Katholische Kirche lehnt Sterbehilfe ab
Vor der Bundestagsdebatte über den Gesetzentwurf zur Sterbehilfe hat Karl Kardinal Lehmann die ablehnende Haltung der katholischen Kirche gegenüber einer Liberalisierung der Sterbehilfe bekräftigt. Durch die Konzentration des Gesetzes auf kommerzielle Formen drohe die Entstehung einer "Grauzone", so der Mainzer Bischof.
Ute Welty: Wenn das Leben manchmal schon nicht einfach ist, das Sterben ist es oft noch viel weniger. Der modernen Medizin kommt da eine nicht unmaßgebliche Rolle zu, steht sie doch im Verdacht, das Leiden womöglich zu verlängern. Und da wünscht sich mancher gerade von der modernen Medizin Möglichkeiten, das Leiden zu verkürzen.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags debattieren heute den Gesetzentwurf zur indirekten Sterbehilfe, der vor allem verhindern will, dass diese kommerzialisiert wird, dass damit Geld verdient wird. Und dem Entwurf zufolge bleiben Angehörige und nahe stehende Personen straffrei, wenn sie bei einem Sterbenskranken Beihilfe zur Selbsttötung leisten. Ärzte und Pflegepersonal wurden ausgeklammert. Nichtsdestotrotz bewegt das Thema die Herzen vieler Abgeordneter und wohl auch das von Karl Kardinal Lehmann. Guten Morgen nach Mainz!
Karl Kardinal Lehmann: Guten Morgen!
Welty: Ich weiß ja nicht, ob der eine oder die andere bei Ihnen persönlich um Rat nachgefragt hat anlässlich dieser Bundestagsdebatte. Aber was würden Sie allen Abgeordneten gerne als Gedanken für heute mit auf den Weg geben?
Lehmann: Ja, zunächst einmal bin ich da oder dort im Gespräch gewesen in den letzten Monaten, seit Mai, seitdem das besonders diskutiert wird. Wir sind zwar der Meinung, dass wir heute durch die Schmerzlinderung, die Palliativmedizin, durch die Hospizarbeit, durch die Zuwendung zu einzelnen Menschen Hilfe leisten können, um das zu verhindern. Wenn ich immer wieder in unser Hospiz hier in Mainz gehe, stelle ich fest, Menschen kommen, wissen, dass sie nicht mehr lange leben können, sagen der Leiterin oder den Schwestern dann nach ein, zwei Tagen, Sie haben doch sicher etwas, was Sie mir geben können. Wenn die dann zögern und sagen, wir helfen Ihnen auch sonst, machen sie sehr oft die Erfahrung, dass durch die größere Zuwendung, durch die Fürsorge, auch durch die sehr gute Palliativbehandlung, schmerzlindernd, nach zwei, drei Tagen dieser Wunsch nicht mehr kommt.
Welty: Aber ist es dann richtig, sich der indirekten Sterbehilfe auf diese Art und Weise zu nähern, indem man versucht, deren Kommerzialisierung zu verhindern? Also, dass ein Leidender Geld dafür bezahlt, dass er ein tödliches Medikament bekommt? Ist das nicht sehr verkürzt?
Lehmann: Es ist natürlich sehr verkürzt in dem Augenblick, wo es nur um Gewerbliche geht im Sinne von Gewinne machen. Deswegen sind wir eben auch oder unbedingt dafür, dass jede organisierte Beihilfe eigentlich nicht erlaubt ist. Und man nicht nur auf den Kommerz allein schaut, das ist eigentlich fast selbstverständlich, dass man damit nicht noch Gewinn machen kann. Aber eigentlich ist jede organisierte Beihilfe nach unserem Verständnis nicht angezeigt.
Welty: Der Deutsche Ethikrat warnt davor, dass dieser Entwurf dazu ermutigt, andere Formen der organisierten Beihilfe zu schaffen. Was denken Sie?
Lehmann: Ja, das ist auch ein Bedenken, das wir haben. Weil, in dem Augenblick, wo vielleicht andere Formen gar nicht erwähnt werden, kann ja der Eindruck also entstehen, man würde sie dann doch vielleicht achselzuckend mehr oder weniger doch hinnehmen oder dulden. Es gibt also hier doch die Möglichkeit, dass eine Grauzone entsteht, in der dann doch gerade manches unerlaubt geschehen kann.
Welty: Familie und Freunde bleiben straffrei, wenn sie indirekte Sterbehilfe leisten, Ärzte und Pfleger werden im Entwurf nicht mehr erwähnt. Inwieweit verschließt die Politik an dieser Stelle die Augen vor der Tatsache, dass gerade Ärzten zum Beispiel eine Schlüsselrolle zukommt?
