Reicht die Reformbereitschaft aus?
Mit einem "Gesprächsprozess" wollte die katholische Kirche nach dem Missbrauchsskandal vor fünf Jahren das Vertrauen der Gläubigen wiedergewinnen. Mehr als zwei Drittel der Gläubigen stünden der Kirche dennoch kritisch gegenüber, warnt Magnus Lux von "Wir sind Kirche".
Nach dem Missbrauchsskandal startete die katholische Kirche vor fünf Jahren einen sogenannten Gesprächsprozess, mit dem sie das Vertrauen der Gläubigen wiedergewinnen wollte. An diesem Wochenende finden in Würzburg die Abschlussdiskussionen statt. Den Gesprächsprozess begleitet hat die Reforminitiative Wir sind Kirche.
"Wir sind letztlich schon dabei", sagt der Sprecher der Initiative, Magnus Lux. "Denn jedes Mal haben wir vor den Türen gestanden und unsere Beiträge dazu den Menschen ausgeteilt, und viele haben gesagt: ja, das vertreten wir ja sowieso, was ihr da sagt."
"Die Bischöfe sind nicht die Herren der Kirche"
Lux bezweifelt jedoch, dass die Reformbereitschaft der katholischen Kirche ausreichend ist. "Mehr als zwei Drittel derer, die überhaupt noch aktiv zu ihrer Kirche stehen und mitmachen wollen, stehen ihr kritisch gegenüber. Und denen muss man ein Stück entgegen kommen."
Zum Beispiel müsse man von der "Selbstsakralisierung" der Kirche wegkommen. "Dass man einfach sagt, ja, hier ist der Papst, hier ist der Bischof, hier ist der Pfarrer, und der Rest, naja, das sind halt die Laien", so Lux. "Kirche sind wir alle, und Bischöfe sind Kirchenleitung, aber sie sind nicht die Herren der Kirche. Als solche benehmen sie sich oft genug."
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Fünf Jahre ist es jetzt her, dass die katholische Kirche sich erstmals in erschreckendem Umfang und öffentlich mit dem Missbrauch durch Priester auseinandersetzen musste. Seitdem läuft ein sogenannter Gesprächsprozess, der heute in Würzburg seinen Abschluss finden soll. Dieser Prozess ist immer wieder und sehr kritisch von "Wir sind Kirche" begleitet worden. Dort engagieren sich Menschen, die sich für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche einsetzen. Magnus Lux ist der Sprecher von "Wir sind Kirche", und der ist aus gutem Grund zurzeit in Würzburg, wo eben Kirchenvertreter über die Ergebnisse des beschriebenen Gesprächsprozesses beraten. Guten Morgen!
Magnus Lux: Guten Morgen!
Welty: Sie sind dabei, aber nicht mittendrin, das heißt, Sie als Vertreter von "Wir sind Kirche" nehmen nicht an den abschließenden Beratungen teil. Können Sie nachvollziehen, warum die Kirchenvertreter bei diesem heiklen und auch schmerzlichen Thema erst mal unter sich bleiben wollen?
Lux: Nun gut, wir sind auch Kirchenvertreter, wir sind Vertreter dieser Kirche. Sie meinen die offiziell eingeladenen Vertreter.
Welty: Genau die meinte ich.
Lux: Ja. Nun gut, es ist einfach immer so, dass nur eine gewisse Gruppe von Leuten daran teilnehmen kann, das ist selbstverständlich. Es kann nicht uferlos sein, so eine Gesprächsgruppe. Wir sind letztlich schon dabei, denn jedes Mal haben wir vor den Türen gestanden und unsere Beiträge dazu den Menschen ausgeteilt, und viele haben gesagt, ja, das vertreten wir ja sowieso, was ihr da sagt.
Viele kritische Töne waren zu hören
Welty: Und welchen Effekt hatte das, dass Sie das mit Briefen, mit Präsenz begleitet haben?
Lux: Richtig, die ganzen Gesprächsprozesse, all die ganzen fünf Jahre, die ganzen fünf Prozesse.
Welty: Und welchen Effekt hatte das?
Lux: Nun gut, viele Leute haben es uns aus der Hand gerissen. Andere haben gesagt, na schön, haben drauf gewartet, dass ihr wieder da seid, und im nächsten Jahre gehören wir auch dazu, wir machen ja da mit. Und einmal sagte einer: Was ihr da schreibt, das vertreten wir doch sowieso da drin. Also von daher waren wir präsent.
