Kein Schultag ohne Musik

Von Julia Eikmann |
Für die Musikspezialklassen am Goethe-Gymnasium Rutheneum in Gera gibt es mehr Bewerber als Plätze. Wer aufgenommen wird, darf im renommierten Konzertchor der Schule mitsingen.
Chorleiter Frank: "Wenn man über einer Sache steht und sich völlig in dem Moment gehen lassen kann. Dann entsteht dieser spezielle Moment."

Schülerin Lea: "Der Chor bedeutet für mich halt Musik nicht nur als Hobby zu haben, sondern die Musik auch zu leben, die Musik wirklich aktiv umzusetzen und ja, auch ein unheimliches Gemeinschaftsgefühl zu erleben."

Schüler Andreas: "Also, es geht eigentlich kein Tag ohne Musik."

63 Jungen und Mädchen stehen in der Aula des Goethe-Gymnasiums Rutheneum in Gera und singen sich warm. Hisashi Fujijama, als Gesangslehrer zuständig für die Stimmbildung des Chores, leitet sie an. So beginnen alle Proben für den Konzertchor der Musikspezialschüler. Zweimal die Woche kommen sie für insgesamt fünf Stunden zum gemeinsamen Singen zusammen. Neben dem Chor – und neben dem normalen Abiturstoff – stehen auf dem Stundenplan auch die Fächer Musikanalyse, Musikgeschichte, Gehörbildung und Musiktheorie, sowie die Ausbildung an einem Instrument.

Schülerin Lea: "Je nachdem, wie man seine Fächer gelegt hat, kann es natürlich passieren, dass man die Woche gleich mit Musik startet, die Woche mit Musik aufhört, also, es vergeht eigentlich kein Tag, an dem man keinen Musikunterricht hat und dann wird natürlich zu Hause noch geübt","

sagt Lea aus Erfurt. Die 19-jährige Sopranistin ist extra für die Musikausbildung an das Gymnasium nach Gera gekommen. In der Woche wohnt sie im Internat, am Wochenende fährt sie nach Hause. Genau wie 53 andere Externe. Selbstverständlich hören sie nicht auf zu musizieren, wenn sie die Schulräume verlassen haben.

Lea: ""Also, ich geh auch nach Hause und üb’ als erstes gleich Klavier, wenn ich nicht gerade übermäßig großen Hunger hab. Ja, und es wird dann, wenn einer übern Flur läuft und singt, dann steigt der nächste gleich mit ein, dann ist es zweistimmig, und so schnell kann man gar nicht gucken, dann ist es drei- und vierstimmig."

Die Jungen dürfen nach dem Stimmbruch, die Mädchen ab der elften Klasse im Konzertchor mitsingen. Gerade den Neuen wird viel abverlangt. Immerhin will ein Repertoire von Bartholdy bis Schütz, von Bruckner bis Strauss beherrscht werden. Um die Literatur zügig zu lernen und den Sängern Verantwortung zu übertragen, ist es in Gera Tradition, dass die Registerproben von den Schülern selbst angeleitet werden. Sopran, Alt, Tenor und Bass verteilen sich auf verschiedene Klassenzimmer:

Schüler Andreas: "Es gibt schon Tage, wo man acht, neun Stunden probt und dann sagt man sich, es reicht auch wieder, aber im Endeffekt will man ja auch ein Konzert machen, und deswegen proben wir. Und dann merkt man auch wieder, dass es sich doch gelohnt hat, dass man viel Zeit investiert hat und sich auch mal überwinden muss."

Immerhin standen für Andreas, der den Bass führt, im letzten Jahr rund 20 Konzerte an. Privat hört der 18-Jährige nicht unbedingt klassische Musik. Es darf ruhig auch mal etwas lauter sein. Das Projekt "Hereafter", in dem der Chor im letzten Jahr mit einer Rockband und Orchester auftrat, kam ihm gerade recht. Mitschülerin Anna, rote Dreadlocks und Piercing in der Lippe, fängt regelrecht an zu schwärmen, wenn sie daran denkt:

"Das war das erste Stück, was mich im Chor richtig angesprochen hat. Was ich auch richtig toll fand, das mit Hidden Timbre vorführen zu können und sich als Chor zusammenzureißen, da nicht über die Bühne zu hüpfen."

Musikspezialklassenleiter Müller: "Wir machen immer so verrückte Sachen. Dafür ist unser Chorleiter einfach prädestiniert. Der Mann ist phänomenal auf dem Gebiet. Der hat jede Partitur im Kopf! Und das ist natürlich auch das, wo die Schüler sagen: Oh Moment, was der kann, das ist ja toll. Und dann hat der natürlich so eine Art, das erlebt man erst, wenn man genau vor dem Chor steht, der hat ein Charisma, er steht vor dem Chor, fängt dann an Musik zu machen, und das strahlt und klingt und das ist eine wahre Begeisterung."

So schwärmt der Leiter der Musikspezialklassen, Rainer Müller, von seinem Chorleiter Christian Frank. Kein Wunder. Seit der den Konzertchor vor 15 Jahren übernommen hat, ist dieser zu einem Ensemble von internationalem Rang gereift – Auszeichnungen als bester europäischer Chor und Golddiplome in Budapest, Riva del Garda und Grado, Einladungen in die USA, nach Israel und Südkorea. Das Niveau immer weiter anzuheben bleibt eine Herausforderung. Wenn alles gut läuft, werden sich auch in diesem Jahr wieder diese gewissen Momente einstellen -

Chorleiter Frank:"Wo man sagt, hier stimmt einfach alles, hier reagiert der Chor perfekt, genau so muss es sein. Und diese Momente sind die schönsten, wenn man das erreicht."


Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.