Lehmann: Also, ich vermute, dass Ärzte und Pflegepersonal auch nicht mehr erwähnt werden, weil die Ärzteorganisation, besonders auch Dr. Montgomery, doch also mit größter Deutlichkeit gesagt haben, dass das nun eine Verkehrung des ärztlichen Heilberufes ist und dass man das auf keinen Fall akzeptieren möchte, und das Pflegepersonal auch. Es ist ja doch letzten Endes eine Verkehrung der Heilberufe, die damit also auch angezielt wäre, und deswegen denke ich, dass es konsequent war. Wenn es Angehörige sind, dann wird man über jemand, der selber verzweifelt ist und helfen möchte, nicht einfach den Stab brechen. Aber wenn das mehr oder weniger eben doch fast schon einer Duldung nachkommt, dann wird man eben auch in dieser Hinsicht, glaube ich, einen Fehler machen. Ich habe vor einiger Zeit eine Palliativärztin gesprochen, die mir von ihrer Not in vielen Situationen erzählt hat, und von daher, denke ich, braucht es eine wirklich grundsätzliche, klare Bedeutung, dass wir uns auch in solchen Situationen nicht einfach unsere eigenen Erlaubnisse schaffen.
Welty: Sie fordern, man darf dem Leiden nicht ausweichen. Aber halten Sie eine Situation für möglich, in denen das Leiden nicht mehr auszuhalten ist?
Lehmann: Also, es gibt in der Palliativmedizin, mit der ich mich immer wieder auch beschäftigt habe, weil das ja auch wichtig ist für unsere eigenen Krankenhäuser, es gibt wohl nur einen ganz minimalen Prozentsatz – mir hat einer der Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin gesagt, unter einem Prozent –, wo man nicht durch die Palliativmedizin sehr, sehr schmerzlindernd helfen kann. Und von da aus würde ich sagen, das spricht zunächst dafür, alles auszuschöpfen. Und natürlich muss unsere Gesellschaft in der Organisation von Krankenhäusern, Altenheimen, Hospizarbeit und so fort sich noch sehr viel mehr anstrengen, damit wir wirklich allen Leuten helfen können. Und insofern können hier schon auch da und dort mal sehr enge Situationen entstehen. Aber dann sollten wir nicht sozusagen eine Hintertür aufmachen für etwas, was wir eigentlich nicht wollen.
Welty: Die Sterbehilfe im Bundestag und Karl Kardinal Lehmann im Interview der "Ortszeit". Eminenz, ich danke sehr herzlich!
Lehmann: Ja, danke, alles Gute!
Welty: Und wir möchten das Thema mit Ihnen weiter diskutieren, und zwar auf Facebook. Sagen Sie uns, welche Regelung Sie bevorzugen, welche Möglichkeiten Sie sich wünschen, und wie Sie im Falle des Falles entscheiden würden. Ihre Meinung interessiert uns und Ihre Meinung ist dann zu hören heute Nachmittag hier in Deutschlandradio Kultur nach 17:00 Uhr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags debattieren heute den Gesetzentwurf zur indirekten Sterbehilfe, der vor allem verhindern will, dass diese kommerzialisiert wird, dass damit Geld verdient wird. Und dem Entwurf zufolge bleiben Angehörige und nahe stehende Personen straffrei, wenn sie bei einem Sterbenskranken Beihilfe zur Selbsttötung leisten. Ärzte und Pflegepersonal wurden ausgeklammert. Nichtsdestotrotz bewegt das Thema die Herzen vieler Abgeordneter und wohl auch das von Karl Kardinal Lehmann. Guten Morgen nach Mainz!
Karl Kardinal Lehmann: Guten Morgen!
Welty: Ich weiß ja nicht, ob der eine oder die andere bei Ihnen persönlich um Rat nachgefragt hat anlässlich dieser Bundestagsdebatte. Aber was würden Sie allen Abgeordneten gerne als Gedanken für heute mit auf den Weg geben?
Lehmann: Ja, zunächst einmal bin ich da oder dort im Gespräch gewesen in den letzten Monaten, seit Mai, seitdem das besonders diskutiert wird. Wir sind zwar der Meinung, dass wir heute durch die Schmerzlinderung, die Palliativmedizin, durch die Hospizarbeit, durch die Zuwendung zu einzelnen Menschen Hilfe leisten können, um das zu verhindern. Wenn ich immer wieder in unser Hospiz hier in Mainz gehe, stelle ich fest, Menschen kommen, wissen, dass sie nicht mehr lange leben können, sagen der Leiterin oder den Schwestern dann nach ein, zwei Tagen, Sie haben doch sicher etwas, was Sie mir geben können. Wenn die dann zögern und sagen, wir helfen Ihnen auch sonst, machen sie sehr oft die Erfahrung, dass durch die größere Zuwendung, durch die Fürsorge, auch durch die sehr gute Palliativbehandlung, schmerzlindernd, nach zwei, drei Tagen dieser Wunsch nicht mehr kommt.
