Katja Lewina: "Bock. Männer und Sex"

Deftige Sprache, rührende Tipps

06:06 Minuten
Cover von Katja Lewinas Buch "Bock. Männer und Sex" auf orangem Hintergrund
Von Stern- und Schmachstunden ihres erotischen Lebens berichten viele Männer in Katja Lewinas Buch. © DuMont Verlag / Deutschlandradio
Von Susanne Billig |
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In "Sie hat Bock" schrieb Katja Lewina tabulos und witzig über Sex, ohne an Tiefgang zu verlieren. Nun widmet sie sich den erotischen Freuden und Herausforderungen, die Menschen mit Penis von der Vorpubertät bis ins hohe Alter erleben.
In einem historischen Einstieg findet Katja Lewina in ihrem Buch "Bock. Männer und Sex" die Ursprünge des Patriarchats in Ackerbau und Besitzanhäufung. Anschließend geht sie rasch zum Eigentlichen über: Makropenis, Mikropenis und alles dazwischen – wie groß, klein, dick oder dünn darf er sein?
Wie erleben Jungs ihren ersten Samenerguss, den ersten Geschlechtsakt? Um Treue und Abenteuerlust junger Männer geht es im Laufe des Buches, Sex in der Ehe samt Abflauen des erotischen Zugs hin zur langjährigen Partnerin, um Leistungsdruck im Bett, schiefe Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit – bis hin zum Sex im hohen Alter.
Um dem Buch Bodenhaftung zu geben, bringt Katja Lewina viele wissenschaftliche Studien und ausgiebig Zitate aus der seriösen populärwissenschaftlichen Literatur ein. Freimütig fügt sie eigene Erfahrungen als langjährig sex-neugierige heterosexuelle Frau hinzu und führt Interviews mit Männern aller Altersstufen, die ihr vertrauensvoll und sehr persönlich von Stern- und Schmachstunden ihres erotischen Lebens berichten.
So sehr Katja Lewina mit ihrer betont deftigen Sprache auch auf die Tube drückt: Der pädagogische Impetus ihres Buches ist nicht zu übersehen.

Jenseits der Penetration

Fast rührend lesen sich viele der Tipps, die sie in ihrem Buch an den Mann bringt: Hey, auch ein kleiner Penis ist okay, frag die Frauen! Wenn du keine Lust auf deine Ehefrau hast, bist du nicht der Einzige auf dieser Welt. Wie wäre es, ihr sprecht mal miteinander? Wer bereits einige Jahrzehnte auf dem Planeten der Menschen umherläuft und sich über Sex Gedanken macht, kann sich nur wundern, wie hartnäckig die Verhältnisse sind, die eine junge Journalistin noch 2021 dazu bringen, Männern zu erklären, dass es, oh Wunder, auch jenseits der Penetration interessante Formen der erotischen Begegnung gibt.

Queer kommt nicht vor

Noch etwas verwundert: die Selbstverständlichkeit, mit der die Autorin bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich über Hetero-Sex spricht. Auf diesem Gebiet liege ihre persönliche Erfahrung, erklärt sie zu Beginn des Buches, und das mag wohl sein – dann aber schreibt sie sehr viel über Lebenslagen, die sie selbst nicht erlebt hat, von Männlichkeit im biologisch weiblichen Körper bis hin zur Sexualassistenz für Demenzkranke.
Studioporträt von Katja Lewina.
Der pädagogische Impetus des Buches von Katja Lewina ist nicht zu übersehen.© Lucas Hasselmann
Wir schreiben das Jahr 2021, auf CSD-Demos laufen schon seit Jahren abertausende nicht-queerer Menschen mit – wäre es da so abwegig davon auszugehen, dass schwule Männer auch nur Männer sind, die auf eine gewisse Weise Sex haben? Und dass sich in schwulen Begegnungen auch nur entfaltet, was an Männlichkeits- und Sexualitätsvorstellungen durch die Gesellschaft geistert?

Zu wenig zeitgemäß

Warum also eine kategoriale Differenz aufmachen? Hier hätte das Buch mit etwas zusätzlicher Recherche mutiger und zeitgemäßer ausfallen können.
Doch nehmen wir die Autorin mit ihrem Schluss beim Wort – für ihr ansonsten rundum sympathisches Buch: "Schaut her", heißt es da, "so sind wir. Nicht perfekt. Noch lange nicht aufgeräumt. Sondern lebendige Wesen. Wir machen Fehler. Und wir lernen. Und darin sind wir alle gleich."

Katja Lewina: "Bock. Männer und Sex"
DuMont Verlag, Köln 2021
224 Seiten, 20 Euro

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