlich scharfen Worten, die Lust einiger Kardinäle an luxuriösen Wohnungen. Diese Umzüge in diese Wohnungen, so der Papst, seinen ein Symptom für Raffgier. Franziskus kritisierte den Reichtum und die geistige Versteinerung einiger katholischer Würdenträger. Er wetterte gegen, "die Krankheit des geistlichen Alzheimer, also des Vergessens der Heilsgeschichte". Er sprach von Versteinerung und meinte damit die geistige Beschränktheit eines kurialen Klerus, der nicht zu begreifen scheint, was in der Welt los ist.
Worte, die saßen, meint Bernd Hagenkord, Jesuit und Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan in Rom:
"Die Sprache ist sehr dicht und sehr bunt, aber eigentlich sind das Dinge, die wir schon häufiger von ihm gehört haben. Der Anlass ist ein ganz prominenter, von daher muss man das sehr, sehr ernst nehmen, was er da in klaren Worten gesagt hat."
Die Philippika des Papstes richtete sich vor allem gegen Kurienmitglieder, die sich bei der Familiensynode im vergangenen Oktober offen gegen den Reformkurs des Papstes stellten – wie etwa der Präfekt der Glaubensbehörde, der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, berichtet Giacomo Galeazzi, Vatikanexperte der Tageszeitung "La Stampa":
"Papst Franziskus hielt eine Predigt, mit starken moralischen Inhalten. Da saßen alle Verantwortlichen, aller Dikasterien, wie man im Kirchenstaat die Ministerien nennt. Der Papst sieht in diesen Krankheiten den Grund für die stockende Reform der Kirche. Eine Reform, mit der schon Benedikt XVI. begonnen hatte, der aber aufgrund interner Kämpfe bestimmter Gruppierungen daran gehindert wurde. Wie nie zuvor ein Papst nannte Franziskus die Dinge beim Namen, die Schuld der Kurie."
Harter Kurs soll folgen
Franziskus, davon sind Vatikanexperten wie Galeazzi überzeugt, wollte seiner Kurie nicht einfach nur die Leviten lesen. Er verfolgt mit seinen harten Worten einen Kurs, der darauf abzielt, die Kritiker seines Reformprogramms zum Umschwenken zu bewegen. Das ist nicht leicht. Im Gegenteil.
Franziskus hat sich mit seinen Reformen, die nicht zuletzt die Kurie treffen, die unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zum eigentlichen Machtfaktor im Kirchenstaat geworden war, mit Tarcisio Bertone als allmächtigen und umstrittenen Kardinalstaatssekretär an der Spitze, Feinde gemacht. Marco Politi, einer der bekanntesten Vatikanexperten Italiens, hat erst vor wenigen Monaten ein brisantes Buch zum Thema vorgelegt, mit dem bezeichnenden Titel, zu deutsch, "Franziskus unter Wölfen". Marco Politi:
"Diese Opposition wird ganz bestimmt in den nächsten Monaten und Jahren stärker werden. Gerade vor ein paar Tagen hörte ich, dass ein Kardinal gesagt hatte: ‚Ja, Franziskus hat wieder die Kirchen gefüllt, hat die Plätze gefüllt mit Leuten, die für ihn und für die Kirche sind, sehr gut, jetzt hat er das getan, was er tun sollte, jetzt ist basta! Hoffen wir nicht, dass er die Kirche ruiniert’. Das zeigt, wie viel Gift es gibt in der Kirche gegen Franziskus."
Politi zufolge sind die "Wölfe" in der Kurie jene, an die sich Franziskus’ scharfe Worte während der Weihnachtsbotschaft richteten. Jene Personen, die beim ersten Teil der Familiensynode im vergangenen Herbst offen gegen Reformpläne, wie zum Beispiel der Zulassung zur Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete, opponierten. Die sogar, darunter auch Kardinal Müller, rechtzeitig zur Synode Bücher veröffentlicht hatten, in denen die These vertreten wurde, dass bestimmte Reformen einen Verrat an den Glaubensdoktrinen der Kirche darstellen. Ein gravierender Vorwurf in Richtung des Papstes.
Gegen die Reformgegner
Im Oktober dieses Jahres wird der zweite Teil der Familiensynode stattfinden, die Papst Franziskus besonders am Herzen liegt. Bis dahin, so glauben Vatikanexperten, will der Papst seine Reformgegner in den Griff bekommen. Mit Hilfe von deren Ausgrenzung und Abstemplung als Personen, die an, so die Worte des Papstes, geistigem Alzheimer und geistiger Versteinerung leiden. Diese "Wölfe", wie Marco Politi sie nennt, stellen, davon ist der Vatikanexperte überzeugt, eine Gefahr für die päpstliche Mission dar. Marco Politi:
"Der Papst will eigentlich die Lehre nicht ändern. Der Papst ist auch für eine Ehe, die als Sakrament unauslöslich sein soll. Aber der Papst fragt sich auch, ob die Barmherzigkeit Gottes nicht wirken soll in einer konkreten Situation, wenn man auch die Sünde des Bruchs getan hat."
Eine Barmherzigkeit, die den Reformgegnern innerhalb der Kurie zufolge kirchliche Doktrinen in Gefahr bringen könnte. Politis "Wölfe" innerhalb der Kurie sind Vatikanexperte Giacomo Galeazzi zufolge inzwischen nur noch eine Minderheit:
"Diese Leute sind wie, ja, wie auf einer alten Fotografie aus der Zeit der Sowjetunion vor der Perestrojka. Bertone, Piacenza und die anderen Gegner des neuen Kurses: das ist so, wie wenn wir über Breschnjew vor Gorbatschow sprechen."
Giacomo Galeazzi weist darauf hin, ein wichtiger Punkt, dass heute die wichtigsten Posten innerhalb der Kurie von so genannten "bergogliani" besetzt sind, von Personen, die voll den Kurs Bergoglios stützen. Bis auf den Präfekten der Glaubensbehörde, Kardinal Müller. Dazu Vatikanexperte Galeazzi:
"Ich glaube nicht, dass auch er auf diesem Posten bleiben wird. Der Hüter des wahren Glaubens sollte doch in perfektem Einklang mit dem Papst stehen. Wie das bei Johannes Paul II. und Ratzinger der Fall war."
Nicht ausgeschlossen ist deshalb, dass bald auch der Präfekt der Glaubensbehörde ausgewechselt werden könnte, denn der Papst will möglichst viel im Vatikan umkrempeln – und dafür braucht er eine kompakte Mannschaft. Dazu der Jesuit und Radio Vatikan-Journalist Bernd Hagenkord:
"Der Papst will die Reform, und er hat ganz klar gesagt, dass das eben nicht nur ein Reförmchen werden soll, sondern ganz, ganz tief gehen soll."