Kathrin Köller & Irmela Schautz: „Queergestreift“

Queeres Empowerment

34:58 Minuten
Buchcover zu "Queergestreift"
© Hanser Verlage

Kathrin Köller

Queergestreift. Alles über LGBTIQA+Carl Hanser Verlag, München 2022

288 Seiten

22,00 Euro

Von Eva Hepper · 05.07.2022
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Lesbisch, non-binär, cis, trans – mit vielen neuen Begriffen steigt die Verunsicherung. Inhaltlich fundierte und herausragend gestaltete Aufklärung bietet dieses Sachbuch. Es wirbt für Respekt und Offenheit für LGBTiQA+ Personen.
Fies sehen die originell gezeichneten Insekten aus, die kreuz und quer über die Buchseiten laufen und um den Text krabbeln. Ihre haarigen Beine sind erschreckend lang, und ihre Rückpanzer zeigen missmutige Grimassen in schillernden Farben. Begleitet werden die kleinen Biester von verschiedenen Begriffen: „ihm“, „sie“, „seiner“, „ihr“, steht da zum Beispiel.
Pronomen – das macht die Illustration klar – können wie eklige Viecher sein; vor allem für Trans-Personen, die sich falsch angesprochen fühlen. Wie angenehm wäre es, ließen sich die Sprachprobleme wie lästige Insekten einfach beiseite wischen!

Umfangreiches Überblickswerk

Unkonventionell in den Bildideen und originell, frisch und voller Sachkenntnis im Text widmen sich die Autorin Kathrin Köller und die Illustratorin Irmela Schautz der LGBTIQA+ Welt. In ihrem annähernd 300 Seiten dicken Überblickswerk „Queergestreift“ klären sie auf, wofür die sieben Buchstaben und das Pluszeichen stehen. Tatsächlich stammen die Abkürzungen aus dem Englischen. Sie lassen sich aber problemlos auch ins Deutsche überführen und stehen dann für lesbisch, gay/schwul, bi, trans, queer, asexuell und weitere Geschlechtsidentitäten.
Dabei geben sie Einblick in die historische Entwicklung der jeweiligen Communities, lassen ihre Vertreter*innen direkt zu Wort kommen, führen Interviews mit Betroffenen, Eltern, Freund*innen und Expert*innen und beleuchten auch rechtliche, gesundheitliche und gesellschaftspolitische Fragen.

Betroffene kommen selbst zu Wort

Jedem Buchstaben von LGBTIQA+ ist ein Kapitel gewidmet. Zunächst wird beschrieben, wer sich beispielsweise hinter L wie lesbisch oder T wie trans verorten lässt, wie es sich anfühlt, so zu begehren und mit welchen Widerständen, Vorurteilen und gesellschaftlichem Gegenwind die Einzelnen oftmals zu kämpfen haben.
Sehr eindringlich liest sich etwa das Interview einer Mutter und ihres Trans-Sohnes. Darin wird erzählt, wie er sich geoutet hat, wie sie reagiert, und welchen Weg die beiden gemeinsam und auch jeweils für sich beschritten haben. Leicht wurde es ihnen nicht gemacht, aber welche Befreiung darin liegt, zu sich zu finden und zueinander zu stehen – das wird hier sehr deutlich.

Feuerwerk an Farben und Bildern

Tatsächlich versteht Kathrin Köller ihren Text als Empowerment. Sie nimmt konsequent die Sichtweise der Betroffenen ein, verzichtet auf Gegenperspektiven und schreibt wie eine Aktivistin in kämpferischem, jugendlichem Tonfall. Dass das fast nie enervierend ist, sondern leicht und dennoch seriös wirkt, liegt nicht zuletzt an der hervorragenden Illustration und grafischen Gestaltung des Buches. Auf jeder einzelnen Seite zündet die Zeichnerin Irmela Schautz ein Feuerwerk an Farben und Bildern. Mal lässt setzt sie ein Roulette-Spiel neben den Text zur Chromosomenauswahl, mal zeigt sie knallbunte Liebende, an denen längst nicht allen bekannte Begriffe kleben wie Post-It-Zettelchen; etwa omnisexuell, non-mono, fluid, stealth oder queer und mal stehen Insekten für Pronomen.  
Tatsächlich besticht dieses Überblickswerk durch die kongeniale Verschränkung von Bild und Text, eine große Wissensfülle sowie seine eindeutige Haltung: uneingeschränkte Empathie und Respekt für LGBTIQA+ Personen. Es ist aufschlussreich nicht nur für Unkundige – man wünscht es vielen Leser*innen in die Hände.
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