Lederhose statt Laptop
Beim Breitbandausbau auf dem Land hinkt Bayern hinterher. Und es wird noch Jahre dauern, bis in entlegenen Gemeinden schnelles Internet verfügbar ist. Die Bewohner sind genervt und kämpfen für den Anschluss ans schnelle Netz.
Der Startknopf für das schnelle Internet in Berching ist weiß-blau – und sitzt auf einer magentafarbenen Stele im Rathausfoyer. Magenta steht für Telekom, Weiß-Blau für die Heimat: drei Farben, die gerade die Zukunft ländlicher Gemeinden in Bayern mitbestimmen. Zum Fototermin scharen sich Honoratioren aus Wirtschaft und Kommunalpolitik um den neuen bayerischen Finanz- und Heimatminister Albert Füracker.
Der Knopf ist gedrückt – 1500 Haushalte im etwas abseits gelegenen Städtchen Berching zwischen Ingolstadt und Nürnberg sind damit an die Datenautobahn angeschlossen.
"Es ist für Berching ein Meilenstein, weil wir natürlich mit Glasfaser in den Dörfern und in den dünn besiedelten Bereichen Bayerns neue Lebensqualität und neue Möglichkeiten in die entlegensten Gegenden bringen können. Und deswegen freuen sich die Menschen hier wirklich drauf."
Minister Albert Füracker macht solche Termine gern. Ein schneller Internetzugang ist eine gute Nachricht. Und gute Nachrichten streut die allein regierende CSU jetzt im Wahlkampf flächendeckend über den gesamten Freistaat. Bayern rühmt sich seit Jahren als Land der Breitbandförderung. Dennoch kommt es beim gegenwärtigen Standard von 50 und mehr Megabit pro Sekunde über den Bundesdurchschnitt nicht hinaus. 2017 noch lag Bayern in der bundesweiten Vergleichstabelle, dem Breitbandatlas, hinter allen anderen alten Bundesländern. Warum das so ist, erfährt man, wenn man genauer hinschaut – und noch weiter ins Abseits fährt. Zum Beispiel zu Bürgermeister Hanngörk Zimmermann nach Gößweinstein.
Der Knopf ist gedrückt – 1500 Haushalte im etwas abseits gelegenen Städtchen Berching zwischen Ingolstadt und Nürnberg sind damit an die Datenautobahn angeschlossen.
"Es ist für Berching ein Meilenstein, weil wir natürlich mit Glasfaser in den Dörfern und in den dünn besiedelten Bereichen Bayerns neue Lebensqualität und neue Möglichkeiten in die entlegensten Gegenden bringen können. Und deswegen freuen sich die Menschen hier wirklich drauf."
Minister Albert Füracker macht solche Termine gern. Ein schneller Internetzugang ist eine gute Nachricht. Und gute Nachrichten streut die allein regierende CSU jetzt im Wahlkampf flächendeckend über den gesamten Freistaat. Bayern rühmt sich seit Jahren als Land der Breitbandförderung. Dennoch kommt es beim gegenwärtigen Standard von 50 und mehr Megabit pro Sekunde über den Bundesdurchschnitt nicht hinaus. 2017 noch lag Bayern in der bundesweiten Vergleichstabelle, dem Breitbandatlas, hinter allen anderen alten Bundesländern. Warum das so ist, erfährt man, wenn man genauer hinschaut – und noch weiter ins Abseits fährt. Zum Beispiel zu Bürgermeister Hanngörk Zimmermann nach Gößweinstein.
Schön, aber abgehängt
"Wir sind zwar die schönste – sag ich jetzt mal – im Landkreis Forchheim, aber auch die größte Gemeinde."
"Größe" heißt in der malerisch-wilden Mittelgebirgslandschaft der Fränkischen Schweiz vor allem viel Fläche. 4022 Gößweinsteiner verteilen sich auf über 50 Quadratkilometer – und 31 Ortsteile. Im Internetzeitalter eine Herausforderung.
"Wir haben 2014/15 am Landesprogramm teilgenommen. Erste Ausbaustufe war das für uns gewesen. Und da konnten wir 85 Prozent unserer Bevölkerung mit schnellem Internet versorgen. 15 Prozent demzufolge noch nicht."
Die Förderung reichte für die Hauptortsteile. Ein neues Glasfaserkabel versorgt Verteilerpunkte mit schnellem Internet, das dann durch herkömmliche Kupferkabel in die Häuser verteilt wird. Für Verteilerpunkte in kleineren Ortsteilen reichte das Geld nicht – zumal auch die Gemeinde einen Anteil zahlt.
