Kaviar: Hier verbeugt sich sogar das Recht
Kaviar ist zwar ein altes Luxusgut – aber ist es auch nahrhaft? Nun, zur Hälfte besteht Kaviar aus Wasser – und man soll ja viel trinken. Immerhin liegt der Eiweißgehalt – wie es sich für ein tierisches Lebensmittel gehört – bei etwa 25 Prozent.
Dazu kommt ein erklecklicher Gehalt an Mineralstoffen – das ist natürlich in erster Linie zugesetztes Salz. Viel wichtiger ist, dass die Ware keine Krankheitskeime wie Listerien enthält und dass sie frisch ist. Die Frische erkennt man meist an der silbrig-grauen Farbe. Die klassische Vorstellung, richtiger Kaviar sei schwarz, stammt noch aus dem Postkutschenzeitalter: Wenn damals die Ware in Berlin ankam, war sie schon schwarz geworden – sprich verdorben. Und so kannte sie der Feinschmecker. Aus diesem Grunde wird bis heute sogenannter Deutscher Kaviar schwarz eingefärbt. Wenn wir Kaviar schon nachmachen, dann aber richtig.
Na klar, jeder weiß, dass die Wildbestände des Störs bedroht sind, dass nur zertifizierter Kaviar aus lizenzierten Fängen gehandelt werden darf und dass die beachtlichen Mengen aus illegalen Fängen selbstverständlich ebenfalls über Papiere verfügen – gefälschte natürlich. Der hohe Preis des Kaviars hat nun dazu geführt, dass die Störe heute zunehmend in Aquakulturen gezüchtet werden. Das ist wohl die einzige wirksame Methode, um den illegalen Handel zurückzudrängen und die Tiere zu schützen.
Auch in Deutschland gibt es diese Kreislaufanlagen, wie es so schön heißt. Das sind nichts anderes als Fabriken, in denen die Störe in großen Tanks beziehungsweise Becken gehalten werden. Das erlaubt ein dreimal so schnelles Wachstum wie in freier Wildbahn. Einfach deshalb, weil Fische bei höheren Temperaturen halt schneller wachsen. Und natürlich auch ganzjährig ausreichend Futter bekommen.
Klar, dass die Anbieter von Kaviar aus Aquakultur damit werben, ihre Ware sei nicht mit Umweltgiften belastet; aber der wildlebende Stör, der sei durch Schadstoffe aller Art bedroht. Doch die vorliegenden Rückstandsanalysen sind nicht besonders aufregend, irgendwie passen die nicht so ganz zu den dramatischen Berichten über die Verschmutzung russischer Gewässer. Viel interessanter wären Infos zum Arzneimitteleinsatz in unseren Mastanlagen. Wenn Fische in freier Wildbahn krank werden, dann verenden sie meistens sang- und klanglos – ohne auf unserem Esstisch zu landen.
Anders ist das in den viel gelobten Aquakulturen: Hier müssen kranke Tiere behandelt werden – nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch wegen des Tierschutzes. In Forellenkaviar fand man immer wieder mal Rückstände von Arzneien – noch dazu illegalen. Egal wie – irgendwas ist immer. Dennoch: Industrielle Kreislaufanlagen sind ein Fortschritt, denn sie erlauben ein vernünftiges Qualitätsmanagement. Bei Wildfängen muss man nehmen, was man so aus dem trüben Wasser fischt. In Mastanlagen weiß man, was man hat; man kann die Wasserqualität genau steuern, man kennt die Keime, die Rückstände und seinen Fisch.
Wäre da nicht die sogenannte Hälterung, die aus unserer Sicht Geschmäckle hat: Die Weibchen werden sechs Wochen lang auf eine Null-Diät gesetzt. Dabei bauen sie dann einen Teil ihrer Fettreserven ab, das soll den Geschmack von Fleisch und Kaviar verbessern. Nach der Schlachtung wird der Rogen entnommen, dabei muss die zähe Membran beseitigt werden, die den Rogen umhüllt. Also gibt man Collagenasen dazu, das sind Enzyme, die die Hülle auflösen. Dann werden die Eier gesalzen – und im Falle von russischem Kaviar mit Borsäure konserviert. Das ist ein höchst fragwürdiger Stoff, der von der EU aber extra für die russische Spezialität zugelassen wurde, da die Russen sich standhaft weigerten, unbedenklichere Konservierungsmittel zu verwenden. Wenn die Europäer keine Borsäure wollen, müssen sie eben auf Kaviar verzichten. Dieser Tatsache hat sich unser Lebensmittelrecht gebeugt. Hier war der Schutz der Feinschmeckerei das höhere Rechtsgut. Na denn Mahlzeit!
