"Für ganz viele Menschen ein ganz großer Trost"
Angesichts der Heiligsprechungen am Sonntag ist es für den Kirchenhistoriker Hubertus Wolf wichtig, daran zu erinnern, dass jeder Christ ein Heiliger ist. Im Interview erläutert er, warum es in der katholischen Kirche dafür aber trotzdem ein so kompliziertes Verfahren gibt.
Philipp Gessler: Morgen werden Millionen Pilger in Rom erwartet. Okay, die Zahlen sind vielleicht nicht ganz so hoch, wie ursprünglich befürchtet. Aber klar ist: Halb Polen wird morgen zumindest am Fernseher hängen, um die Heiligsprechung ihres großen polnischen Papstes Karol Wojtyla zu erleben. Und viele Millionen Katholiken auf der ganzen Welt werden es ihnen gleich tun.
Außerdem wird Papst Johannes XXIII. heiliggesprochen. Ein kluger Mann mit gutem Humor. Das wird alle die freuen, die am Zweiten Vatikanischen Konzil hängen, das dieser Papst einberufen hat – und das so lange, auch wegen Johannes Paul II., innerkirchlich de facto unter Beschuss war.
Aber was sagt uns eine Heiligsprechung eigentlich heute noch? Warum braucht sie die katholische Kirche offenbar weiterhin? Und gibt es nicht eine wahre Flut von Heiligsprechungen – von einem Ritual, das selbst innerhalb der Kirche nicht mehr allzu viele Menschen wirklich gut finden?
Darüber habe ich mit Professor Hubert Wolf gesprochen. Der katholische Kirchenhistoriker aus Münster gehört zu den Meistern seines Fachs und wahrlich nicht zu denen, die die Kirchengeschichte schön zu färben geneigt sind. Schon vor 60 Jahren wurde ein Papst des 20. Jahrhunderts, Pius X., heiliggesprochen. Beim umstrittenen Papst Pius XII. läuft das Heiligsprechungsverfahren seit Jahren. Und nun auch noch die beiden neuen heiligen Päpste. Da war meine erste Frage an Professor Wolf, ob dies nicht eine Inflation von Heiligsprechungen von Päpsten sei?
Hubert Wolf: Es ist jedenfalls einmalig in der Geschichte der Kirche, dass es so viele Päpste gibt, die relativ ununterbrochen zu den Ehren der Altäre erhoben werden. Wir haben ja Jahrhunderte in der Geschichte der Kirchen, in denen es gar keinen einzigen Papst gibt.
Insofern ist das etwas verwunderlich. Andererseits ist es das wiederum nicht, denn wir haben ja seit 1870 durch das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes und seinem universalen Jurisdiktionsprimat eine eindeutige Konzentration der katholischen Kirche auf Rom und den Papst, sodass man sagt: Die römisch-katholische Kirche sei eine Papstkirche. Und insofern ist es eigentlich fast logisch, dass der Mann an der Spitze nicht nur während seiner Lebzeit immer stärker in den Fokus tritt, sondern auch hinterher. Es ist eigentlich die Konsequenz eines Rom-zentrierten Kirchenbilds, das wir seit 1870 haben.
"In der katholischen Kirche gibt es Veränderungspotenzial"
Gessler: Finden Sie, das ist ein Irrweg der Kirchengeschichte, dass die Päpste jetzt wegen dieser Konzentrierung auf Rom so schnell in den Geruch der Heiligkeit kommen können?
Wolf: Ja, also, Kirchengeschichte nach so einer kurzen Phase von 100 Jahren zu beurteilen und da zu sagen "Irrweg oder nicht Irrweg" - das kann ich mir als Historiker nicht anmaßen. Ich kann erst mal nur feststellen, dass es faktisch so ist und dass es alternative Modelle in der Geschichte der Kirche gab, wo Päpste nicht in erster Linie Kandidaten dafür waren, dass sie heiliggesprochen wurden.
Das stelle ich einfach mal fest und sage: Es hat eine Veränderung gegeben. Es ist also nicht immer so gewesen, sondern in der katholischen Kirche gibt es Veränderungspotenzial, und das ist, glaube ich, auch eine ganz wichtige Beobachtung, weil ja häufig damit argumentiert wird: Ja, es sei eigentlich immer schon so und deshalb würde sich in der Kirche nichts ändern können. In Bezug auf die Selig- und Heiligsprechungen der Päpste hat sich massiv 'was geändert.