"Wir haben die Kuriositäten, dass wir zum Beispiel einen Ort haben, Kohlstein, da läuft das Glasfaserkabel durch den Ort durch. Aber da kein Verteiler gesetzt werden konnte aufgrund von Kosten, haben die keine Versorgung mit schnellem Internet."
Man hört es Hanngörk Zimmermann an: Ein Franke ist er nicht. Der gebürtige Rheinländer war weltweit für ein Unternehmen in Nürnberg tätig – und hatte sich in ein Haus im 70 Kilometer entfernten Luftkurort verliebt. Dass ein Sechstel seiner Gemeinde auch 2018 noch mit unter einem MBit pro Sekunde leben müssen, hätte er sich als Großstädter nicht vorstellen können.
"Größe" heißt in der malerisch-wilden Mittelgebirgslandschaft der Fränkischen Schweiz vor allem viel Fläche. 4022 Gößweinsteiner verteilen sich auf über 50 Quadratkilometer – und 31 Ortsteile. Im Internetzeitalter eine Herausforderung.
"Wir haben 2014/15 am Landesprogramm teilgenommen. Erste Ausbaustufe war das für uns gewesen. Und da konnten wir 85 Prozent unserer Bevölkerung mit schnellem Internet versorgen. 15 Prozent demzufolge noch nicht."
Die Förderung reichte für die Hauptortsteile. Ein neues Glasfaserkabel versorgt Verteilerpunkte mit schnellem Internet, das dann durch herkömmliche Kupferkabel in die Häuser verteilt wird. Für Verteilerpunkte in kleineren Ortsteilen reichte das Geld nicht – zumal auch die Gemeinde einen Anteil zahlt.
"Wir haben die Kuriositäten, dass wir zum Beispiel einen Ort haben, Kohlstein, da läuft das Glasfaserkabel durch den Ort durch. Aber da kein Verteiler gesetzt werden konnte aufgrund von Kosten, haben die keine Versorgung mit schnellem Internet."
Man hört es Hanngörk Zimmermann an: Ein Franke ist er nicht. Der gebürtige Rheinländer war weltweit für ein Unternehmen in Nürnberg tätig – und hatte sich in ein Haus im 70 Kilometer entfernten Luftkurort verliebt. Dass ein Sechstel seiner Gemeinde auch 2018 noch mit unter einem MBit pro Sekunde leben müssen, hätte er sich als Großstädter nicht vorstellen können.
Ein Video-Download dauert schon mal zwei Stunden
"Unter 1 MBit heißt: Wenn ich eine normale E-Mail, ich sage mal, herunterlade, funktioniert das. Ist da ein Anhang dabei, also alles, was über den Text hinausgeht, dann kann ich mir als Erwachsener einen Kaffee machen. Wenn die Kinder ein Video downloaden wollen, dauert das eine Stunde bis zwei Stunden, bis Sachen runtergeladen sind."
Man kann sich diese Unterversorgten mitunter als glückliche Menschen vorstellen. Zumindest, wenn sie genügsame Kinder haben. Das Einfamilienhaus der Familie Endres am Ortsrand vom Kohlstein ist hell und modern und hat eine grandiose Sicht auf die umliegende Hügellandschaft. Bevor Steffi Endres mittags mit dem Skateboard zur Bushaltestelle spaziert, um ihren Sohn abzuholen, hat sie Zeit für einen kurzen Plausch.
Man kann sich diese Unterversorgten mitunter als glückliche Menschen vorstellen. Zumindest, wenn sie genügsame Kinder haben. Das Einfamilienhaus der Familie Endres am Ortsrand vom Kohlstein ist hell und modern und hat eine grandiose Sicht auf die umliegende Hügellandschaft. Bevor Steffi Endres mittags mit dem Skateboard zur Bushaltestelle spaziert, um ihren Sohn abzuholen, hat sie Zeit für einen kurzen Plausch.
"Meine große Tochter hatte mal eine Freundin da und meine jüngere war im Wohnzimmer und hat gelesen. Und die gingen dann ins Wohnzimmer. Und die Freundin sagt: Was macht die Johanna da? – Und die Franziska sagt: Ja, die liest. – Ach, du liest Bücher!, sagt dann die Freundin."
