Kein Lacher, nirgends
Im Thalia-Zelt in der Hamburger Hafen-City inszeniert der Künstler Schorsch Kamerun ein Stück über B-Promis, die auf Kreuzfahrt gehen und mit der Flüchtlingsproblematik konfrontiert werden. Das Ergebnis ist leider unfassbar fahrig und halbgar.
Mit einer Art Vor-Eröffnung meldete sich am Wochen-ende auch das Hamburger Thalia Theater wieder zurück im Alltag der beginnenden Theater-Saison; mit dem neuen Intendanten Joachim Lux und dem neuen Haus-Regisseur Luk Perceval war es in der vergangenen noch nicht wirklich wieder dort angekommen, wo der Lux-Vorgänger Ulrich Khuon das Hamburger Theater-Schiff verlassen hatte: ganz oben in der Ersten Liga nämlich. Das Bild vom "Theater-Schiff" wird jetzt vom Musiker (und seit kurzem erst Theatermacher) Schorsch Kamerun gleich abendfüllend bedient.
Und was für ein hinreißender Theater-Ort das ist – ein Zelt direkt am Hafen-Wasser, elbauf ein Kreuzfahrtschiff, fertig zum Ablegen (die "Aida" nebelhornt im Folgenden dann ungeplant durch die erste halbe Stunde des Theaterabends und bringt das Ensemble ziemlich "in Tüddel", also durcheinander), elbab die Silhouette des Millionengrabes der Stadt, der Elbphilharmonie; dahinter noch mehr Hafen. Und gegen Ende werden auch noch die Zeltplanen kräftig angelupft, sodass eine Art Halbpanorama des Hafens mitzuspielen beginnt … was für eine viel, sehr viel versprechende (wie heißt das heute) "Location"!
Und was für ein witzig guter Titel: "Vor uns die Sintflut". Nicht "nach uns" kommt sie, nicht wenn wir alle schon nicht mehr das sind, irgendwie, kommt die Katastrophe; nein: vor uns liegt sie - offenen Auges und mit sicherem Kurs-Ziel, an der Börse und über-haupt, segeln wir mitten hinein.
Prima Bedingungen also für Theater – und dann das!
So unfassbar fahrig und halbgar ist Kameruns Abend geraten, dass es wirklich schwer fällt, überhaupt von den Zutaten, überhaupt nur vom Fortgang der so genannten "Handlung" zu erzählen. Nur das: Wir schauen einer Versammlung von B-Promis auf einer Art Kreuzfahrt zu, einer Diva, die nicht mehr singt, einer Tänzerin, die nicht mehr wirklich tanzt, einem Künstleragenten, der niemanden mehr zu vermitteln hat, einer rätselhaften Fremden, die immerhin rätselhaft und fremd bleibt. Dazu gibt’s ein wenig Personal, das auch nicht wirklich als Personal der Schaluppe funktioniert, dazu einen Seemann, dem vor der Zeit das Schiff davon gefahren ist – und im Heizungsraum eine ganze Statisterie von Flüchtlingen, "boat people" oder so, die aus irgendeiner armen in irgendeine reiche Welt zu fliehen versuchen.
Mehr aber als die Konstellation von Figuren, mehr als das soziale Unterfutter einer Art von Gesellschaftspanorama hat der Abend nicht zu bieten; keine echte Geschichte, keine Entwicklung, keinerlei Spannung und – am allerschlimmsten - keinerlei Witz! Kein Lacher, keine Pointe, nirgends – und das Publikum kann sich einfach nicht zwei Stunden lang mit der Frage befassen, wer denn wohl die sonderbare Groß-Diva sein mag, die die versammelte Feine-Leute-Truppe da angeb-lich zu Grabe trägt auf dieser allerletzten Boots-partie – gegen Ende taucht sie ja auf, in Gestalt der lieblichen Greisin Nadja Tiller; die wurde aus einer Hamburger Alten-Residenz noch einmal auf die Bühne gerufen und darf vor allem Flitter und Fummel und Goldlack tragen und dazu einen Song von Monstern anstimmen.
Das sind natürlich die reisenden Untergeher, sind wir selber mit unseren alten, falschen Ikonen, und wer bis Mitte Oktober Abend für Abend im Thalia-Zelt ganz doll gutmütig sein will, kann in Kameruns fadem, ganz ohne Feuer und Witz angerührtem Szenen-Cocktail so etwas wie einen Miniatur-Kommentar zur sozialen, politischen Lage entdecken – aber da ist jeder wohlmeinend-gutmenschelnde Betroffenheitssong im Elends-wettbewerb "Deutschland sucht den Wettbewerb" von höherer Brisanz.
Kamerun hatte neulich in Köln mal einen anderen Dampfer in Fahrt gebracht: die "MS Adenauer". Da hatte er immerhin eine Wir-sind-wieder-wer-Fabel aus den 50er-Jahren und über diese Zeit anzubieten. Die war zwar banal, aber immerhin vorhanden – hier in Hamburg hat er nichts: keine Fabel von Belang, keine Sprache mit Kraft für die Bühne, keine Idee von der Entwicklung einer Idee. Obendrein hat er den Abend auch noch inszeniert; oder besser: er steht als "Regisseur" im Programmfaltblatt.
Auch das ist eher gelogen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wurschteln sich irgendwie durch; sie tun das, was Ensembles ohne Regisseur halt so tun – sich irgendwie über die Zeit retten. Dass all das hochnotpeinlich ist für alle, wissen sie selber am besten.
