Kaufen, benutzen, wegschmeißen

Von Po Keung Cheung |
Was heute an elektronischen Geräten auf den Markt kommt, ist morgen schon veraltet. Oder: Es geht schon kurz nach Ablauf der Garantiezeit kaputt. Und das mit Absicht, vermuten manche. Von "geplanter Obsoleszenz" ist die Rede, also "geplanter Abnutzung".
Dichtes Gedränge in einer Hinterhof-Garage im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Auf den Tischen das, was andere womöglich längst aufgegeben hätten: Kameras, Musik-Anlagen, Lampen und weitere Technik mit Macken: Es fehlen Knöpfe, ein Lautsprecher krächzt oder das Gerät gibt gar keinen Mucks mehr von sich. Für die Besitzer aber zu schade zum Wegwerfen.

"Birne ist also in Ordnung. Okay! So, ist jetzt die Frage: Warum geht es gerade nicht …"

Es ist Montag, der erste im Monat: Zeit für das Repair-Café. Gemeinsam schrauben, zerlegen, löten, unter fachkundiger Anleitung: Zwei Techniker sind da, schauen über die Schulter und legen selbst Hand an - ehrenamtlich.

"So, dann stecken wir das mal rein hier. Der müsste gehen. Ein bisschen lauter machen, können wir das mal lauter stellen bitte. Der geht, jetzt nehmen wir mal die mal die andere Seite, die geht nicht!"

Elektroniker Mike Tempel sitzt vor einer kleinen Stereoanlage. Einer der beiden Lautsprecher-Anschlüsse funktioniert nicht. Kurzerhand wird das Innenleben auseinander genommen.

"So, nun schauen wir mal. Ah ja, dann gucken wir mal, das geht hier hinten hin. Vielleicht ist nur das Kabel locker, jetzt ziehe ich es mal raus. So, das müsste es schon gewesen sein. Jetzt messen wir einfach mal von dem Stecker zu der Buchse, ob es in Ordnung ist."

Die Anzeige des Messgerätes bewegt sich: Es fließt Strom, die Kabel sind also in Ordnung. Mike vermutet den Fehler nun an anderer Stelle.

"Ah ja, das ist an der Platine, jetzt sind wir sicher, jetzt können wir nochmal rausziehen bitte. Viel Pech!"

Ohne Schaltplan geht also nichts. Den soll jetzt Angela Penz organisieren, die Besitzerin der Anlage. Sie will im Internet suchen oder beim Hersteller nachfragen und dann wiederkommen. Ein Umgang mit kaputter Technik, der in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen ist. Die meisten würden damit wohl bestenfalls den Weg zum Recyclinghof antreten.

In einem Container der Berliner Stadtreinigung stapeln sich die Geräte, die von ihren Besitzern keine neue Chance bekommen haben.

"Naja, irgendwann darf alles mal kaputt gehen, also, man kann nicht erwarten, dass einfach alles ewig hält. Schade ist nur … wenn man's, ja … Ja, hier ein DVD-Recorder – Wieso hat er ihn den weggeschmissen, ist doch noch alles aktuell neu."

"Murks, nein danke!"

Der Mann mit kurzer Frisur und randloser Brille ist Stefan Schridde, gelernter Betriebswirt, Betreiber des viel besuchten Internetportals "Murks, nein danke". Er sagt: Viel zu oft landet Technik zu früh auf dem Müll. Und dann verweist er auf einen Film über Elektroschrott-Exporte nach Afrika.

"Dort sah ich Kinder, die auf den Müllhalden in Afrika die giftigen Dämpfe von unserem Schrott einatmen, weil sie es dort wenigstens dann schaffen wollen, auch die Rohstoffe rauszuholen. Ich sage: Das müssen wir hier in unserem Land schaffen!"

40 Millionen Tonnen: So viel kommen laut UN-Angaben jedes Jahr weltweit zusammen. Schridde, selbst Vater von zwei Kindern, wollte das nicht hinnehmen. Mit "Murks, nein danke" prangert er die Hersteller kurzlebiger Geräte an, veröffentlicht Nutzerberichte. Schridde vermutet dahinter "geplante Obsoleszenz", eine bewusst eingebaute schnelle Alterung der Geräte. Auf dass der Kunde spätestens nach ein paar Jahren sich etwas Neues kauft.

"Also immer mehr Rendite und uns Produkte so verkaufen, dass sie immer kürzer halten."

Beweisen lässt sich das kaum. Aber die Einträge auf seiner Internetseite sprechen eine eindeutige Sprache. Geräte, die schon nach wenigen Jahren ausfallen, mit Regelmäßigkeit kurz nach Ablauf der Gewährleistung. Ganz oben auf der Murks-Liste: Drucker mit verschlissener Mechanik oder defektem Kopf, aber auch Smartphones und teure Notebooks. Angst, die Firmen könnten ihm etwa wegen Rufschädigung an den Kragen gehen, hat Schridde nicht. Er wurde bis heute nicht verklagt, und kämpft deshalb weiter.

"Wir selber müssen merken, dass wir aufhören, uns zum Sündenbock zu erklären, es gibt keine Wegwerfgesellschaft, wir haben eine Wegwerfproduktion, hier muss gehandelt werden. Hier braucht es aber politischen Druck und Handlungskompetenz. Das heißt, wir brauchen neue, bessere Gesetze. Zum Beispiel der Mangel muss um den Verschleiß erweitert werden. Wenn konstruktiver Mangel eingebaut wird, dadurch Dinge schneller verschleißen."

Wir fragen bei einigen Herstellern nach. Was sagen sie zu den Vorwürfen? HP antwortet, lehnt den Worten nach "geplante Obsoleszenz grundsätzlich" ab. Und Epson sagt: Kein Kunde würde ein Produkt akzeptieren, das "innerhalb bestimmter Intervalle" ausfällt. Andere Firmen blieben hingegen stumm.