Steffi Endres will nichts schönreden. Würde sie es zulassen, wären auch ihre Kinder den Nachmittag über im Netz – möglicherweise ja, um den Downloadbalken bei seinem Fortschreiten zu beobachten. Doch selbst die langsame 1-Mbit-Verbindung hat das Leben hier draußen revolutioniert.
"Meine Töchter haben jetzt Freunde, teils aus Eggolsheim, also wenn man da mal hinfährt – nur einmal hin und zurück, ist man ja schon eine Stunde unterwegs. Unsere Eltern hätten früher gesagt: Nie im Leben fahre ich dich dahin. Diese Freundschaften halten sich jetzt durchs Internet, durch WhatsApp. Das sind gute Freundschaften, die sehen sich vier-, fünfmal im Jahr und der Rest läuft über WhatsApp, bis sie mal älter sind und Führerschein haben und so weiter."
Auch 30 MBit sind zu wenig
Familie Endres blickt der Zukunft mit Geduld entgegen. Bis 2019 ein weiteres Förderprogramm auch ihr Breitbandanschlüsse beschert. Anders Klaus Paschos auf der anderen Seite des Tales. Der Elektriker mit dem Schnurrbart ist zunehmend genervt.
"Das kann irgendwo nicht sein. Ich kann nicht immer nur die Leute bevorzugen, die im näheren Umkreis von Gößweinstein sind. Ich muss auch mal auf die Dörfer schauen, dass die auch mal was bekommen. So. Und jetzt sind wir beim Ende 2018. Wenn das so weitergeht, haben wir Ende 2019 immer noch keines. Es ist einfach so. Wir auf dem Dorf wollen auch schnelles Internet haben. Und nicht nur die in der Stadt."
Hinter dem Frust des Bürgers steckt in der Tat ein gewisses taktisches Missgeschick seines Bürgermeisters. Für die zweite Förderung hatte sich die Gemeinde nämlich beim Förderprogramm des Bundes beworben. Und zwar zu früh.
"Die Richtlinien waren noch nicht fertig gewesen. Zum Beispiel bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung musste unsere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die wir im Hintergrund beauftragt hatten, die Fehler ausmerzen, die die in ihren Richtlinien hatten. Und wir haben ein Jahr nur mit der Koordinationsstelle diskutiert. Hintenraus haben wir bestätigt bekommen nach einem Jahr, dass unsere ursprünglich eingereichten Unterlagen alle korrekt waren."
Ein Jahr hatten sie Zeit verloren - und Bürgermeister Zimmermann das Vertrauen in den Bund. Er bewarb sich erneut beim Freistaat Bayern für ein Förderprogramm. Das läuft jetzt. Auch wenn Zimmermann nicht bei der CSU ist, sondern bei den Freien Wählern, lobt er den Freistaat und seine Heimatminister. Und schimpft auf Berlin.
"Digitale Versorgung ist ein Bundesthema. Und es ist eine Frechheit, dass wir uns als Kommune überhaupt damit auseinandersetzen müssen."
"Das kann irgendwo nicht sein. Ich kann nicht immer nur die Leute bevorzugen, die im näheren Umkreis von Gößweinstein sind. Ich muss auch mal auf die Dörfer schauen, dass die auch mal was bekommen. So. Und jetzt sind wir beim Ende 2018. Wenn das so weitergeht, haben wir Ende 2019 immer noch keines. Es ist einfach so. Wir auf dem Dorf wollen auch schnelles Internet haben. Und nicht nur die in der Stadt."
Hinter dem Frust des Bürgers steckt in der Tat ein gewisses taktisches Missgeschick seines Bürgermeisters. Für die zweite Förderung hatte sich die Gemeinde nämlich beim Förderprogramm des Bundes beworben. Und zwar zu früh.
"Die Richtlinien waren noch nicht fertig gewesen. Zum Beispiel bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung musste unsere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die wir im Hintergrund beauftragt hatten, die Fehler ausmerzen, die die in ihren Richtlinien hatten. Und wir haben ein Jahr nur mit der Koordinationsstelle diskutiert. Hintenraus haben wir bestätigt bekommen nach einem Jahr, dass unsere ursprünglich eingereichten Unterlagen alle korrekt waren."
Ein Jahr hatten sie Zeit verloren - und Bürgermeister Zimmermann das Vertrauen in den Bund. Er bewarb sich erneut beim Freistaat Bayern für ein Förderprogramm. Das läuft jetzt. Auch wenn Zimmermann nicht bei der CSU ist, sondern bei den Freien Wählern, lobt er den Freistaat und seine Heimatminister. Und schimpft auf Berlin.
