Kay Voges' Abschied vom Schauspiel Dortmund

Online-Finale einer wilden Theaterzeit

06:37 Minuten
Theaterintendant Kay Voges.
Der bisherige Intendant des Dortmunder Schauspiels wechselt an das Volkstheater in Wien. © Hupfeld / Theater Dortmund
Von Stefan Keim |
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Kay Voges und sein Ensemble verabschieden sich mit einer emotionalen Online-Gala von ihrem Publikum. Zehn Jahre haben sie das Schauspiel Dortmund zum führenden deutschsprachigen Theaterlabor gemacht.
Alle treten einzeln auf, verneigen sich und sprechen ein paar Worte in die Kamera. Jeder für sich und doch bilden sie eine Gemeinschaft. Darunter liegt Musik aus Gustav Mahlers zweiter Sinfonie, wie am Ende der "Borderline Prozession", einem der bedeutendsten Theaterabende, die Kay Voges in Dortmund geschaffen hat. Zehn Jahre lang haben er und sein Team lustvoll experimentiert, neue Techniken und Erzählweisen ausprobiert, sich den Ruf als führendes deutschsprachiges Theaterlabor erarbeitet. Nun wechseln Voges und ein Teil seines Ensembles ans Wiener Volkstheater.

Unberechenbare Inszenierungen

Der live gestreamte Abschiedsabend "Danke für alles" hat viel von den spontanen, im positiven Sinne unberechenbaren Aufführungen, für die Kay Voges in Dortmund bekannt geworden ist. Das Ensemble selbst hat die Szenen erarbeitet, Ausschnitte aus Stücken mit neuen Texten kombiniert oder ganze Monologe neu geschrieben. So entsteht ein offener, assoziativer Erinnerungsraum aus Theaterszenen, Songs und Grußworten per Video. Herrlich selbstironisch karikiert etwa Björn Gabriel den Wahnsinn, alle paar Wochen das Theater neu erfinden zu wollen. Dann finden sich mehrere zu einem Konzentrat aus Tschechows "Kirschgarten" zusammen.
Der rote Stern auf dem Dach des Schauspielhauses ist abmontiert, am Dortmunder U – dem höchsten Gebäude der Dortmunder Innenstadt – lief eine Videoinstallation des Filmregisseurs Adolf Winkelmann. Trotz der Corona-Beschränkungen war es ein würdiger Abschied.

Akademie für Theater und Digitalität

Die Stadt und das Ensemble sind in den zehn Jahren zusammen gewachsen. Kay Voges hat es geschafft, viele Leute anzusprechen, die sich sonst nicht für Theater interessieren. Das Theater hat politisch Haltung bezogen und Themen und Orte der Stadt spielerisch erkundet. Die Akademie für Theater und Digitalität wird bleiben und einige Impulse weiter führen.
Es ist oft diskutiert worden, ob das Dortmunder Schauspiel ein Konzept für die Zukunft entworfen hat, das sich auf andere Städte übertragen lässt. Kay Voges hat in seiner Intendanz kaum prägende Regiehandschriften neben seiner eigenen etabliert. Inszenierungen von Jonathan Meese und Ersan Mondtag blieben Einzelevents. Das wird er in Wien verbessern müssen.
Seine großen Pluspunkte sind das wundervolle Ensemble aus starken Künstlerpersönlichkeiten, seine Fähigkeit auf andere zuzugehen, und die Bereitschaft, immer wieder von vorne anzufangen. Bei aller Technikbegeisterung stand immer der Mensch im Mittelpunkt.

Richtiger Zeitpunkt für den Wechsel

Manches wirkte in den letzten beiden Jahren ausgereizt, Voges inszenierte an größeren Häusern, in Berlin, Hamburg, Hannover und am Burgtheater. Er brauchte einen neuen Kick. Insofern ist der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel gekommen. Kay Voges wird das Theater wohl noch einige Male neu erfinden.
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