"Technischer Service, guten Tag! Ach, der Herr Müller, was haben wir denn?"

In Achim Wehbecks kleiner Meister-Reparaturwerkstatt am Berliner Stadtrand türmen sich die Problemfälle. Nicht nur alte Röhrenfernseher, immer häufiger auch die flachen Nachfolger. Wehbeck steht auf und zeigt eine kleine durchsichtige Plastiktüte mit ausgedienten Kondensatoren.

"Die Bauform: Immer kleiner, immer kleiner. Statt 105 Grad, 85 Grad Umgebungstemperatur, die werden auch ziemlich warm. Sitzen ja dann im Netzteil auch neben diesen Kühlkörpern, wo sie richtig schön angestrahlt werden. Jetzt sind hier 15 Stück aus dem Flachbildschirm, der läuft wieder, der läuft jetzt länger als vorher, weil da richtig gute Dinger reingekommen sind."

Obwohl jeder Ingenieur weiß, dass Kondensatoren hitzeempfindlich sind, sitzen sie genau an den Stellen, die besonders heiß werden. Deshalb vermutet auch Wehbeck, dass die Hersteller das absichtlich machen.

"Ich bin sicher, die wissen das auch. Aber dann verkaufen sie ja nichts. Kaufen, benutzen, wegschmeißen, soweit sind wir gekommen."

Und häufig werden selbst intakte Geräte weggeschmissen. Denn mit der rasanten Entwicklung scheint es zunehmend einen Druck zu geben, diese neueste Technik auch besitzen zu müssen. Wer heutzutage zum Beispiel noch mit klassischem Handy unterwegs ist, ohne Internet und berührungsempfindlichem Bildschirm, der kennt vielleicht dieses Gefühl, dass man damit vermeintlich total veraltet ist. Früher gab es eine ganz andere Wertschätzung, so Wehbeck. Er schiebt die schwere Tür einer Holztruhe mit eingebautem Radio zur Seite. Oben eine klassische Skala. links und rechts zwei Drehknöpfe, unten ein riesiger Lautsprecher über die gesamte Breite.

"Nordmende, Cosima 58, Baujahr 58, 678 Mark, das war ein Schweinegeld. Ich weiß das, weil die hat… Die hat meine Mutter gekauft, die hat dafür zwei Jahre Heimarbeit gemacht und wie wurde dann nur sonntags benutzt, war Heiligtum, aber Sie sehen, spielt noch. Deutsche Wertarbeit – leider nicht mehr vorhanden."

Wer heute kauft, sollte wohl froh sein, wenn das Gerät wenigstens ein paar Jahre hält – oder zumindest repariert werden kann. Aber die Hersteller legen die Hürden immer höher. Fest verbaute Akkus, verklebte Gehäuse sowie mangelnde Teileversorgung. Wehbeck zeigt einen Videorekorder: Keine drei Jahre alt, mit kaputtem Zahnrad. Ersatzteil? Fehlanzeige! Hier muss selbst der erfahrene Meister kapitulieren.

Hyewon Seo von der Verbraucherzentrale Bundesverband beklagt ebenfalls die heutige Schnelllebigkeit. Sie glaubt zwar nicht, dass die Hersteller mit Absicht Fehler in die Geräte einbauen, damit sie schneller kaputt gehen. Aber die Firmen haben ihre Produkte auch nicht verbessert, sogar bekannte Schwachstellen gelassen, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben, so Seo. Um diese Verkaufspolitik zu ändern, sieht sie auch den Verbraucher in der Pflicht: Er sollte beim Kauf im Laden kritisch nachfragen: Wie sieht es mit der Haltbarkeit und der Wartung aus?

"Auch wenn das sehr attraktiv und sehr glänzend daher kommt, kann man sich ja mal fragen: Was ist eigentlich, wenn das kaputt geht oder ist es irgendwie reparierbar oder nachrüstbar und all diese Kriterien kann man schon als Kaufentscheidungskriterien einbeziehen."

Im Repair-Café treffen weitere kaputte Geräte ein. Meist mit leicht zu lösenden Problemen: Eine durchgebrannte Feinsicherung auf der Platine eines Festplattenrecorders etwa oder die kalte Lötstelle im Trafo einer Schreibtischlampe. Repair-Café-Organisatorin Elisa Garrote ist zufrieden.

"Von den Sachen, die hierher gebracht werden, werden ich glaube 80 Prozent repariert."

Viele Leute gehen wahrscheinlich davon aus, dass die heutigen Geräte so hochspezialisiert sind, dass man sie nicht mehr reparieren kann. Die Repair-Cafés beweisen das Gegenteil. Und sie schaffen neues Verständnis und eine größere Nähe und Wertschätzung zur Technik. Ein Erfolg, der sich herumspricht. Bundesweit eröffnen immer weitere Repair-Cafés.

Jene Nähe zur Technik vermittelt auch Ludger Kemper, ehrenamtlich. Der Elektroingenieur repariert gerade ein kleines Kinderklavier. Ein simpler Fehler: Ausgelaufene Batteriesäure hat die Kontakte zugesetzt. Kurz mit der Drahtbürste bearbeitet und schon fließt wieder der Strom.

"Das hat schon einen Ton gesagt. Hast Du das gehört? Ja! Ahh, herrlich! Bitteschön! Ist das klasse, danke! Danke! Schön!"

Die zwölfjährige Franziska ist glücklich. Ihr Mini-Klavier funktioniert wieder, so wie am Ende viele andere Geräte hier im Repair-Café. Dieses Glück hat die Technik, die sich draußen in den unzähligen Schrott-Containern stapelt, hingegen nicht.

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