Literatur
-Glerup H et al: A "mini epidemic" of hepatitis A after eating Russian caviar. Journal of Hepatology 1994; 21: 479
-Al-Holy M et al: Inactivation of Listeria innocua in nisin-treated salmon (Oncorhynchus keta) and sturgeon (Acipenser transmontanus) caviar heated by radio frequency. Journal of Food Protection 2004; 67: 1848-1854
-Wang W et al: Concentrations and risks of organic and metal contaminants in Eurasian caviar. Ecotoxicology and Environmental Safety 2008; 71: 138-148
-BfR Expert Opinion: Collection and pre-selection of available data to be used for the risk assessment of malachite green residues by JECFA. 007/2008
-Henschler D: Boric Acid. Occupational Toxicants 1993; 5: 295-321
-Krusen F: Wechselwirkungen zwischen Lebensmittelrecht und Lebensmitteltechnologie. ZFL 1979; 30: 246-248
Na klar, jeder weiß, dass die Wildbestände des Störs bedroht sind, dass nur zertifizierter Kaviar aus lizenzierten Fängen gehandelt werden darf und dass die beachtlichen Mengen aus illegalen Fängen selbstverständlich ebenfalls über Papiere verfügen – gefälschte natürlich. Der hohe Preis des Kaviars hat nun dazu geführt, dass die Störe heute zunehmend in Aquakulturen gezüchtet werden. Das ist wohl die einzige wirksame Methode, um den illegalen Handel zurückzudrängen und die Tiere zu schützen.
Auch in Deutschland gibt es diese Kreislaufanlagen, wie es so schön heißt. Das sind nichts anderes als Fabriken, in denen die Störe in großen Tanks beziehungsweise Becken gehalten werden. Das erlaubt ein dreimal so schnelles Wachstum wie in freier Wildbahn. Einfach deshalb, weil Fische bei höheren Temperaturen halt schneller wachsen. Und natürlich auch ganzjährig ausreichend Futter bekommen.
Klar, dass die Anbieter von Kaviar aus Aquakultur damit werben, ihre Ware sei nicht mit Umweltgiften belastet; aber der wildlebende Stör, der sei durch Schadstoffe aller Art bedroht. Doch die vorliegenden Rückstandsanalysen sind nicht besonders aufregend, irgendwie passen die nicht so ganz zu den dramatischen Berichten über die Verschmutzung russischer Gewässer. Viel interessanter wären Infos zum Arzneimitteleinsatz in unseren Mastanlagen. Wenn Fische in freier Wildbahn krank werden, dann verenden sie meistens sang- und klanglos – ohne auf unserem Esstisch zu landen.
Anders ist das in den viel gelobten Aquakulturen: Hier müssen kranke Tiere behandelt werden – nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch wegen des Tierschutzes. In Forellenkaviar fand man immer wieder mal Rückstände von Arzneien – noch dazu illegalen. Egal wie – irgendwas ist immer. Dennoch: Industrielle Kreislaufanlagen sind ein Fortschritt, denn sie erlauben ein vernünftiges Qualitätsmanagement. Bei Wildfängen muss man nehmen, was man so aus dem trüben Wasser fischt. In Mastanlagen weiß man, was man hat; man kann die Wasserqualität genau steuern, man kennt die Keime, die Rückstände und seinen Fisch.
Wäre da nicht die sogenannte Hälterung, die aus unserer Sicht Geschmäckle hat: Die Weibchen werden sechs Wochen lang auf eine Null-Diät gesetzt. Dabei bauen sie dann einen Teil ihrer Fettreserven ab, das soll den Geschmack von Fleisch und Kaviar verbessern. Nach der Schlachtung wird der Rogen entnommen, dabei muss die zähe Membran beseitigt werden, die den Rogen umhüllt. Also gibt man Collagenasen dazu, das sind Enzyme, die die Hülle auflösen. Dann werden die Eier gesalzen – und im Falle von russischem Kaviar mit Borsäure konserviert. Das ist ein höchst fragwürdiger Stoff, der von der EU aber extra für die russische Spezialität zugelassen wurde, da die Russen sich standhaft weigerten, unbedenklichere Konservierungsmittel zu verwenden. Wenn die Europäer keine Borsäure wollen, müssen sie eben auf Kaviar verzichten. Dieser Tatsache hat sich unser Lebensmittelrecht gebeugt. Hier war der Schutz der Feinschmeckerei das höhere Rechtsgut. Na denn Mahlzeit!
Literatur
-Glerup H et al: A "mini epidemic" of hepatitis A after eating Russian caviar. Journal of Hepatology 1994; 21: 479
-Al-Holy M et al: Inactivation of Listeria innocua in nisin-treated salmon (Oncorhynchus keta) and sturgeon (Acipenser transmontanus) caviar heated by radio frequency. Journal of Food Protection 2004; 67: 1848-1854
-Wang W et al: Concentrations and risks of organic and metal contaminants in Eurasian caviar. Ecotoxicology and Environmental Safety 2008; 71: 138-148
-BfR Expert Opinion: Collection and pre-selection of available data to be used for the risk assessment of malachite green residues by JECFA. 007/2008
-Henschler D: Boric Acid. Occupational Toxicants 1993; 5: 295-321
-Krusen F: Wechselwirkungen zwischen Lebensmittelrecht und Lebensmitteltechnologie. ZFL 1979; 30: 246-248