Gessler: Nun wird es wahrscheinlich in früheren Jahrhunderten auch etwas schwerfallen, etwa jemanden als heilig zu betrachten, der etwa zu Kreuzzügen aufruft, oder jemanden als heilig zu betrachten, der in seinem Kirchenstaat, was weiß ich, zu Kriegen gegen die Nachbarstädte Italiens aufruft.
Wolf: Das kann sicher schwieriger fallen, weil natürlich das Papstamt sicher durch die Jahrhunderte, vor allem seit dem 19. Jahrhundert und durch den Verlust des Kirchenstaats 1870 natürlich spiritualisiert worden ist. Der Papst ist kein Oberhaupt eines italienischen Mittelstaats mehr, sondern kann sich auf seine geistlichen Aufgaben konzentrieren. Insofern ist da die Wahrscheinlichkeit natürlich größer, dass jemand spirituell entsprechende Lebensformen entwickelt, die ihn dann in die Nähe eines Seligen oder Heiligen bringen.
Gessler: Sie haben das ja schon angedeutet: Was sagt uns das eigentlich über die Kirche, wenn früher eher selten Päpste heiliggesprochen wurden, dagegen viele einfache Gläubige, und heute es fast umgekehrt zu sein scheint?
Wolf: Na ja, das kann man nicht sagen. Ich meine, gerade Johannes Paul II. hat ja nun so viele Dienerinnen und Diener Gottes zu der Ehre der Altäre erhoben, dass dort bei den vielen Hunderten und Tausenden ja nun wirklich ein Abbild der Kirche in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Ständen sich zeigt. Also, das kann man nicht sagen. Sondern die Frage ist eher, ob nicht nach einer Phase der Zurückhaltung im Hinblick auf Selig- und Heiligsprechungen seit dem Pontifikat von Johannes Paul II. nun gerade ein starker Zug zu vermehrten Heilig- und Seligsprechungen ist. Und man muss fragen: Was steckt dahinter. Ist es der Versuch, wirklich katholisch eine Unmenge von ganz unterschiedlichen Vorbildern vor Augen zu stellen und damit zu sagen, wir sind nicht fundamentalistisch eng, sondern wir haben ganz unterschiedliche Modelle der exemplarischen Verwirklichung der Nachfolge Christi, das wäre sozusagen das eine Modell.
Und das andere ist, die katholische Kirche versichert sich selber, dass sie eine heilige katholische Kirche ist, von Gott geheiligt, und stellt deshalb eine Vielzahl von Menschen dar, um sich selber ihrer eigenen Heiligkeit, ihres eigenen Wertes zu versichern. - Das wäre ein zweites Modell. Und ich glaube, zwischen diesen beiden Modellen irgendwo liegt die Wahrheit.
Gessler: Das zweite Modell würde ja fast für eine gewisse Verunsicherung sprechen, dass man sich selber immer wieder versichern muss: Ja, wir sind heilig!
Wolf: Ja, gut, dass die Kirche in einer Krisensituation sich befindet und auch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts schwierige Umbruchsituationen hinter sich hat, ist klar. Dieser Reformansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils, zu sagen: Kirche in der Welt von heute, wir lassen uns auf die Welt von heute ein, gehen optimistisch auf die Herausforderungen ein. - Dieser Ansatz ist ja zurückgefahren worden aus der Angst heraus, die Kirche würde ihre Identität verlieren. Dann kommen natürlich die unseligen Missbrauchsgeschichten hinzu, die ja das schlimmste Vorstellbare eigentlich sind, wenn jemand mit einem kirchlichen Amt solches tut.
Dass es da jetzt von der religionssoziologischen Struktur her fast auf der Hand liegt, sich selber noch mal zu vergewissern: Das gehört auch zu uns; wir sind eine sündige Institution, aber wir sind sündig und heilig zugleich. Und dass es dann natürlich so Akzente braucht, das finde ich schon wichtig. Nur: Ich finde gut, wenn man sich der Heiligkeit versichert, aber dann muss natürlich andersherum irgendwie auch die tätige Reform kommen, dass man das, wofür die Heiligkeit steht, dass man das dann wirklich in der Kirche umsetzen kann. Franziskus sagt ja: Die Kirche müsste zu den Menschen am Rande gehen, zu den Menschen an den Hecken, zu den Kranken, die den Arzt brauchten, nicht den Gesunden. Und ich meine: Die werden damit wahrscheinlich nicht erreicht, das erreicht eher die Kerngruppe. Der zweite Schritt ist, glaube ich, komplementär zu dem ersten zu sehen: Sich versichern, dass man von Gott geheiligt ist, dass man aber auch die Aufgabe hat, dieses von Gott geschenkte Heil den Menschen ganz am Rande weiterzugeben.