Welty: Aber ist es dann richtig, sich der indirekten Sterbehilfe auf diese Art und Weise zu nähern, indem man versucht, deren Kommerzialisierung zu verhindern? Also, dass ein Leidender Geld dafür bezahlt, dass er ein tödliches Medikament bekommt? Ist das nicht sehr verkürzt?
Lehmann: Es ist natürlich sehr verkürzt in dem Augenblick, wo es nur um Gewerbliche geht im Sinne von Gewinne machen. Deswegen sind wir eben auch oder unbedingt dafür, dass jede organisierte Beihilfe eigentlich nicht erlaubt ist. Und man nicht nur auf den Kommerz allein schaut, das ist eigentlich fast selbstverständlich, dass man damit nicht noch Gewinn machen kann. Aber eigentlich ist jede organisierte Beihilfe nach unserem Verständnis nicht angezeigt.
Welty: Der Deutsche Ethikrat warnt davor, dass dieser Entwurf dazu ermutigt, andere Formen der organisierten Beihilfe zu schaffen. Was denken Sie?
Lehmann: Ja, das ist auch ein Bedenken, das wir haben. Weil, in dem Augenblick, wo vielleicht andere Formen gar nicht erwähnt werden, kann ja der Eindruck also entstehen, man würde sie dann doch vielleicht achselzuckend mehr oder weniger doch hinnehmen oder dulden. Es gibt also hier doch die Möglichkeit, dass eine Grauzone entsteht, in der dann doch gerade manches unerlaubt geschehen kann.
Welty: Familie und Freunde bleiben straffrei, wenn sie indirekte Sterbehilfe leisten, Ärzte und Pfleger werden im Entwurf nicht mehr erwähnt. Inwieweit verschließt die Politik an dieser Stelle die Augen vor der Tatsache, dass gerade Ärzten zum Beispiel eine Schlüsselrolle zukommt?
Lehmann: Also, ich vermute, dass Ärzte und Pflegepersonal auch nicht mehr erwähnt werden, weil die Ärzteorganisation, besonders auch Dr. Montgomery, doch also mit größter Deutlichkeit gesagt haben, dass das nun eine Verkehrung des ärztlichen Heilberufes ist und dass man das auf keinen Fall akzeptieren möchte, und das Pflegepersonal auch. Es ist ja doch letzten Endes eine Verkehrung der Heilberufe, die damit also auch angezielt wäre, und deswegen denke ich, dass es konsequent war. Wenn es Angehörige sind, dann wird man über jemand, der selber verzweifelt ist und helfen möchte, nicht einfach den Stab brechen. Aber wenn das mehr oder weniger eben doch fast schon einer Duldung nachkommt, dann wird man eben auch in dieser Hinsicht, glaube ich, einen Fehler machen. Ich habe vor einiger Zeit eine Palliativärztin gesprochen, die mir von ihrer Not in vielen Situationen erzählt hat, und von daher, denke ich, braucht es eine wirklich grundsätzliche, klare Bedeutung, dass wir uns auch in solchen Situationen nicht einfach unsere eigenen Erlaubnisse schaffen.
Welty: Sie fordern, man darf dem Leiden nicht ausweichen. Aber halten Sie eine Situation für möglich, in denen das Leiden nicht mehr auszuhalten ist?
Lehmann: Also, es gibt in der Palliativmedizin, mit der ich mich immer wieder auch beschäftigt habe, weil das ja auch wichtig ist für unsere eigenen Krankenhäuser, es gibt wohl nur einen ganz minimalen Prozentsatz – mir hat einer der Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin gesagt, unter einem Prozent –, wo man nicht durch die Palliativmedizin sehr, sehr schmerzlindernd helfen kann. Und von da aus würde ich sagen, das spricht zunächst dafür, alles auszuschöpfen. Und natürlich muss unsere Gesellschaft in der Organisation von Krankenhäusern, Altenheimen, Hospizarbeit und so fort sich noch sehr viel mehr anstrengen, damit wir wirklich allen Leuten helfen können. Und insofern können hier schon auch da und dort mal sehr enge Situationen entstehen. Aber dann sollten wir nicht sozusagen eine Hintertür aufmachen für etwas, was wir eigentlich nicht wollen.
Welty: Die Sterbehilfe im Bundestag und Karl Kardinal Lehmann im Interview der "Ortszeit". Eminenz, ich danke sehr herzlich!
Lehmann: Ja, danke, alles Gute!
Welty: Und wir möchten das Thema mit Ihnen weiter diskutieren, und zwar auf Facebook. Sagen Sie uns, welche Regelung Sie bevorzugen, welche Möglichkeiten Sie sich wünschen, und wie Sie im Falle des Falles entscheiden würden. Ihre Meinung interessiert uns und Ihre Meinung ist dann zu hören heute Nachmittag hier in Deutschlandradio Kultur nach 17:00 Uhr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.