In keinem Etablissement auf der Reeperbahn, nicht mal im eigenen "Golden Pudel Club", den Kamerun und Kol-lege Rocko Schamoni da betrieben, würde das Machwerk sonderlich auffallen; nicht mal negativ. Hier und jetzt aber ist es die Vor-Eröffnung der neuen Saison vom Thalia Theater – und da muss dann schon mal das Wort erlaubt sein, dass so etwas nie wieder passieren darf. "Vor uns die Sintflut"? Sie ist schon da. Vor dem Besuch des gleichnamigen Theaterprojektes sei hiermit gewarnt.
Und was für ein hinreißender Theater-Ort das ist – ein Zelt direkt am Hafen-Wasser, elbauf ein Kreuzfahrtschiff, fertig zum Ablegen (die "Aida" nebelhornt im Folgenden dann ungeplant durch die erste halbe Stunde des Theaterabends und bringt das Ensemble ziemlich "in Tüddel", also durcheinander), elbab die Silhouette des Millionengrabes der Stadt, der Elbphilharmonie; dahinter noch mehr Hafen. Und gegen Ende werden auch noch die Zeltplanen kräftig angelupft, sodass eine Art Halbpanorama des Hafens mitzuspielen beginnt … was für eine viel, sehr viel versprechende (wie heißt das heute) "Location"!
Und was für ein witzig guter Titel: "Vor uns die Sintflut". Nicht "nach uns" kommt sie, nicht wenn wir alle schon nicht mehr das sind, irgendwie, kommt die Katastrophe; nein: vor uns liegt sie - offenen Auges und mit sicherem Kurs-Ziel, an der Börse und über-haupt, segeln wir mitten hinein.
Prima Bedingungen also für Theater – und dann das!
So unfassbar fahrig und halbgar ist Kameruns Abend geraten, dass es wirklich schwer fällt, überhaupt von den Zutaten, überhaupt nur vom Fortgang der so genannten "Handlung" zu erzählen. Nur das: Wir schauen einer Versammlung von B-Promis auf einer Art Kreuzfahrt zu, einer Diva, die nicht mehr singt, einer Tänzerin, die nicht mehr wirklich tanzt, einem Künstleragenten, der niemanden mehr zu vermitteln hat, einer rätselhaften Fremden, die immerhin rätselhaft und fremd bleibt. Dazu gibt’s ein wenig Personal, das auch nicht wirklich als Personal der Schaluppe funktioniert, dazu einen Seemann, dem vor der Zeit das Schiff davon gefahren ist – und im Heizungsraum eine ganze Statisterie von Flüchtlingen, "boat people" oder so, die aus irgendeiner armen in irgendeine reiche Welt zu fliehen versuchen.
Mehr aber als die Konstellation von Figuren, mehr als das soziale Unterfutter einer Art von Gesellschaftspanorama hat der Abend nicht zu bieten; keine echte Geschichte, keine Entwicklung, keinerlei Spannung und – am allerschlimmsten - keinerlei Witz! Kein Lacher, keine Pointe, nirgends – und das Publikum kann sich einfach nicht zwei Stunden lang mit der Frage befassen, wer denn wohl die sonderbare Groß-Diva sein mag, die die versammelte Feine-Leute-Truppe da angeb-lich zu Grabe trägt auf dieser allerletzten Boots-partie – gegen Ende taucht sie ja auf, in Gestalt der lieblichen Greisin Nadja Tiller; die wurde aus einer Hamburger Alten-Residenz noch einmal auf die Bühne gerufen und darf vor allem Flitter und Fummel und Goldlack tragen und dazu einen Song von Monstern anstimmen.
Das sind natürlich die reisenden Untergeher, sind wir selber mit unseren alten, falschen Ikonen, und wer bis Mitte Oktober Abend für Abend im Thalia-Zelt ganz doll gutmütig sein will, kann in Kameruns fadem, ganz ohne Feuer und Witz angerührtem Szenen-Cocktail so etwas wie einen Miniatur-Kommentar zur sozialen, politischen Lage entdecken – aber da ist jeder wohlmeinend-gutmenschelnde Betroffenheitssong im Elends-wettbewerb "Deutschland sucht den Wettbewerb" von höherer Brisanz.
Kamerun hatte neulich in Köln mal einen anderen Dampfer in Fahrt gebracht: die "MS Adenauer". Da hatte er immerhin eine Wir-sind-wieder-wer-Fabel aus den 50er-Jahren und über diese Zeit anzubieten. Die war zwar banal, aber immerhin vorhanden – hier in Hamburg hat er nichts: keine Fabel von Belang, keine Sprache mit Kraft für die Bühne, keine Idee von der Entwicklung einer Idee. Obendrein hat er den Abend auch noch inszeniert; oder besser: er steht als "Regisseur" im Programmfaltblatt.
Auch das ist eher gelogen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wurschteln sich irgendwie durch; sie tun das, was Ensembles ohne Regisseur halt so tun – sich irgendwie über die Zeit retten. Dass all das hochnotpeinlich ist für alle, wissen sie selber am besten.
In keinem Etablissement auf der Reeperbahn, nicht mal im eigenen "Golden Pudel Club", den Kamerun und Kol-lege Rocko Schamoni da betrieben, würde das Machwerk sonderlich auffallen; nicht mal negativ. Hier und jetzt aber ist es die Vor-Eröffnung der neuen Saison vom Thalia Theater – und da muss dann schon mal das Wort erlaubt sein, dass so etwas nie wieder passieren darf. "Vor uns die Sintflut"? Sie ist schon da. Vor dem Besuch des gleichnamigen Theaterprojektes sei hiermit gewarnt.