Kaufrausch

Weihnachtsrummel: Wie viel Konsum können wir uns leisten?

Weihnachten naht und damit auch die Kauf- und Konsumschlacht schlechthin: Der Einzelhandel erwartet allein im November und Dezember einen Rekordumsatz von über 80 Milliarden Euro. Umfragen zufolge will fast jeder vierte Deutsche zu Weihnachten einen Tablet-PC oder ein Smartphone kaufen.
Die Weihnachtszeit ist jedoch nur ein Beispiel für unsere auf Überfluss ausgerichtete Welt: Wir shoppen in jeder Lebenslage, unser Wirtschaftssystem ist auf Wachstum und Konsum ausgerichtet. Schenken bedeutet auch meist Kaufen, dafür jetten wir auch schon einmal schnell nach London. Gleichzeitig wächst die Zahl derjenigen, die sich diesem Konsum verweigern und vor seinen Folgen warnen.
Wie viel Konsum können wir uns leisten?
"Liebe Leute, wenn ihr es ernst mit mir meint, schenkt mir lieber nichts. Ich habe alles, was ich brauche", sagt Niko Paech.Der Ökonom an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg gilt als einer der schärfsten und konsequentesten Konsum- und Wachstumskritiker Deutschlands. Er lebt seine Vision einer "entschleunigten und entrümpelten Welt": Paech ist bisher erst einmal in seinem Leben geflogen, hat kein Auto, ist Vegetarier, Beiratsmitglied bei Attac. Er tauscht Sachen – ob Kleidung oder Technik – nur aus, wenn sie definitiv irreparabel sind, beteiligt sich an Recycling- und Tauschbörsen.
Seine Mahnung: "Wir leben ökologisch brutal über unsere Verhältnisse. Durch unseren Überkonsum plündern wir unsern Planeten und verscherbeln unsere Zukunft."
Dem Fetisch des Wachstums setzt er seine „Postwachstumsökonomie“ entgegen und provoziert gern mit der Forderung, 50 Prozent aller deutschen Autobahnen und 75 Prozent aller Flughäfen stillzulegen.
"Ich würde nie in Abrede stellen, dass Konsum ein wichtiger Bestandteil des modernen und freien Lebens ist. Nur macht die Dosis das Gift. Die Frage ist: Wie kann man Konsum so entschleunigen oder seine Frequenz so verringern, dass auf diese Weise die einzelne Konsumhandlung letztlich mehr Genuss generiert, als wenn sie in einer Lawine vieler Konsumhandlungen untergeht? Das ist der Trick dabei: Kein Verzicht, sondern eine neue Rationalität des Konsums."
Sein Motto: "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht."
"Wenn wir weniger konsumieren, haben andere nicht mehr", kontert Hubertus Pellengahr. Der Ökonom war elf Jahre lang Sprecher des Einzelhandelsverbandes, seit 2010 ist er Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
"Wir sind Exportland Nr.1; und wenn wir nicht mehr konsumieren, hat das nicht nur für unsere Unternehmen Auswirkungen, sondern auch in den anderen Ländern. Das kostet viele Arbeitsplätze und Wohlstand und wäre ganz klar ein Rückschritt."
Konsum sei nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: "Er macht das Leben leichter, schöner, er kann Spaß machen. Meine Botschaft ist, dass Wachstum und Konsum nachhaltig gestaltet werden können und müssen, und dass dies nicht auf Kosten anderer passieren darf. Ich glaube, dass Wachstum etwas ganz Natürliches ist, und wenn man Wachstum beschneidet, beschneidet man Freiheit, Teilhabe und Aufstiegschancen, sowohl bei uns, aber auch weltweit. Und deshalb sollten wir niemandem ein schlechtes Gewissen machen, wenn er konsumiert oder Geschenke kauft."
Wie viel Konsum können wir uns leisten?
Darüber diskutiert Susanne Führer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Niko Paech und Hubertus Pellengahr. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.
Informationen im Internet:
Literaturhinweis:
Niko Paech: "Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie", oekom verlag 2012
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