"Digitale Versorgung ist ein Bundesthema. Und es ist eine Frechheit, dass wir uns als Kommune überhaupt damit auseinandersetzen müssen."
Mehr Perspektiven durch Breitbandausbau
Rund 80 Prozent seiner Arbeitszeit der vergangenen zwei Monate hat Hanngörk Zimmermann in den Förderantrag gesteckt. Seine Kommune ist eigens dem Deutschen Städtebund beigetreten, damit er immer auf dem neuesten Stand ist über Förderprogramme. Zimmermann hat als ausgebildeter Manager sein Amt angetreten. Er kommt klar. Nur weiß er, auch die 30 MBit, die sie in den nächsten Jahren verlegen, sind jetzt schon zu langsam.
"Wenn man sieht, wohin die Technologie geht und auch vor allen Dingen, wie schnell die sich entwickelt, wird mir angst und bange. Muss ich ganz ehrlich sagen. Weil die Frage ist, wie schnell müssen wir wieder nachinvestieren – und sind wir dazu in der Lage, das nachhaltig zu machen."
In den größeren Städten verlegen die Anbieter längst Glasfaserkabel bis in die Häuser. Mit einer solchen High-Speed-Leitung wäre für den Elektriker Klaus Paschos, der eine halbe Stunde entfernt in einer Firma für Steuerungstechnik Schaltpläne zeichnet, das Leben am Wochenende sehr viel leichter.
"Und der Schaltplan hat halt mal schnell ein paar 100 MB, und wenn man sowas dann über das 5000er-, 6000er-DSL hin- und herschieben will, funktioniert das nicht. Das dauert viel zu lang. In der Zeit, in der ich es im Internet hin- und hergeschoben habe, bin ich mit dem Auto runtergefahren."
Ein zeitgemäßer Breitbandausbau würde dem Ort insgesamt Perspektiven bieten, weiß man im Rathaus: Gößweinstein würde mit seiner Natur und seinen günstigen Grundstückspreisen optimale Bedingungen fürs Arbeiten im Homeoffice bieten. Das schnelle Internet wäre eine Chance für die Landgemeinde mit ihrer schrumpfenden Bevölkerung. Klaus Paschos denkt dabei auch an seinen Sohn, der Informatik studieren möchte. Und formuliert es eher nüchtern.
"Es würden vielleicht keine Leute wegziehen. Also dass einer herzieht deswegen, das glaube ich jetzt eher nicht. Aber das einer wegzieht, weil es kein schnelles Internet gibt – das sehe ich schon."
"Wenn man sieht, wohin die Technologie geht und auch vor allen Dingen, wie schnell die sich entwickelt, wird mir angst und bange. Muss ich ganz ehrlich sagen. Weil die Frage ist, wie schnell müssen wir wieder nachinvestieren – und sind wir dazu in der Lage, das nachhaltig zu machen."
In den größeren Städten verlegen die Anbieter längst Glasfaserkabel bis in die Häuser. Mit einer solchen High-Speed-Leitung wäre für den Elektriker Klaus Paschos, der eine halbe Stunde entfernt in einer Firma für Steuerungstechnik Schaltpläne zeichnet, das Leben am Wochenende sehr viel leichter.
"Und der Schaltplan hat halt mal schnell ein paar 100 MB, und wenn man sowas dann über das 5000er-, 6000er-DSL hin- und herschieben will, funktioniert das nicht. Das dauert viel zu lang. In der Zeit, in der ich es im Internet hin- und hergeschoben habe, bin ich mit dem Auto runtergefahren."
Ein zeitgemäßer Breitbandausbau würde dem Ort insgesamt Perspektiven bieten, weiß man im Rathaus: Gößweinstein würde mit seiner Natur und seinen günstigen Grundstückspreisen optimale Bedingungen fürs Arbeiten im Homeoffice bieten. Das schnelle Internet wäre eine Chance für die Landgemeinde mit ihrer schrumpfenden Bevölkerung. Klaus Paschos denkt dabei auch an seinen Sohn, der Informatik studieren möchte. Und formuliert es eher nüchtern.
"Es würden vielleicht keine Leute wegziehen. Also dass einer herzieht deswegen, das glaube ich jetzt eher nicht. Aber das einer wegzieht, weil es kein schnelles Internet gibt – das sehe ich schon."