Dass es da jetzt von der religionssoziologischen Struktur her fast auf der Hand liegt, sich selber noch mal zu vergewissern: Das gehört auch zu uns; wir sind eine sündige Institution, aber wir sind sündig und heilig zugleich. Und dass es dann natürlich so Akzente braucht, das finde ich schon wichtig. Nur: Ich finde gut, wenn man sich der Heiligkeit versichert, aber dann muss natürlich andersherum irgendwie auch die tätige Reform kommen, dass man das, wofür die Heiligkeit steht, dass man das dann wirklich in der Kirche umsetzen kann. Franziskus sagt ja: Die Kirche müsste zu den Menschen am Rande gehen, zu den Menschen an den Hecken, zu den Kranken, die den Arzt brauchten, nicht den Gesunden. Und ich meine: Die werden damit wahrscheinlich nicht erreicht, das erreicht eher die Kerngruppe. Der zweite Schritt ist, glaube ich, komplementär zu dem ersten zu sehen: Sich versichern, dass man von Gott geheiligt ist, dass man aber auch die Aufgabe hat, dieses von Gott geschenkte Heil den Menschen ganz am Rande weiterzugeben.
Ein Verfahren, das sehr viel für sich hat
Gessler: Sie haben das ja angedeutet: Heute fangen ja manche Menschen, und nicht nur kirchenferne, schon fast an zu lachen, wenn sie hören, es gebe so etwas wie ein Heiligsprechungsverfahren. Also, dass man etwa zur Heiligsprechung für den Heiligen möglichst zwei Wunder nachweisen muss. Können Sie diese Skepsis verstehen?
Wolf: Ich kann sie einerseits verstehen, andererseits ist es so, dass dieses Verfahren natürlich auch sehr viel für sich hat. Also, ich kann sagen, dass ich in zwei laufenden Seligsprechungsverfahren beteiligt bin, und zwar als historischer Gutachter. Denn der erste Schritt eines Heiligsprechungsverfahrens, wenn es nicht nach dem Modell das santo subito geht wie bei Johannes Paul II., wo der Papst natürlich andere Regelungen getroffen hat, der erste Schritt ist immer, dass Historiker nach allen Regeln der historischen Kunst alles zum Leben und Wirken eines Dieners oder einer Dienerin Gottes zusammentragen und würdigen und dann unter Eid aussagen, dass sie alles wirklich nach bestem Wissen und Gewissen getan haben. Das finde ich für die Selbstvergewisserung eines solchen Verfahrens für zentral. Die Fakten liegen auf dem Tisch.
Der zweite Schritt ist, wenn dieser sogenannte Tugendprozess dann abgeschlossen ist: Die Frage des Wunders bei der Seligsprechung und dann bei der Heiligsprechung. Und die Wunderthematik ist eine Sache, die den Historiker nicht tangiert, weil er ja im Grunde keine medizinische Kompetenz hat, um dies zu analysieren. Ich kenne nur einige Quellen, die halt wirklich zeigen, da ist jemand aufgegeben gewesen, medizinisch dokumentiert, mit allen neuen Techniken, er ist eigentlich zum Sterben verurteilt, und dann gibt es eben doch eine Heilung. Und ob man das jetzt Spontanheilung nennt oder ob eben wirklich aufgrund des Glaubens an die Fürsprache eines Heiligen dies geschehen ist, kann ich schlecht beurteilen. Auf jeden Fall gibt es diese Phänomene.
Gessler: Jetzt ist ja das Heiligsprechungsverfahren in der Kirchengeschichte wohl ein gewisser Fortschritt gewesen. Also, dass es einen Wildwuchs etwas eingedämmt hat, dass jede römische Adelsfamilie praktisch eine Heiligsprechung vorangetrieben hat für einen Ahnen, damit sie das in ihrem Stammbaum nachweisen konnte oder ähnliche Geschichten, oder jede einzelne Region. Kann man das so sehen, dass das ein gewisser Fortschritt war, das Verfahren?
