Keckes Versteckspiel

"Hoppe" ist keine Autobiographie, sondern eine Traumbiographie, in der Hoppe von einer anderen Hoppe erzählt. Ihr Lebens- und Reisebericht wird zum tragikomischen Künstlerroman, mit dem sie uns durch die weite Welt und wieder zurück in die deutsche Provinz führt, wo ihre Wunschfamilie noch immer auf sie wartet.
Man sieht den Titel und wundert sich. Felicitas Hoppe schreibt ein Buch über Hoppe. Warum bitte sollte eine 51-Jährige sich schon autobiografisch verewigen? Doch wer Hoppe kennt, der ahnt, dass sie mit Hoppe nicht Hoppe meint. Jedenfalls nicht nur. Denn seit ihrem Debütroman Pigafetta mengt die Autorin Reales und Surreales in munterer Mischung. Erzählt von sich in anderen Personen, aus anderen Zeiten, in anderen Ländern. Schwebt fröhlich durch die Welt- und Literaturgeschichte.

Bleiben wir kurz faktisch: Hoppe, am 22. Dezember 1960 in Hameln geboren, wurde eine Reisende und eine hoch gelobte Schriftstellerin, die historische Figuren neu belebte, Mythen und Legenden mitbrachte aus fernen oder nahen Ländern, und sich manch wuchtigen Themen mit feinem Sinn näherte.

Nun also nähert sie sich der eigenen Person. Indem sie sich von sich entfernt. Sich ihre Hoppe erfindet. Das kennen wir. Jeder Autor erfindet sein Leben, um darüber schreiben zu können. Doch kaum einer macht es so sichtbar wie Hoppe. Was so lobenswert ist wie auf Dauer ermüdend. Das kecke Versteckspiel, die Nischen und Lücken, in die und durch die sie immer dann entwischt, wenn sie sich offenbar zu nahe kommt, sind zwar vielfältig und ähneln sich irgendwann doch.

Immer wieder aber ist man gefangen. Hoppe, mal Eisläuferin, mal Pianistin, mal Deutschlehrerein, nimmt uns mit nach Kanada, Hameln und Australien. Wir spüren Freiheit, Luftraum, Meerweite. Sie lebt mit ihrem Entführer-Vater, der eher nüchtern auf seine Fantasietochter schaut. Er schreibt Tagebuch, wie so viele andere, die Hoppe im Laufe des Romans treffen und zitieren wird. Ein Mosaik, das nicht zum Bild werden mag. Doch Hoppe ist viel zu intelligent, um nicht zu wissen, was man ihr vorwerfen könnte. Auch das steht alles schon im Buch – indem sie imaginäre Kritiker ausführlich zu Wort kommen lässt. Oder zitiert sie aus tatsächlichen Rezensionen früherer Bücher? Der Roman bietet sich an für eine germanistische Magisterarbeit. Wo zitiert, ja plagiiert Hoppe Hoppe und wo gaukelt sie?

Ist das jetzt alles eitel oder einfach eine lustige Idee, ein übermütiges Theater, in dem sie ihr eigenes Leben als Schau-Spiel aufführt? Als Leser allerdings vermutet man immer mal wieder: Wer sie sehr gut kennt, amüsiert sich jetzt besser als ich. Und das ist keine gute Voraussetzung für gute Literatur. Dabei kann Hoppe so wortsicher schreiben und so grasgrünsaftig fantasieren: Wenn ihre Hoppe in Adelaide mit einem Adventskranz mit vier brennenden Kerzen auf dem Kopf an Land geht oder wenn ein blinder Junge die Menschen riechen kann, die neu auf dem australischen Kontinent ankommen.

Wie heißt es auf Seite 158: "...auf der schmalen Grenze zur wirklichen Welt, hinter der die große Verwirrung beginnt." Hoppe, so scheint es, will lieber fantastisch verwirren, als sich der großen Verwirrung der wirklichen Welt stellen. Und so liest man vergnügliche Szenen, mäandert munter durch die Hoppewelt – so voller Esprit und Witz und Schöpferkraft – und doch zugleich enttäuschend leer, weil menschliche Leidenschaft und Schmerz, weil Liebe und Verlust hinter all den Lustigkeiten nur zu ahnen sind.

Besprochen von Gabriele von Arnim

Felicitas Hoppe: "Hoppe"
S.Fischer Verlag, Frankfurt 2012
331 Seiten, 19,90 Euro


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"Das schönere Leben gibt es nicht." Ein Gespräch mit Felicitas Hoppe in der Villa Aurora
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