Welty: Was wünschen Sie sich von diesen abschließenden Beratungen und was erwarten Sie?
Lux: Bislang ist ja nicht viel herausgekommen, das war ja nur eine Vergewisserung, wie es genannt wurde, und an den Ergebnissen, die waren einfach auf dem Tisch und mehr ist nicht draus geworden. Gestern hat man also darüber gesprochen, wie das nun verarbeitet werden soll, und die Arbeitsgruppen haben darüber geredet, dass das Bausteine für eine Reform der Kirche, des kirchlichen Lebens in Deutschland sein sollen. Es ist immerhin ein erfreuliches Zeichen, dass man nach dem Abendessen – was gar nicht geplant war – weitergemacht hat, denn es war einfach so, dass man nicht fertig geworden ist mit all dem, was zu sagen gewesen wäre. Es sind auch sehr kritische Töne drin gefallen, was ich mir von Leuten, die dabei waren, hab sagen lassen und sehr ausführlich gesagt worden ist: So geht's nicht weiter. Und das ist natürlich ein positives Zeichen.
Warnung vor dem verdunsteten Glauben
Welty: Was bedeutet das denn konkret, es sind kritische Töne gefallen? Wo wird kritisiert auch innerhalb der Kirche?
Lux: Es wird kritisiert innerhalb der Kirche, und zwar ganz deutlich, dass also die Reformbereitschaft einfach zu gering ist – ich sag die Reformbereitschaft –, einfach deshalb, weil man nicht sehen will oder nicht sehen kann, was weiß ich, von der Kirchenleitung her, von den Bischöfen her also, dass Dinge notwendig sind, damit also Glauben hier nicht verdunstet. Dieser Begriff des verdunsteten Glaubens, der ist ja schon seit Längerem im Gespräch, und wenn wir die Menschen anschauen, die hier noch zur Kirche gehören, dann sind es noch 17 Prozent, die voll und ganz hinter ihrer Kirche stehen, und 37 Prozent, die kritisch der Kirche gegenüberstehen. Das heißt also, mehr als zwei Drittel derer, die überhaupt noch aktiv zu ihrer Kirche stehen und mitmachen wollen, stehen ihr kritisch gegenüber, und denen muss man ein Stück entgegenkommen. Wenn man die Umfragen vergleicht, dann sind das teilweise 70 bis 80 Prozent, die anderer Meinung sind als die Bischöfe, aber die Bischöfe haben das Sagen.
Welty: Was glauben Sie denn, um noch mal auf die Frage zurückzukommen, was die Bischöfe heute sagen, was mit diesem Gesprächsprozess dann auch tatsächlich gemeint und bewirkt werden kann?
Lux: Ich denke mir, dass die Bischöfe, diejenigen, also die drei, die die Leitung des Ganzen haben – Kardinal Marx, Bischof Bode und Bischof Overbeck –, dass die durchaus sehen, was notwendig ist, und dass sie durchaus auch versuchen werden, das ihren Bischofskollegen klarzumachen. Das gelingt natürlich nicht immer.
Welty: Und was ist notwendig?
Lux: Was ist notwendig? Viele Dinge sind notwendig.
Die Kirche muss von ihrer "Selbstsakralisierung" wegkommen
Welty: Na, nennen Sie mal das, was am notwendigsten ist.
Lux: Ich nenne mal ein paar Dinge: Eins wäre notwendig, dass man von dieser, ja, Selbstsakralisierung der Kirche wegkommt, dass man einfach sagt, hier ist der Papst, hier ist der Bischof, hier ist der Pfarrer, und der Rest, na ja, das sind halt die Laien, sondern Kirche sind wir alle. Und die Bischöfe sind Kirchenleitung, aber sie sind nicht die Herren der Kirche. Als solche benehmen sie sich oft genug. Nach Paulus sind sie die Diener der Freude für diejenigen, die im Glauben fest stehen, und nicht die Herren drüber. Das Problem ist, wir haben ja als Mitglieder der Kirche – das lässt sich natürlich nicht von heute auf sofort lesen – nicht einmal ein Mitspracherecht, wer unser Pfarrer, wer uns Bischof wird. Das entscheiden ein paar Leute droben und bestenfalls ein paar Leute vor Ort, eine Handvoll.
Welty: Es gibt viel zu tun in der katholischen Kirche, sagt Magnus Lux von "Wir sind Kirche", und er beobachtet die abschließenden Gespräche nach dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche heute in Würzburg. Ich danke für das Interview hier in "Studio 9".
Lux: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.