Wolf: Ja, zunächst einmal müssen wir fragen, ob der Historiker erst mal Fortschritt oder Rückschritt richtig beurteilen kann. Ich würde eher mal sagen, es gibt eine Veränderung, und die Veränderung bezieht sich eigentlich auf was ganz anderes: Zunächst mal gibt es gar kein Verfahren, sondern heilig wird jemand im Mittelalter und in der alten Kirche dadurch, dass er zunächst ein Märtyrer ist, dass er also sein Blut unter Nero zum Beispiel vergießt. Das ist ein Heiliger. Dann wird jemand heilig durch die Verehrung des gläubigen Volkes, Menschen erleben jemanden, der für sie nachvollziehbar exemplarisch Christus nachlebt, der ein besonders strenger Asket ist, der Wunder tun kann. Das heißt, da wird jemand heilig durch die Verehrung des Volkes. Dann agiert irgendwann der Bischof und erhebt die Gebeine und macht dann einen offiziellen Kult daraus.
Erst sehr viel später mischt sich Rom ein, die erste Heiligsprechung, die der Papst macht, ist eine Heiligsprechung aus dem 11. Jahrhundert. Also, auch da wird deutlich: Erst mal ist das eine lokale Geschichte, eine Sache der Verehrung von unten. Und jetzt haben Sie erst im Kontext der Antwort der katholischen Kirche auf die Reformation eine definitive Regelung des Verfahrens und eine Konzentration des Verfahrens auf Rom allein. Und das führt zu einer ganze Menge von Problemen. Einerseits wird natürlich der Wildwuchs beseitigt, in Anführungszeichen, andererseits ist aber das gläubige Volk durchaus nicht von vornherein bereit zu sagen: Okay, wir geben die Leute, die uns heilig sind, wichtig sind, zu deren Gräbern wir immer schon gegangen sind, auf, weil Rom die nicht heiliggesprochen hat. Das führt zu einer ganzen Reihe von Verwerfungen bis dahin, dass es dann auch lebende Heilige gibt und katholische Heilige sind tot oder besser im Himmel. Also, dass Menschen, die noch leben, als Heilige verehrt werden und gebeten werden, als Lebende bei Gott Fürsprache für einen einzulegen. Dieses Thema der angemaßten Heiligkeit ist ein ganz, ganz großes Thema für die römische Inquisition, also die Vorgängerbehörde der Glaubenskongregation, mit ungeheuer vielen Akten zu dieser Thematik.
Gessler: Sie haben ja auch darüber ein ganzes Buch geschrieben, über die angemaßte Heiligkeit von Nonnen in Rom im 19. Jahrhundert. Wenn nun auch Papst Pius XII. heiliggesprochen werden sollte, obwohl einige Historiker ihm ja vorwerfen, zum Holocaust geschwiegen zu haben, obwohl er beste Informationen hatte, finden Sie, dass dann der Titel Heiliger entwertet würde?
Wolf: Ich habe, glaube ich, ganz klare Positionen mehrfach zu der Sache geäußert. Ich würde Pius XII. im Moment weder selig- noch heiligsprechen, sondern würde sagen: Wenn Franziskus es ernst meint, was er angekündigt hat, dann werden die Quellen dieses Jahr noch zugänglich. Die Quellen zu diesem Pontifikat. Das sind 250.000 Archiveinheiten im vatikanischen Archiv. Lassen Sie uns doch ...
Zwei ganz unterschiedliche Gründe für eine Heiligsprechung
Gessler: Wie viele Meter sind das?
Wolf: Weiß ich nicht, ich weiß nur, dass es 250.000 Schachteln sind, endlos viel. Lassen Sie uns doch die mal in Ruhe gemeinsam mit jüdischen Historikern angucken, und dann darf man auf diese Frage, wie es mit dem Schweigen oder uneigentlichen Reden zum Holocaust ist, eine Antwort erwarten von ihnen. Und die kann ganz überraschend ausfallen, das wissen wir heute nicht. Kann sein, dass der Mann intern wesentlich mehr gemacht hat, als wir wissen, es kann sein, dass er wesentlich weniger gemacht hat. Also ich würde mich da nicht festlegen. Dann gibt es eine ganze Reihe von anderen Fragen, die einfach geklärt werden müssten.
Insofern würde ich sagen, also, wenn jemand heilig ist, ist er es ohnehin, denn geheiligt wird er von Gott. Es entsteht überhaupt kein Stress, wenn man einige Jahre oder Jahrzehnte abwartet, in Ruhe die Quellen prüft und dann auf der Kenntnis der Quellen sagt: Es ist so oder es war anders. Das ist das, was ich als Historiker sagen muss und wozu ich nur raten kann. Die Kirche muss da einfach auch die nötige Geduld haben und sie muss offene Fragen an die Quellen zulassen, die manchmal überraschende Antworten geben.
Gessler: Jetzt ist ja die eine Heiligsprechung sicher, nämlich die von Johannes Paul II. Freuen Sie sich eigentlich darüber, wenn man zum Beispiel beobachtet, wie alles andere als heilig und sanftmütig, sondern eher ziemlich brutal oder harsch er etwa mit den Protagonisten der Theologie der Befreiung umgegangen ist?
Wolf: Also, Freude ist für den Historiker, glaube ich, keine Kategorie. Ich muss erst mal versuchen einzuordnen, was dahintersteckt. Zunächst mal ist es eine Heiligsprechung, wo zwei ganz unterschiedliche Päpste gleichzeitig heiliggesprochen werden. Das halte ich für sehr wichtig. Denn damit wird ja deutlich, es gibt nicht nur eine ideale Verwirklichung des Petrusdienstes, wie sie Johannes Paul II. möglicherweise vertritt, sondern es gibt mindestens noch eine andere, die von Johannes XXIII. Johannes XXIII. ist der Papst, der das Zweite Vatikanische Konzil einberufen hat, der gesagt hat, man müsse die Fenster aufmachen, der dieses Konzil einberufen hat, das die Konstitution Kirche in der Welt von heute, nicht von gestern, sondern von heute verabschiedet hat.
Und ich meine, wenn Papst Franziskus die beiden zusammen heiligspricht, zur Ehre der Altäre erhebt, da tut er einen richtig katholischen Schritt, denn katholisch ist nicht fundamentalistisch, es ist nicht eng. Es gibt nicht nur eine Form der Verwirklichung des Petrusdienstes, etwa im Sinne von Johannes Paul II., sondern es gibt ganz unterschiedliche.
Und katholisch heißt ja gemäß des Ganzen, umfassend. Und wenn uns unterschiedliche Modelle der Verwirklichung des Petrusdienstes vor Augen gestellt werden, als exemplarisch, finde ich das aus historischer Perspektive wieder genau zutreffend. Denn diese Pluriformität, dieses Katholische, das müssen wir dringend zurückgewinnen. Es ist nicht so, dass es ein Modell gibt, ein Modell für Papsttum, ein Modell für Katholischsein, sondern Katholischsein in sich ist schon Vielfalt, Vielfalt in der Einheit.
Gessler: Warum braucht denn die katholische Kirche überhaupt Heilige? Die protestantischen Kirchen kommen ja eigentlich ganz gut ohne Heilige zurecht!
Wolf: Ob die protestantischen Kirchen keine Heiligen haben, weiß ich nicht. Jedenfalls bin ich in keiner einzigen lutherischen Kirche gewesen, wo nicht hinten Martin Luther auf einem Heiligenbild hängt. Ich glaube, dass die evangelische Kirche nicht so ganz ohne Heilige ist.
Sie hat natürlich exemplarische Vorbilder. Ob sie jetzt Martin Luther nehmen, der in jeder evangelischen Kirche - fast - hängt, oder ob Sie Dietrich Bonhoeffer nehmen oder andere Zeugen des Widerstands, es gibt also doch exemplarische Christen. Und insofern glaube ich schon, dass ein Trend dazu geht, in einer Gesellschaft, die ganz stark wieder nach Vorbildern guckt, dass die Kirche exemplarische Menschen den Gläubigen vorstellt, um zu sagen: Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten für dich, wo du dich daran orientieren kannst, denn Gott ist für viele viel zu weit weg. Das ist im Grunde das Modell.
Aber noch mal andersherum: Von der Theologie her ist jeder Christ ein Heiliger. An die Heiligen der Gemeinde von Korinth, schreibt der Paulus. Es geht eigentlich darum, dass der Christ selber nichts macht. Er ist nicht irgendwie ein religiöser Star, der eine besondere Höchstleistung vollbringt, sondern jeder Christ wird von Gott geheiligt. Und sich das klarzumachen, dass das für jeden von uns gilt, wenn das die Aussage der Heiligsprechungen ist, dann, finde ich, ist das für ganz viele Menschen ein ganz großer Trost, und das finde ich dann richtig.
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